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Montag, 18. November 2019

Buchungsaufwand

Bonjour, welcome, guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Was wir arbeiten, wie das geschieht und wie wir anzusprechen sind, ist für Au­ßen­ste­hen­de oft ein Buch mit sie­ben Sie­geln. Dabei ist es ganz einfach.

Freiberufliche Dolmetscher stellen in unserer Branche den Premium­markt dar. Wir haben fünf bis sieben Jahre studiert, auch im Aus­land, oder ha­ben nicht selten be­rufs­be­dingt mehrere Wohnsitze.

Bei Klas­sen­tref­fen treffen wir gelegentlich die Mit­schü­ler von einst, die viele Jahre vor uns ins Berufsleben eingetreten sind. Unsere festan­gestellten Alters­ge­nossen erhalten nicht nur Urlaubs-, Kranken- und Weihnachts­geld, sie dürfen künftig mit der gesetz­li­chen Rente rechnen, bis dahin trägt ihr Arbeitgeber die an­fal­len­den Kosten für Arbeits­­­platz und Fortbildungen.

Wir Dolmetscher erwirtschaften das selbst. Das ist der Grund dafür, dass unsere Ho­no­rar­sätze einigermaßen hoch sein müssen. Heute sind sie zu niedrig. Im Zuge der allgemeinen deutschen Lohn­zu­rück­hal­tung wurden sie in den letzten 25 Jahren knapp an die Inflation an­ge­passt. Mit dem steigenden Arbeitsaufwand halten sie auch nicht Schritt. Denn wo wir früher drei, vier Tage lang für einen Kon­gress ge­dol­­metscht haben, wer­den wir heute oft nur noch einen, manchmal zwei Tage ge­bucht. Die Sessions sind dichter und kürzer geworden, die Tage länger.

Daher sind unsere Kunden gut beraten, uns Sprach­dienstleister direkt zu buchen. Denn werden wir Dolmetscher über den Zwischenhandel angefragt und als Sub­un­ter­neh­mer verpflichtet, fehlt das Geld für diese Rücklagen, die anderswo unter "Arbeitgeberanteile" und Sozialabgaben fungieren.

Für mehrtägige Einsätze, gerne auch mit mehreren Sprachen, ist es sinnvoll, eine Kol­le­gin/einen Kol­legen als be­ra­ten­de(n) Dolmetscher/in zu verpflichten — und die­sen Aufwand auch gesondert zu vergüten. Wir buchen, wen wir aus eigener Er­fah­rung kennen. Und wer selbst in der Ka­bine sitzen wird, achtet bei den Kol­le­gin­nen auf hohe Qualität.

Money makes the world go round
Diese Be­ra­tung be­rechnen auch die seriösen Agen­­­tu­ren extra. Ich durf­te in­zwi­schen ei­ni­ge we­ni­ge ken­­nen­­­ler­nen.
Einmal haben wir in drei Sä­len jeweils fünf Ka­bi­nen bes­challt, Ex­kur­sio­nen kamen noch hin­zu. Wir waren froh, dass da jemand nur für un­se­re Ab­lauf­planung zustän­­dig war. Auch hier erfolgte die Kol­le­gen­aus­­wahl über un­se­re konkreten Em­pfeh­lungen.

Sie buchen also, wen sie vom Hören­sagen kennen. In der Regel sind diese Agen­tur­mit­ar­beiter aber keine Dolmetscher.

Blind bucht die dritte Kategorie auf dem Markt, die zahlreichen Fir­men, die eine "Agentur" si­mu­lieren. Hier sind Gän­se­füßchen durchaus angebracht, denn Stock­fotos und Brief­kas­ten­adresse sind genauso schnell im Internet gekauft wie eine Domain. In der Folge erleben wir Spracharbeiterin­nen keinen Mehr­wert durch diese Makler, die aber für den er­schwer­ten Kontakt zum Kunden — unsere Fragen nach Vor­be­reitungs­­material ver­hallt zumeist ungehört — einen nicht unerheblichen Pro­zent­satz unserer Ho­no­rare beanspruchen, das können schon mal 35, 50 oder mehr Prozent sein. Für solche Makler arbeiten erfahrene Kolle­ginnen eher nicht. Damit ist die Buchung über solche Sprach­dis­counter immer ein Vabanquespiel für die Kunden.

Damit schaden derartige Firmen den Kunden und der ganzen Bran­che, denn sie ha­ben oft vom Dolmet­schen recht wenig Ahnung, weil sie vor allem Kauf­leute sind. Deshalb beraten sie Kunden auch nicht zu selten falsch. Zwei bis drei Stunden Prä­sen­­ta­­tio­­nen und Diskus­sions­beiträge verdolmetscht auf Konfe­renz­niveau nie­mand von uns ohne Kollegin oder Kollegen.

Dol­met­schen ist Team­arbeit und äußerst for­dernd für das Gehirn. Sollte Ihnen ein Un­terneh­men eine Solo-Kollegin (*) anbieten, handelt es grob fahr­läs­sig. Denn eine der­ar­ti­ge neu­ro­lo­gi­sche Über­­for­de­rung kann unter Um­stän­den ir­re­ver­si­ble Schäden auslösen, für die der End­kunde dann haftbar wäre. Ich deute nur an: Ein britische Kol­legin sitzt nach einem bei solcher Über­an­spru­chung erlittenen Aneu­rysma im Roll­stuhl.

Also Augen auf bei der Buchung! Als Teil verschiedener Netzwerke kann ich sagen: Wir beraten Sie gerne.

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Foto: Jeremy Lynch
(*) oder einen Kollegen

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