Donnerstag, 30. April 2015

Das Leben ist eine Vokabelliste

Hallo! Sie sind auf den Seiten eines digitalen Arbeitstagebuchs gelandet. Hier fin­den Sie Bilder und Momente aus dem Alltag, mit den Augen einer Dolmetscherin gesehen.

Vokabeln, Redensarten und Sprichwörter sammeln wir Sprachmenschen nach Her­zens­lust. Schon als Studentin habe ich oft den Stift gezückt, sogar im Bistrot nach dem Seminar. Viele Vokabelheftchen habe ich so gefüllt. Das Leben wurde stetiger, aus Heftchen wurden Vokabelbücher.

Es fehlt: l'oriel (m) — der Erker
Heute fotografiere ich viel. Ich freue mich, wenn Baustellenwände zu No­tiz­bü­chern werden. Mit den Bildern kann ich später aus der Ferne noch telefonisch nachgetragene Fragen dolmetschen. Der Fotoapparat ersetzt mir oft den Block.

Außerdem nehme ich regelmäßig Hör­funk­sen­dun­gen auf, die dann auf den MP3-Player wandern; Vorbesprechungen und Konferenzen außerhalb der Kabine zeichne ich mit einem Tonaufnahmegerät auf; mein Mobiltelefon ist ein kleiner Knochen, mit dem ich telefonieren kann. Nur telefonieren und Kurztextnachrichten senden, sonst nichts.


Noch habe ich kein Smartphone in der Tasche, das diese Geräte in sich vereint. Das liegt an einer gewissen Bequemlichkeit, aber auch am Misstrauen diesem All­roun­der gegenüber. Denn im Zweifelsfall könnte das Gerät leicht mein Bewegungsprofil erstellen. Und Zweifel, das weiß ich aus Dolmetscharbeiten für die Polizei, ent­ste­hen schnell. Zweifel sind heute längst nicht mehr nötig, um Menschen sys­te­ma­tisch zu überwachen.

Mir macht das Sorgen. Ich muss an Rosalie denken, eine hochbetagte jüdische Da­me, die in meinem ersten Pariser Lehrjahr meine Nachbarin war. Sie hatte über vierzig Jahre nach Kriegsende noch immer einen kleinen Fluchtkoffer fertig ge­packt unter dem Bett liegen, zog die Abgeschiedenheit der Dienstbotenetage einer normalen Wohnung vor, die sie sich als Bibliothekarin locker hätte leisten können. Sie warnte mich vor den Franzosen: Diese hätten bereits vor dem Überfall der Deutschen auf Frank­reich die Listen aller jüdischen Einwohner erstellt und da­nach et­li­che rassistisch begründete Festnahmen und Deportationen alleine durch­ge­führt. "Erlaube nie, dass der Staat mehr Infos hat über dich, als nötig!", pflegte sie zu sagen, "Mehrheiten können schnell wechseln".

Rosalie lebt schon lange nicht mehr. Ihre Generation der Zeitzeugen stirbt aus. Den direkten Nachgeborenen sitzt noch der Schrecken in den Gliedern ob solcher Nach­rich­ten und den sie begleitenden Blicken (und dem anschließenden Schweigen).

Mir ist mulmig dabei, dass dieses Thema der Mehrheit der Bevölkerung heute kaum Sor­gen zu bereiten scheint.

Ich könnte die Frage auch ins Humorvolle wenden — oder praktisch argumentieren: Reicht denn nicht, dass mein Surfverhalten ausspioniert wird? Was sollen staatliche oder private (Überwachungs-)Firmen von mir halten, die das alles zum Zwecke der Profilerstellung protokollieren? Wir Sprachmittler haben es an einem Tag mit ver­trau­li­chen Gesprächen eines Strafverteidigers mit seinem Mandanten zu tun, am anderen Tag mit Verteidigungspolitik, wenig später mit be­ruf­li­chen Perspektiven junger Menschen, in der darauffolgenden Woche mit der mensch­li­chen Er­näh­rung oder mit existentiellen Themen, wie sie in Filmen abgehandelt werden.

Jedes Mal lese ich mich ein, erstelle eine neue Lexik oder ergänze etwas aus dem Bestand. Und was denken die gewissen Dienste daher von mir?

Die Wand als Notizblock
Privat lese ich lieber Bücher, treffe mich mit Freunden, gehe ins Kino, in Museen und Galerien. Ich koche gerne und mag unseren Garten. Ich liebe das analoge Leben und meine Vokabelnotizen. Manche aus­ge­druck­te Lexik trage ich in Mantelinnentasche oder Ka­len­der wie zufällig ver­ges­sen noch lange herum und schaue ab und zu hinein.


Mindestens ein Kunde weiß von mir, dass ich eine antike Schreibmaschine besitze. Was dieser Tage in der Zeitung (in all ihren Darreichungsformen) steht, das Aus­spio­nie­ren von Unternehmen durch Geheimdienste, schwirrte in Industriekreisen schon lange als Vermutung durch den Raum. Dort wurde adäquat reagiert, auch wenn die Folgen nervig sind: TippEx, diese stinkende Korrekturflüssigkeit, ist in­zwi­schen nicht mehr überall käuflich, und auf den Kurier zu warten macht auch keinen Spaß.

Dem Vernehmen nach haben die USA mit deutscher Hilfe auch die französische Po­li­tik ausspioniert. Liebe geliebte Franzosen, dreht den Spieß doch um, wehrt Euch und bespitzelt die Deutschen (intensiver). Dann weiß die aktuelle Bil­dungs­mi­nis­ter­in wenigstens, warum sie den stundenintensiven Deutschunterricht der mehr­spra­chi­gen Klassen nicht einstellen soll. Und zur Krönung darf ich jetzt noch eine Wörterliste zur Mittelschulreform erstellen. Das Leben ist eine Lexik! Und man­chem ernsten Thema lässt sich leider auch unter größten Anstrengungen keine ko­mi­sche Seite entlocken.

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Fotos: C.E. (Das Bild der Lexik lässt sich,
in ein zweites Fenster geladen, vergößern.)

Mittwoch, 29. April 2015

Vielfalt

Hallo, herzlich willkommen auf den Seiten des ersten Blogs Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Heute: Blick auf den Schreibtisch.

Langsam rollt sich das Jahr aus wie der Farn seine Blätter. Im Hof wie im Büro überraschen mich wieder die Vielfalt der Farben und Formen ... und Themen.

Bei uns im Hofgarten ...
Das steht an:
  • Wasserinstallationen in einem Dach­aus­bau in Mitte, Auswahl des Kü­chen­lie­fer­an­ten und der Edel­höl­zer einer Wandvertäfelung — das ist alles recht ex­klu­siv. Ich darf dol­met­schen und mir dabei ein Bild davon machen, was es an tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und Luxusmerkmalen im Immobiliensektor gibt, wenn viele süd­eu­ro­päische Devisen übrig sind.
  • In Ergänzung dazu wiederhole ich die Lexik zu ökologischen Wohn­raum­re­no­vie­rung.
  • Und zum Ausgleich kümmere ich mich um die Ar­beits­lo­sen­be­züge eines Franko-Kanadiers.
  • DEFA-Koproduktionen mit Frankreich (Filmgeschichte, 1950-er Jahre), Vor­be­rei­tung eines Mai-Termins.
  • Sprachpolitik und Filmfestivals.
  • Aktuelle Politik (auf dem Laufenden halten).
  • Kostenvoranschläge für Oktober und November.
P.S.: Auch wenn schon Termine für die nächsten Wochen vergeben sind, so gibt es noch Lücken im Terminkalender. Gerne unterbreiten wir auch Ihnen ein Angebot.

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Foto: C.E.

Dienstag, 28. April 2015

Girls' day!

Willkommen auf der Blogseite einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache. Ich arbeite in Paris, Berlin, Schwerin und anderswo.

Heute ist der Girls' day! Einer guten Idee zufolge werden seit vielen Jahren Mäd­chen mit an typisch männliche Arbeitsplätze genommen, damit sie die Arbeitswelt besser kennenlernen können und sich nicht früh auf typische Frauenberufe fest­le­gen.

Dieser Ansatz scheint heute oft vergessen zu sein. Auch wenn Dolmetschen und Übersetzen klassische Frauenberufe zu sein scheinen, erhalten wir für diesen Tag (sowie für Schulpraktika) regelmäßig Anfragen. Das Kästchen mit Na­men "Dol­metscherkabine", das so groß wie zwei Kleiderschränke ist, bietet dafür leider zu wenig "Spielraum" an. Außerdem ist direkt beim Übertragen schwer vermittelbar, was wir da eigentlich tun.

Trotzdem zählen auch Traditionen wie dieser Tag mit zu den Entstehungsgründen meines Blogs. Ich berichte hier regelmäßig über typische Momente aus dem Ar­beits­all­tag. Und wenn meine Englischlehrerin so gesprochen hätte wie diese Da­me, wäre heute Englisch meine Hauptsprache: Interpretation at the European Parliament.



Besonders treffend finde ich diesen Satz: ... some speakers prefere to speak in what they fondly imagine is english ... there's a huge mismatch between the messsage that is intended and the message that is received ...

Ja, wir alle leiden regelmäßig unter BSE, badly spoken english. Neuer Begriff hier­für: Desperanto.

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Film: Direction générale de l'interprétation et des conférences

Freitag, 24. April 2015

(Nicht)²

Hello, bonjour, guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin mit einem Frankreich-Schwerpunkt. Ich arbeite in Paris, Berlin und dort, wo meine Kunden mich brauchen. Die Perspektiven für unseren Berufsstand verbessern sich derzeit radikal.

DESTATIS-Logo
Zahlen helfen!
Frankreich war auch letztes Jahr der wichtigste Han­dels­part­ner Deutschlands! Ins­ge­samt wurden Waren und Dienst­leis­tun­gen im Wert von knapp 170 Mil­li­ar­den Eu­ro um­ge­schla­gen.

Trotzdem sollen in Frankreich die zweisprachigen Klassen an den Mittelschulen ab­ge­schafft werden, in denen die Schüler bislang die deutsche Sprache wirklich ler­nen können. Finde den Fehler! (La France est en 2014 le premier partenaire éco­no­mique de l'Allemagne, avec près de 170 milliards d'euros de biens échangés. Malgré tout on veut supprimer les classes bilingues qui permettent aux élèves de maîtriser vraiment l'allemand... cherchez l'erreur.)

Die Summe der deutschen Exporte nach Frankreich beläuft sich, einer aktuellen Pressemeldung zufolge, auf 161,3 Milliarden Euro, damit liegt der linksrheinische Nachbar als Empfängerland noch vor den Niederlanden und der Volksrepublik China. (Frankreich steht, was die Herkunftsländer der deutschen Importe angeht, auf Platz drei.)

Downloadlink zur Pressemeldung: klick!

Nochmal kurz zum Hintergrund: Die französische Bildungsministerin plant die Ab­schaf­fung der zweisprachigen Klas­sen ab der Mittelschule, in denen bislang die deut­sche Sprache neben Englisch intensiv gelernt wird. Hin­ter­grund ist, dass diese Deutschklassen traditionell von den besten Schülern ge­wählt werden (oder von den Eltern, die Wert auf Bildung legen), weshalb die Mi­nis­te­rin das Deutschlernen grund­sätzlich als elitär bezeichnet hat (ebenso die Beschäftigung mit den Sprachen Latein und Griechisch). Nicht nur die fran­zö­si­schen Deutschlehrer sind entsetzt, auch die deutsche Botschafterin in Paris engagiert sich neben vielen anderen für den Erhalt des grundständigen Lernangebots. (Mehr beim Spiegel.)

Einfach super, diese "Kurzfristgedenke", denn für unsere Branche zeichnen sich wun­der­ba­re Umsatzzuwächse ab! Und privat sprechen die Franzosen ja ohnehin alle her­vor­ragend Fremdsprachen, weil es ihnen mit ihrem an der eigenen Sprache ge­schul­ten Gehör kinderleicht fällt. (Nicht)².

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Illustration: Statistisches Bundesamt

Mittwoch, 22. April 2015

Woran erkenne ich Freiberufler?

Will­kom­men et bien­ve­nue auf den Sei­ten des Ar­beits­ta­ge­buch ei­ner Über­setz­er­in und Dol­met­scherin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Fran­zö­sisch und Englisch (passiv). Ich arbeite sehr gerne in Schwerin und in Marseille, in Paris und in Berlin sowie dort, wo Sie mich einsetzen.

Derzeit sind unsere Kunden durch Pseudo-Agenturen für Dolmetschdienstleistungen bedroht, die sich im Internet schnell gründen lassen. Sie sehen oft sehr pro­fes­sio­nell aus, haben manchmal einen Blog, zeigen Gesicht ... aber in der Regel nur das der Manager von McSprache & Co KG.

Woran erkenne ich Freiberufler? Hier eine Checkliste.
  • Die Spracharbeiter sind auf ihrer Seite oder ihrem Blog namentlich er­kenn­bar, daneben stehen Telefonnummer und/oder Mailadresse; Le­bens­lauf und Fachgebiete sind auch einsehbar.
  • Werden mehrere Kol­le­gin­nen/Kollegen vorgestellt, gilt das eben Ge­sag­te für alle.
  • Das Wort "Netzwerk" steht im Vordergrund, der Begriff "Agentur" wird meistens vermieden.
  • Die Spracharbeiter sind nicht rund um die Uhr und alle Tage in der Wo­che erreichbar.
  • Sie sind bei der Arbeit neben diversen Persönlichkeiten abgebildet. 
  • Bei einer Terminanfrage möchten sie vor allem Fachgebiet und Thema erfahren. Fühlen sie sich nicht zuständig, helfen sie beim Vermitteln einer anderen Fachkraft.
  • Als Referenzen werden überwiegend die Namen dieser Persönlichkeiten genannt, außerdem noch Institutionen erwähnt.
  • Viele Sprachmittler haben Fachartikel in Fachorganen veröffentlicht.
  • Bei einem ggf. vorhandenen Blog geht es um fachliche Dinge und Ar­beits­be­din­gun­gen.
  • Kurz: Hier stellen sich Profis vor, die Arbeitsbedingungen vermeiden, die ihnen keine Luft für qualitätsvolle Arbeit lassen. Sie halten sich in der Regel in Sachen Werbung zurück, der Schwerpunkt liegt in der Spracharbeit.

Ein toller Name gehört auch dazu
Im Kontrast dazu hier der ausgedachte Sprachmakler McLispel.
  • Fotos, Namen und Vita der Gründer und der "Ansprechpartner", "Pro­zess­ma­na­ger", "Sales Manager" werden prä­sen­tiert. 
  • Die Spracharbeiter sind anonym oder werden im Blog lediglich mit Vor­namen er­wähnt.
  • Leider verwenden neuerdings immer mehr Agenturen den Begriff "Netz­werk", allerdings so, als wäre es ein Synonym für Agentur.
  • Die Firma ist 24 hours, 7/7 erreichbar.
  • Ein Kostenvoranschlag kommt nahezu umgehend. Fachgebiet und The­ma sind zweitrangig. Der Profi wird erst dann gesucht, wenn die Zusage da ist.
  • Unter "Referenzen" sind die Logos von Firmen abgebildet, vermengt mit denen namhafter Medien, die bereits über die Startup McLispel und die halbe Million Euro berichtet haben, die diese z.B. beim Crowdfunding für die UltraFlexDolmiApp eingesammelt hat. (Mangelnde Trennschärfe hat hier Methode.)
  • Mit der UFDA haben die frischdiplomierten Betriebswirte von McLispel oder die Selfmadewoman aus einfachen Verhältnissen für viel Wind im Blätterwald gesorgt.
  • Bei einem ggf. vorhandenen Blog geht's um Gründer, Projektmanager, Praktikanten ... und den letzten Betriebsausflug.
  • Kurz: Hier stellen sich Makler vor. Die Worte "Profi" und "Qualität" wer­den über Gebühr strapaziert. Die Firma verdient ihr Geld mit dem Ver­mit­teln und ein Teil der hohen Gewinnmarge, diese kann bis 65 % des­sen, was Sie zahlen, ausmachen, fließt direkt in die Werbung. Bei Such­ma­schi­nen stehen sie also oft ganz oben.
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Foto: eigene Illustration

Montag, 20. April 2015

Meinungen

Hallo auf den Blog­sei­ten einer Dol­met­scher­in. Hier schreibe ich aus Paris, Berlin und von unterwegs über alles, was mit meinen Sprachen und ihrer Übertragung zu tun hat. Heute folgt ein humoristischer Gruß.

Meine Meinung steht fest! Bitte, verwirren sie mich nicht mit Tatsachen.
Gesehen in Berlin
Streiten sich zwei Männer. Sagt der eine: "Sie Parvenü!"

Darauf der andere: "Pfff! Ein Parvenü ist ein spanischer Wandschirm. Der Affe, den Sie meinen, heißt Parmesan."
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Foto: Fundsache

Sonntag, 19. April 2015

Wörterdomino

Guten Tag oder guten Abend! Hier bloggt eine Berliner Spracharbeiterin. Zeit für die Sonn­tags­bil­der, die­ses Mal aus der Ka­te­go­rie "Lern­tipps".

Die Wiederbelebung eines alten Spiels, "Domino", zum Sprachenlernen.

Die "Spielsteine" dafür sind selbstgemacht.

Dabei werden Wörter beider Sprachen und Zeichnungen im Wechsel gelegt, wobei jedes Team seine eigenen Begriffe eigenständig illustriert, die Teams am Ende ihre Kärtchen tauschen und mit kleinen Sket­chen die Begriffe jeweils einführen.

Die Teamerin und Dol­met­scher­in in der Jugend- und Bildungsarbeit wird hier als Beraterin tätig.
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Fotos: C.E.

Donnerstag, 16. April 2015

Babel

Bonjour, guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin aus Berlin, Paris, Schwerin und von dort, wo Sie mich brauchen! 

Irgendwann ist den Menschen in grauer Vorzeit mal was durcheinandergeraten. Der oberste Schöpfer habe reagiert, so steht es in alten Büchern geschrieben, und die Sprachen durch­ein­an­der­ge­bracht. Die Erdenbürger denken heute noch beim Wort "Babel" da­ran, es ist Synonym dafür, dass sie einander oft nicht verstehen. Doch die Sprachgrenzen lassen sich überwinden.

Lernt doch einfach Deutsch ...
Es gibt Men­schen, die meh­re­re Sprachen beherrschen. Und es erscheint denkbar, dass di­ese, sollten die Ka­pa­zi­tä­ten des menschlichen Kopfes der­lei zulassen, die Idiome münd­­lich übertragen.

Dolmetscher könnte man diese Menschen vielleicht nennen. Gestern war in Dort­mund eine Pressekonferenz. Es ging um einen gewissen Herrn Klopp, ein eng­li­scher Reporter namens Ben Bloom sandte seine Berichterstattung dazu ins Universum, und die ging zum Beispiel so: "I'd love to tell you what Klopp is saying." Der Herr Klopp heißt Jürgen mit Vornamen, er verlässt einen Verein namens BVB, dort lau­fen immer viele Menschen einem rund­ge­nähten und mit Luft gefüllten Leder hin­ter­her. Der Herr Klopp war dort ein Wich­ti­ger, trotzdem hat sich vorher nie­mand erkundigt, ob solche Sprachwesen wie oben erwähnt vielleicht mög­li­cher­wei­se bereits erfunden worden sind.

Nicht nur der englischsprachige Berichterstatter fragte sich ob seiner Ver­ständ­nis­pro­ble­me, warum er in der Schu­le so wenig aufgepasst hatte, das ging viel­leicht Journalisten aus Frank­reich auch so.

Den Kindern hat Ben Bloom jetzt geraten, Deutsch zu lernen. Ich hoffe, er wird auch in Frankreich Gehör finden. Aber Moment mal, spricht man in dem Land nicht eine andere Sprache? Die Menschen dort werden das nicht verstehen! Schade!

Weitere Zitate aus dem Bericht: "fantastisch" und "Es tut mir leid." Hier lieferte ihm Doc Gargoyle akkurate Hilfe: "Google translate tells me that is "I am sorry" in German."

Uns Dolmetschern erst. Thank you for the great advertisement!
 
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Illu: Ben Bloom bei twitter

Dienstag, 14. April 2015

Und ab ins Archiv

Hallo und herzlich willkommen. Sie lesen in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich dolmetsche aus dem Französischen (und ins Französische) sowie aus dem Englischen. Nach einiger Zeit in Paris stecke ich in Berlin in den Ablagen.

Dieser Tage heißt es Warten auf Antworten auf Kostenvoranschläge und Auf­wands­ein­schät­zun­gen, während an der Schweizer Grenze die Eulchen ohne mich auf die Welt kommen, hier geht's zur Vorgeschichte, sie sind zwei bis vier Wochen zu spät dran. Daneben pauke ich immer 90 Minuten, dann wende ich mich 90 Minuten lang dem Archiv zu, das ich ein wenig lichten muss. Ich schaue dabei nicht auf die Uhr; diese Phasen, die jeweils genauso lange dauern wie eine Schlafphase, scheinen dem Biorhythmus zu entsprechen.

Wichtig sind mir dabei auch regelmäßige Pausen. Und den Schlaf fördert, dass ich mittags immer an der frischen Luft bin und Licht tanke. Das ist wichtig für uns Menschen, die mitunter Jobaufträge bekommen, die ebenso umfangreich wie eilig sind und die im Grunde nur zu erledigen sind, wenn wir diese natürlichen Impulse überhören ... und die an Konferenztagen ohnehin oft kein oder kaum Tageslicht zu sehen be­kom­men.

Der Blog ist in der Zwischenzeit für einige Tage geschlossen, das Büro aber nicht.

Stachbubendreher, gesehen am Maybachufer
Gelesen habe ich in deut­schen Medien eine Kritik an den deutschen Ex­port­über­schüs­sen, wie ich sie seit Jahren in französisch- und englischsprachigen Medien wahrnehme.

Weiterlesen und -hören werde ich zum Thema Streik des fran­zö­si­schen Rundfunks, hier ein erster deutscher Pres­se­nie­der­schlag.

Der Hörfunk ist für mich sehr wichtig, ich lebe gewissermaßen von und mit den Podcasts des Programms (von denen etliche weiterlaufen, auch wenn die Antenne bestreikt wird).

Noch ein Lesethema: Die Bedrohung des Deutschunterrichts in Frankreich. Derzeit bin ich sehr irritiert darüber, was da in Frankreich vor sich geht. Denn im Nach­bar­land hatte man vor einigen Jahren die Erkenntnisse der Sprachpädagogik in Lehr­plä­ne einfließen lassen, die Kindern ab etwa dem 10. Lebensjahr (nach dem ersten spielerischen Bekanntwerden mit einer ersten Fremdsprache) zwei Spra­chen pa­ral­lel anbieten, die jeweils mit gleicher Stundenzahl unterrichtet werden. Das (wie­der) trainierte Sprachenlernen an sich fördert jede einzelne der Sprachen so, dass die Kinder nach wenigen Jahren jede der beiden Sprachen besser beherrschen als Schüler, die nur eine sogenannte "1. Fremdsprache" mit jeweils einer Wo­chen­stun­de mehr im Unterricht hatten.

Die Deutschlehrer fürchten nun, dass die deutsche Sprache aus dem französischen Schulangebot verschwinden könnte, denn viele Eltern entscheiden sich später im Pubertätsalter ihrer Kinder, wenn die klassische "2. Sprache" ansteht, für das ver­meint­lich einfachere Spanisch.

So, ab ins Archiv. In der Zwischenzeit erreichen Sie mich am besten per Mo­bil­te­le­fon.

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Foto: C.E.

Montag, 13. April 2015

Äpfel und Birnen

Bon­jour, wel­come, gu­ten Tag! Hier kön­nen Sie den Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­scher­in und Über­set­zer­in mit­ver­fol­gen. Seit einem knappen Jahrzehnt schreibe ich hier meine Beobachtungen auf, respektiere dabei natürlich mir anvertraute Dienstgeheimnisse. Als Sprachmittlerin werde ich in Paris tätig, in Berlin, Köln oder am Genfer See. Heute: Blick auf den Schreibtisch.

Apfelkuchen nach Art der Schwestern Tatin
Es gibt Einsätze, die kann nie­mand erfinden. Das Kor­rek­to­rat einer Koch­buch­über­set­zung zum Beispiel, in dessen Wo­chen Fe­ier­ta­ge fallen — eine Zeit, in der Gäste im Haus sind. Was liegt näher, als sich ei­ni­gen Rezepten aus dem Re­zept­buch direkt zu­zu­wen­den? Dabei stellt sich unerwarteter Weise heraus, dass einige Men­gen­an­gaben wohl falsch sind.

Gut, ich verändere eigentlich schon immer beim Backen nach Rezept die Men­gen­ver­hält­nisse, weil ich es nicht so süß mag. Hier war etwas offensichtlich falsch ... al­ler­dings erst dann, als ich in der Küche stand. Andere Kochbücher und das Welt­wei­te ha­ben mir geholfen, dem Fehler auf die Spur zu gelangen. Und so wurden die Schrum­pel­äpfel aus dem Keller zu einer höchst an­nehm­ba­ren Tarte Tatin. (Nein, zu zwei Ex­em­pla­ren, wie Sie erahnen können.) Anschließend habe ich alle Zu­ta­ten­listen des Kochbuchs noch einmal gegengelesen, weitere Unstimmigkeiten ge­fun­den und sie mit dem Autor des Buches ab­ge­klärt. Mein Favorit der Re­zept­samm­lung war üb­ri­gens selbstgemachtes Birneneis, das habe ich aber nur lesend durch­dacht. Wenn wieder Herbst ist ...

Sonst steht Nacharbeiten auf dem Programm: Verteidigungspolitik, sicher nicht mein Wunschthema, aber als po­li­tisch denkender Kopf kann ich mich in alles hin­ein­schrauben. Dann Fachvokabular für eine Badezimmersanierung. Es ist mein ei­gen­es Bad, aber wo ich schon mal dabei bin, kann ich die passenden Begriffe für den nächsten Einsatz mit Ar­chi­tek­tin oder Innenarchitekt schon mal üben.

Weiter: Aktuelle Themen, Europapolitik, Wirtschafts- und Geldpolitik. Ein gewisser Herr Müller, Kolumnist beim Spiegel, wundert sich in seinem stets praktischen Wo­chen­über­blick darüber, dass die Unternehmen (insbesondere in Zeiten billigen Gel­des) so wenig investieren. Vielleicht wissen sie um Absatzprobleme, da sich sehr viel Geld immer stärker in den Händen weniger konzentriert, vielleicht ahnen sie auch, dass die Wirtschaft vom Diktat des Immer-Mehr in Richtung solider, nach­hal­ti­ger und 100 % recyclingfähiger Produkte umgebaut werden muss, was als Erst­in­ves­ti­tion natürlich teurer ist, vielleicht ist es aber auch einfach nur so, dass sich mit dem Produktionsmittel Geld weiterhin größere Gewinne an der Börse "er­wirt­schaf­ten" lassen? Leider hört Müller dort auf, wo es mit den Fragen richtig los­ge­hen müsste.

Als Dolmetscherin lese ich solche Texte auch immer in Vorwegnahme auf zu Ver­dol­met­schen­des. Ich bilde mich weiter zum Thema in meinen Sprachen und ergänze dabei meine Fachwörterlexik.

Für den Rest der Woche liegt hier noch etwas zur Entstehungsgeschichte Europas. Nächstes Jahr feiert die Mon­tan­union, auch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl genannt, ihren 65. Ge­burts­tag. Last but not least darf ich mich dem Thema "Integration und Chancengleichheit" wieder einmal widmen, erneut mit einer deutsch-französischen Blickrichtung.

Zwischendurch habe ich einen Kostenvoranschlag für eine Drehbuchübersetzung und die englische Fassung eines Filmförderantragsdossiers geschrieben. "Post­wen­dend" zeigte sich der potentielle Kunde aber darüber überrascht, dass wir zwei un­ter­schied­li­che Preise vorschlagen.

Farbstudien. Mehr zum Thema Obst hier: klick!
Nun, hier ist der sehr gut und eingängig ge­schrie­be­ne durch­ge­hen­de Drehbuchtext (mit unterdurchschnittlichem Recherchebedarf) schneller zu übertragen als eine Excel-Tabelle mit lauter neuartigen Ko­fi­nan­zie­rungs­part­nern und unterschiedlichen Re­coup­ment-Me­tho­den sowie ei­nem ver­trags­ar­ti­gen Anhang. Wir werden doch nicht Äpfel mit Birnen ver­glei­chen!

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Fotos: C.E.

Sonntag, 12. April 2015

Die DNA der Stadt

Berlin IST nicht, Berlin WIRD, las ich einmal
in einem Buch aus den 1920ern, viele Jahre,
bevor ich selbst hergekommen bin.

Berlin wird auch heute noch. Wird es schön?
Wird es klotzig? Hässlich? Wird es je fertig?

Berlin ist im Werden, sagt Marwan, er zog aus
Münster her. Berlin ist meine Heimat, sagt
Sonja aus Sachsen, ihr A klingt fast wie ein O.

Berlin wird chic, sagt Léa aus Frankreich. Das
wird teuer, sagt der Immobilienhai, und reibt
sich die Hände; höhnisches Gelächter.

Gestorben wird immer, sagt der Bestatter zum
Sohne (auf dass er sein Nachfolger werde).
Geboren wird immer, sagt die Hebamme zur
Tochter (die daraufhin Medizin studiert).

Zwischen Einschusslöchern auf der vorletzten
nackten Brandmauer Berlins und Lichtgenomen
auf neuer Wand überrascht: ein Stammbaum.


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Foto und Text: C.E.

Samstag, 11. April 2015

Tanz in den Frühling

Bon­jour, gu­ten Tag! Hier bloggt eine Über­set­zer­in und Dol­met­scher­in aus Paris, Berlin oder von dort, wo meine Kun­den mich brau­chen. Samstags folgen meine Lieb-Links der Woche.

Heute tanze ich in den Frühling! Was für ein inspirierender Film: Es ist nicht die Musik, die überall gespielt wird, aber trotzdem Tango (Tango!) — und dann die vielen un­ter­schied­li­chen Hin­ter­grün­de! Wo ich doch immer die Augen aufhalte nach schönen Por­trait­hin­ter­grün­den. Diesen Film hat mir heute ein Kollege ge­schickt, merci beaucoup, Thomas.


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Film: OK go für Skyscrapers

Freitag, 10. April 2015

DAF-Problem

Was Übersetzer und Dolmetscher machen, wissen weite Teile der Bevölkerung nicht. Schlimmer noch, hartnäckig halten sich (zumindest beim Übersetzen) Vorurteile und falsche Annahmen. Zum Beispiel das da: Übersetzen kann jeder, der zwei Sprachen so einigermaßen beherrscht. Blick auf den Schreibtisch.

Vokabelarbeit
Es war einmal ein Un­ter­neh­mer, der lebte in seiner fer­nen Heimat Tür an Tür mit ei­nem Men­schen, der aus ei­nem an­de­ren Land stammte. Nun er­gab es sich, dass die­ser Han­dels­mann in Kon­takt mit dem Her­kunfts­land des Nach­barn tre­ten wollte. Also frag­te er den Menschen eine Tür weiter, ob dieser nicht für ihn einen Über­setz­ungs­auf­trag er­le­di­gen könnte.

Es war stadtbekannt, dass dieser Nachbar bereits Briefe und die Inhalte von Zei­tungs­ar­ti­keln für so manch anderen in die Landessprache übertragen hatte. Nun schien alles viel einfacher, ging es für ihn doch darum, nur in seine Muttersprache zu übersetzen. Das sollte doch kein Problem sein.

Soweit, so gut. Dieser Nachbar, der seit Jahrzehnten im Ausland lebt, sagte nicht nein, sondern übersetzte flugs eine lange Liste von Informationen, die sich an Kun­den richten, samt ausführlicher Beschreibungen von diverser Ware.

Das Ergebnis ist leider ein ungelenkes, oftmals falsches Deutsch. Für mich ist das ein DAF-Problem, ein Problem mit Deutsch als Fremdsprache, denn der Be­tref­fen­de spricht das Idiom seiner Mutter inzwischen so selten, dass eine Entfremdung eingetreten ist. Hier einige Beispiele, kursiv immer der "Ausgangstext".

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Das sind jetzt nur einige Beispiele, die keine Rückschlüsse auf das Produkt zu­las­sen. Dazu musste ich auch immer ein Auge auf das Original haben, etliches war einfach falsch übersetzt. Ich hätte drei Monitore gebraucht.

Nun weiß ich nicht, was der freundliche Nachbar dem Handeltreibenden in Rech­nung gestellt hat, ich ahne nur, was ich in Rechnung stellen werde. Denn dieser Kleinknüselkram mit dem Umfang eines halben Spielfilmdrehbuchs hat mich jetzt drei Tage gekostet, keine vollen Tage, zwischendurch musste ich mein Hirn immer wieder frei bekommen vom Geschwurbel.

Gleich kann ich mich wieder ans Abarbeiten meiner Liste vom vorletzten Montag machen. Die Sache ist übrigens vom Ablauf her typisch, kaum steht der Plan ... fällt er. OK, Montag, das war eine Wunschliste. Ein Manager verplant auch nur den halben Tag, die andere Hälfte wird für Unvorhersehbares freigehalten.


P.S.: Reparaturarbeiten mache ich ab und zu, aber eher ungern. Für den Kunden wird die Sache in der Summe teurer, als wenn er gleich zu einem erfahrenen Profi gegangen wäre, denn insgesamt kostet es mehr Zeit als nötig. Daher ist bei solchen Sachen die Stimmung zunächst immer schlecht. Auf der an­de­ren Seite kommt mir die Rolle der heldenhaften Retterin zu, das kompensiert ein wenig. Oder so: Ich fühle mich wie die Maßschneiderin, die verschnittene Mode von der Stange zum aufwändigen Umarbeiten erhält. (Auch eine Form von custumization.)
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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 9. April 2015

Angriff auf die Kultur

Hal­lo! Sie le­­sen im di­­gi­­ta­­len No­­tiz­­buch ei­­ner Über­­set­zer­in und Dol­­met­­sche­rin aus Ber­lin, die re­gel­mä­ßig in Paris arbeitet ... oder dort, wo Sie mich brau­chen. Heute Morgen musste ich aus aktuellem Anlass über Hacker nachdenken.

Hier folgt die Erklärung der französischen Kulturministerin zum Cyberangriff durch islamistische Terroristen, die mutmaßlich dafür gesorgt hatten, dass der fran­zö­sisch­spra­chi­ge Auslandssender nur ein Schwarzbild gesendet hat und auf seinen ge­ka­per­ten Webseiten Propaganda zu lesen war.


Übersetzung

Ich möchte den Teams von TV5MONDE meine uneingeschränkte Unterstützung ver­si­chern, denn dieser Angriff galt dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Kultur — sie sind gemeint, denn Kultur ist eine Waffe gegen Obskurantismus, gegen Fanatismus und Barbarei.

All jenen, die in der ganzen Welt TV5MONDE sehen, ein Medium, das die fran­zö­si­sche Kultur verbreitet, möchte ich mitteilen, dass wir alles daransetzen, damit Ihr Sender sehr bald die Arbeit wieder aufnehmen kann.

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Foto: facebook / Ministère de la Culture

Der Optativ ... oder: Gehacktes

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs, dem ersten Web­log aus dem In­ne­ren der Ka­bine der Französischdolmetscher. Bonjour, c'est votre interprète de français qui vous parle (pour le français, cliquez ici). Ob in Berlin, Paris oder London, hier schreibe ich regelmäßig über meine Arbeit mit Sprachen.

What the heck are they doing? They're hacking ... Kleines Wortspiel, denn What the heck? mit E heißt so viel wie "Was zum Teufel ...?!", während hack mit A direkt vom deut­schen Hacken kommt.

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Diese Webseite wird über das Wochenende überarbeitet
Der Vorgang dürfte bekannt sein: Da werden Webseiten in ihre Einzelteile zerlegt oder Zugangscodes von TV-Sendern geknackt und stattdessen Schwarzbild gesendet, wie es gestern Abend dem fran­zö­sichspra­chi­gen Aus­lands­sen­der TV5MONDE wi­der­fahren ist.

Bei Angrifffen auf die Medien wie diesem ist der Begriff ein­deu­tig ne­ga­tiv kon­no­tiert. Die kalifornische Firma facebook allerdings hat sich das Wort hack in so gro­ßen Buch­sta­ben ins Pflaster legen lassen, dass es aus dem Flugzeug gelesen wer­den kann. Hier meint es wohl die Umwidmung einer landesweit bekannten Pu­bli­ka­tion, einer Art Abizeitung für jedes Schuljahr und jede Klasse, das war der erste Wort­sinn, in eine wer­be­fi­nan­zier­te Infoaustauschseite, die weltweit Kunden hat. Und dann sind da noch die Hacks des schwedischen Möbelhauses zum Beispiel, wie die individuell an­ge­pass­ten Produkte von Massenware genannt werden, der Begriff the cus­to­mi­za­tion beschreibt den Vorgang, sogar die Franzosen sprechen schon von la cus­to­mi­sa­tion.

Auf Deutsch haben wir diese Vokabel (noch) nicht übernommen, obwohl es im Deutschen sonst doch so viel stärker von Anglizismen wimmelt als im Fran­zö­si­schen. Und Französisch ist hier wirklich das Stichwort: Ich würde mich zur Stunde herzlich gerne auf einen Einsatz vorbereiten, aber bei einer französischen Behörde dauert das Osterwochenende offenbar die halbe Osterwoche an, seither hat sich die Seite nicht verändert. Oder waren da auch Hacker am Werk? Oder streiken die Informatiker? Ich wünsche mir baldige Änderung, dann denke ich übers Wünschen nach.

Ich sinniere zur Tatsache, wie schade doch es ist, dass es im Deutschen die gram­ma­ti­ka­li­sche Form des Optativs nicht gibt. Dieser unterscheidet sich in zwei For­men: Ein kupitiver Optativ drückt in einer eigenen Verbform einen wün­schens­wer­ten Wunsch aus, nicht zu verwechseln mit der anderen Verbform, potentialer Op­ta­tiv genannt, der wiederum einen mög­li­chen Wunsch ausdrückt. Manche Sprachen kennen diesen eigenständigen Modus, da­run­ter das Färöische, aber auch das Tür­ki­sche.

Lingua World, Anzeige, Dolmetscherinnen für 7,50 Euro die halbe Stunde (von 2011)
Etwas historisch, diese Anzeige, doch beispielhaft bis heute
Mir geht es um den Satz „Ich würde mich freuen dürfen, wenn ihr alsbald kreuz­ge­wal­tig auf die Nase flöget". Ein solcher Satz, mit echten (kupitiven und potentialen) Op­ta­ti­ven sicher sehr viel schö­ner, bezieht sich auf das Ge­ba­ren gewisser (Pseudo-)Agen­tu­ren, deren in­ter­net­me­dia­le und me­di­a­le Überpräsenz extrem ner­ven.

Denn mit aggressiven Marketing und mit Dum­ping­prei­sen reduzieren sie nicht nur un­se­re Honorare auf Trinkgeldhöhe, sondern sie scheren sich einen Dreck darum, ob das Ergebnis am Ende gut ist. Denn außer diesem hoch­of­fi­ziel­len, staatlichen Ein­satz habe ich dieser Tage nichts vorzubereiten; eine Agen­tur scheint unsere Re­fe­renz­liste ab­te­le­fo­niert und unseren Kunden vermittelt zu haben, dass sie jetzt uns "vertreten" würde, was nicht stimmt. Ergebnis: Der eine und andere Kunde unterschrieb das Angebot nämlicher Konkurrenz mit ihren Sonderangeboten, die, als die Sache aufflog, juristisch wurde.

Leider gibt es keinerlei schriftlichen Beweis und direkte Opfer der Abwerbegespräche beim Kunden waren Assistentinnen und Referenten, die sich angeblich verhört haben sollen. Ach, und warum unsere Arbeit ihren Preis hat, steht hier: klick!

Zum Thema Sprachmakler sagt Freundin und Kollegin Britta knapp ihr: "Die sollen sich gehackt legen", und es passt. Und natürlich gab es Hackbraten zu Mittag, al­lein schon der Kohärenz wegen.


P.S.: Reaktion der französischen Kulturministerin Fleur Pellerin zum Hackerangriff hier: klick!
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Illustration: Netzfunde

Dienstag, 7. April 2015

Im Dutzend (nicht) billiger

Hallo! Was Dolmetscher (interprètes) und Übersetzer (traducteurs) so machen, können Sie hier lesen. Ich arbeite in Paris, Berlin und dort, wo Sie mich brau­chen.

Drei Drehbücher sollen übersetzt werden. Der Kunde fragt nach einem Men­gen­ra­batt und lässt das Wort "Flatrate" fallen. Natürlich haben unsere Zeiten, in denen es sogar das kombinierte Telefon-Internet-Mobil-Abo für wenige Euro monatlich als "Flatrate Light" zu kaufen gibt, genauso die Köpfe verändert wie die "Geiz ist geil"-Parolen der Elektronikhersteller.

Wie kommen diese Unternehmen dazu? Die Datenhighways werden immer besser ausgebaut, das Datenvolumen wird billiger, und bei Technik ergibt sich nach der Amortisierung der Entwicklungskosten eine immer größer werdende Ge­winn­spanne, von der die betreffenden Unternehmen später im Wettbewerb etwas ab­ge­ben. Soviel zur Praxis industrieller Fertigung.

Freche Kreme muss nicht sein
Auch in Kneipen habe ich Flatrates er­lebt, nein, auf irgendwelchen Fort­bil­dun­gen der Jugendarbeit erlitten, da wird auf den gro­ßen Durchsatz billiger Zutaten, vie­ler (al­ko­ho­li­scher) Getränke und die kur­ze Ver­weil­dau­er in der Beiz gesetzt. Was die Flat­rate in so manchen Bars an­ge­rich­tet hat, darauf möchte ich hier lieber nicht ein­ge­hen.

Was soll eine Flatrate im Bereich Über­set­z­ung, der Maßschneiderei für Wörter? Habe ich in einem Sweatshop auf halber Etage eine Gruppe flinker Finger sitzen, die die bewährten Textmodule mal eben zu einer passenden Drehbuchversion zu­sam­men­nä­hen? Und auch beim Kor­rek­tur­le­sen wäre Akkord fehl am Platze.

Ich kehre zum Thema Essen zurück. "Hier kocht die Chefin noch selbst", lautet bei mir stattdessen die Parole, und zwar mit erlesenen Zutaten, einer schönen Bat­te­rie passenden Kochgeschirrs, mit Zeit, Mu­ße und Liebe. Sie gehen doch auch lieber in ein Restaurant, in dem es einige ausgewählte Spezialitäten gibt, aus­ge­such­te Weine und fachkundige Beratung durchs Per­so­nal? Schnellimbisskost mit vor­pro­du­zier­ten Formfleischstücken, Analogkäse oder Separatorenhühnchenpampe ist zwar billig, liegt aber schwer im Magen, von den Nährstoffen ganz zu schwei­gen.

So, ich eile jetzt in die Küche, genug interpretiert! Das ist übrigens eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, denn "Dolmetscherin" heißt auf Französisch ja l'in­ter­prète, die Interpretin.

P.S.: Das Argument war überzeugend. Wir sprechen jetzt über ein Buch, das ins Deutsche übertragen werden darf, ich freue mich auf die Zubereitung, und ein anderes, das ins Spanische geht, dafür ist der Gemüsespezialist zuständig, das Dritte wird am Ende in russischer Sprache vorliegen, das macht der Bratenkoch, und natürlich gibt es auch immer die entsprechenden (muttersprachlichen) Beiköche (Korrektoren).

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 6. April 2015

Weiße Ostern

Bien­­ve­nue beim di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buch ei­­ner Dol­­met­scher­in und Über­setzer­in. Fran­zö­sisch ist mei­ne zwei­te Ar­beits­spra­che, Eng­lisch meine "passive" Sprache. An die­sem Ort kön­nen Sie Ein­­blick in mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag nehmen, der mich an Orte wie Paris, Berlin, Genf oder Lyon führt.

Weiße Weihnachten gab's nicht, dafür weiße Ostern! Naja, ganz so schlimm ist es heuer doch nicht gekommen, aber fast. In Europa war Ostern zu kalt. Das Klagen lasse ich gleich sein, denn das ändert nichts. Das Wetter wäre auch nicht weiter erwähnenswert, hätte es nicht direkte Auswirkungen auf das Leben der be­richt­er­stat­ten­den Dolmetscherin.

der Hagel — la grêle
Eigentlich sollten wir dieser Tage bei ei­nem Falkner nicht nur seine großen Tiere, son­dern auch das Schlüpfen der Eulen fil­men. Der Falkner lebt in Frank­reich, wes­halb die Dolmetscherin ihre Sachen ge­packt hat. Aber die Kälte stört offenbar nicht nur die Menschen, sondern auch die kleinen Eulchen. Kurz: Der Dreh wur­de ver­schoben. 

Schon kommen die nächsten Im­pon­de­ra­bi­lien ins Spiel: Die geplante Dreh­ver­schie­bung kostet natürlich Geld, Buchungen wurden storniert, Anzahlungen sind per­dü, und ob und wie der auf­trag­ge­ben­de Sender da noch etwas nachschießt, ist nicht klar.

Nun ist damit auch meine Beteiligung kompromittiert, denn es drohen zusätzlich noch Terminkollisionen. Das mal so als kleiner Einblick in die Termin- und Um­satz­pla­nung von Freiberuflern.

Zum Glück werden die schlüpfenden Küken, wenn's dann endlich losgeht, vor Schreck, dass ihnen eine Kamera dabei zusieht, wohl eher den Schnabel halten. Noch einfacher: Man spart den Tonmann gleich mit ein und synchronisiert nach.

P.S.: Die Franzosen erweisen sich hier übrigens als ausgemacht verbengeizig, denn für das Aufblühen von Blumen und das Schlüpfen von Vögelchen gibt es nur ein- und dasselbe Wort: éclore.

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Foto: C.E. (Archiv)

Freitag, 3. April 2015

Frühlingspause

Will­kom­men auf den Sei­ten dieses di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs, dem ersten Web­log aus dem In­ne­ren der Ka­bine der Französischdolmetscher, die jeweils da stehen, wo die Kunden uns brauchen: in Paris, Berlin, Leizpig oder Hamburg.

BE RIGHT BACK
Gesehen in Berlin
Edit: In den nächsten Wochen geht der Blog in die Früh­lings­pau­se, das Büro ist aber be­setzt. Die Arbeit geht wei­ter, trotz der Schul­fe­ri­en, denn nicht alle sind un­ter­wegs. In der Zwischenzeit werden hier nur unregelmäßig Beiträge veröffentlicht.
Wenn Sie mögen, kön­nen Sie ab dem 18. April hier re­gel­mä­ßig wei­ter­le­sen. Wir wün­schen eine schöne Zeit! ______________________________
Foto: C.E. (Archiv)

A und O

Bonjour, welcome! Sie sind mitten in eine Fortsetzungsgeschichte hineingeraten. Was bisher geschah: Im neunten Jahr führt hier eine Dolmetscherin und Über­setz­er­in ihr digitales Arbeitstagebuch. Los ging es mit Filmgesprächen und Pres­se­kon­fe­ren­zen der Berlinale, mit einem lässigen Dialog zweier Schauspieler, inzwischen hat sich die Autorin dieser Zeilen als Dolmetscherin auf Ministerebene hoch­ge­ar­bei­tet.

Noch ein Post Scriptum zum Ministereinsatz vom Anfang dieser Woche, weil die Frage gestellt wurde: "Sind Dir irgendwelche sprachlichen Besonderheiten auf­ge­fal­len?"

Mediendolmetschen:
Knut Elstermann, P
ierre-Yves Vandeweerd  und die Autorin
Ja, aber mit Zeitverzögerung. Die deutsche Politiksprache kennt umgangssprachlich wir­kende Begriffe, die in die De­bat­ten und Interviews ein­flie­ßen, die auf Französisch al­ler­dings technisch-deskriptiv blei­ben. Ich denke da an die deut­sche "Schuldenbremse", die Deckelung der Neu­ver­schul­dung, die auf Schweizer Fran­zö­sisch, Linguee.fr zufolge, mit frein à l'endettement / aux dépenses wiedergegeben wird.

Das Wörterbuch Pons.de hat vor kurzem den in Frankreich gebräuchlichen Begriff la règle d'or, die goldene Regel, aufgenommen, der mir zum ersten Mal aktiv in einem Dolmetscheinsatz untergekommen ist. 2011 dolmetschte ich wiederholt für französische Europapolitiker, die mit Vertretern aus dem Haushaltsausschuss der Bun­des­re­gie­rung ins Gespräch kamen. Ich hantierte erst noch mit einer selbstgebastelten deskriptiven Langfassung, dann flüsterte mir jemand aus dem Stab des Ministers diese Kurzformel zu.

'Règle d'or' würden Franzosen sagen
So ähnlich erging es mir diese Woche mit der "NATO-Speer­spitze". Wörtlich übersetzt würde die Formation fer de lance heißen, und bei meiner Re­cher­che im Netz finde ich viele Stellen, wo diese Ver­sion im ent­spre­chen­den Zu­sam­men­hang vorkommt, nur ist leider der gebräuchliche Be­griff le groupement tac­tique, die (taktische) Kampf­grup­pe. Diesen Begriff sort­ie­re ich zu Hause in die be­tref­fen­de Fachlexik ein.

Außerdem helfen mir die Termini technici, passende Hintergrundtexte im Netz zu finden. Das Ganze wird dann zusammen abgelegt und bei Bedarf wieder her­vor­ge­holt. So wie im Vorfeld meiner Verdolmetschung eines Hörfunkinterviews auf der Berlinale vor vier Jahren.

Lexik in einer Archivbesprechung
Im Film "Territoire perdu" von Pierre-Yves Van­de­weerd geht es um Flücht­lings­la­ger in der Sahara. Hier spielt nicht nur die Politik eine zentrale Rol­le, son­dern auch die Ton­spur. So habe ich zur Vor­be­rei­tung die Wörterliste wie­der­holt, die ich einst bei der Be­glei­tung eines Sound­künst­lers an­ge­legt hatte, der zur Ver­ton­ung eines Spiel­films nach Ber­lin geholt worden war.

Warum etliche politische Fachbegriffe auf Deutsch so wenig konkret, dafür so bil­der­reich sind und damit ganz anders, als es das Ausland von den vermeintlich so rational agierenden Teutonen erwartet, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist das Ganze auch das Arbeitsergebnis ge­schickter, auf Kommunikation spezialisierte Po­li­tik­be­ra­ter. Ich wer­de jedenfalls weitere Beispiele sammeln.

Das Dokumentieren ist in diesem Beruf das A und O. Ebenso wichtig ist es, einen langen Atem zu beweisen, damit einem die sprachlichen Besonderheiten der un­ter­schied­lichsten Milieus in Fleisch und Blut übergehen.

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Fotos: Petra Hippler und C.E. (Archiv)

Donnerstag, 2. April 2015

Merci beaucoup XIV

Hello, bonjour, guten Tag! Was eine Dolmetscherin mit den Lebens- und Ar­beits­ort­en Paris und Berlin so umtreibt, lesen Sie hier. Inzwischen schreibe ich im neun­ten Jahr dieses öffentliche Arbeitstagebuch.

Stehpult mit Rechner und Tastatur
Arbeit am Stehpultaufsatz
Aus der Mail des deutschen Re­dak­teurs, für den ich neu­lich einen französischen Mi­nis­ter verdolmetscht habe: "Für mich war alles wun­der­bar (...) Vielen Dank, Sie wa­ren so schnell und großartig!!"

Das hilft! Denn trotz langer Be­rufs­er­fah­rung, ir­gend­wel­che Restselbstzweifel bleiben im­mer (oder tauchen auch nach Jahren wieder auf).

EDIT: Diese kritische Infragestellung der eigenen Arbeit ist sehr gut und wichtig. Ich möchte nicht Gefahr laufen, eines Tages infolge Selbstüberschätzung meine "Haus­auf­ga­ben" nicht mehr zu machen, die intensive Vorbereitung auf Termine. Auch weiß ich, wie wichtig es ist, die neu gewonnen Begriffe jedes Mal in meine je­wei­li­ge Fachlexik einzupflegen und sie auch zwischendurch mal wieder zur Hand zu nehmen, damit der Sockel beim nächsten Mal wieder etwas größer ist.

Auch die Aufmerksamkeit, mit der ich Zeitung lese oder spätabends im Gespräch mit Freun­den eine Vokabel aufschreiben kann, hängt mit dieser Ehrfurcht vor dem Beruf und einer gewissen Demut zusammen. Diese Haltung erwächst aus dem Wis­sen heraus, was bei Einsätzen alles schiefgehen kann — und den damit ver­bun­den­en Selbstzweifeln. Ich wünsche mir, diese Haltung nicht nur zu be­wah­ren, son­dern zu pflegen.

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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 1. April 2015

Unnütz

Hal­lo und herzlich will­kom­men! Sie lesen in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich arbeite als Über­setz­er­in und Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che in Paris, Berlin, Frankfurt und dort, wo mich meine Kunden brauchen, die aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur kommen. Heute muss ich über einen kleinen Skandal berichten.

Couple franco-allemand: Au-delà des gestes, il faut passer aux actes
"Auf Worte müssen jetzt Taten folgen"
"Es gibt nichts Unnützeres als Deutsch", sagte heute Mo­de­ra­tor Thomas Sotto zu Da­niel Cohn-Bendit, der im von Sotto moderierten Früh­pro­gramm "Europe Matin" re­gel­mä­ßig seine Gastkommentare abgibt. Das kurze Gespräch war eigentlich dem Deutsch-Französischen Ministerrat gewidmet.

Dass gestern in der deutschen Hauptstadt zum 17. Mal die Minister beider Re­gie­run­gen zu einer großen Kabinettssitzung zusammengekommen waren, hatte dem früheren Europaabgeordneten Cohn-Bendit zu­nächst als Anlass gedient, konkrete Vorschläge für eine intensivere deutsch-französische Zusammenarbeit zu machen. Der in Frankfurt/Main geborene Politiker (Grüne/Les Verts) widersprach sofort der Ein­las­sung des Moderators; Sotto hakte nach und befand, Grie­chisch oder Latein zu lernen sei doch weitaus sinnvoller.

Der Deutsch-Französische Kulturrat, dem der Vorfall durch ein Interview des Kul­tur­sen­ders Arte am späten Vormittag zur Kenntnis gebracht wurde, wendete sich mit einer offiziellen Beschwerde an die fran­zö­si­sche Medienkontrollbehörde CSA. Die fran­zö­si­sche Kulturministerin Fleur Pellerin und ihre deutsche Amts­kol­le­gin, Staats­mi­nis­ter­in für Kultur und Medien Monika Grütters, richteten umgehend eine ge­mein­sa­me Protestnote an den Privatsender.

Thomas Sotto, so war aus Redaktionskreisen von Europe 1 im Laufe des Tages zu vernehmen, bedauere seine verbale Entgleisung. Der Journalist soll angesichts des mas­si­ven Einspruchs angekündigt haben, binnen Wochenfrist eine im Hörfunk über­tra­ge­ne Redaktionssendung auf Altgriechisch oder Latein abhalten zu wollen. Anderenfalls sei er dazu bereit, seinen Familiennamen in Sottise abzuändern.


Link: Klick, ab 2'08'', Originalzitat: J'ai essayé d'apprendre l'Allemand deuxième langue, j'ai pas encore trouvé grand chose dans la vie qui serve moins que l'Al­le­mand. ("Ich habe versucht, Deutsch als zweite Fremdsprache zu lernen und habe festgestellt, dass es nichts Unnützeres gibt als Deutsch.")
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Illustration: Europe 1