Freitag, 27. November 2015

Trauer

Will­kom­men auf den Blog­sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­ter­in. Hier den­ke ich über die Arbeit nach, über Sprache und über meine Länder.

Heute trauert Frankreich, und ich trauere mit. Zugleich muss ich an die Worte einer meiner Dol­metsch­kun­din­nen vom Sommer denken, einer Patientin aus Syrien, die ich neulich wiedertraf. Wie wir alle ist sie er­schüt­tert über die Évènements, die Er­eig­nis­se, die uns in Europa ereilen. Zu­gleich hat sie angemerkt, dass genau das der All­tag im Krieg gewesen sei, aus dem ihre Familie ge­flo­hen ist, und zwar täg­lich mit hun­der­ten von Toten.
Dass es in Eu­ro­pa Men­schen gibt, die jetzt am liebsten die Gren­zen dicht­ma­chen würden, kann sie nicht ver­stehen: "Mais nous sommes du même côté — Aber wir sind doch auf der glei­chen Seite!"


Vokabelnotiz:
Das Wort évène­ment wurde lange événe­ment ge­schrie­ben, aber so aus­ge­spro­chen, wie es da oben mit einem Accent aigu und einem Accent grave steht. Gelernt ha­ben das Ge­ne­ra­tio­nen von Franzosen in Spe auf der Schule als denk­wür­di­ge Aus­nah­me. Richtig denk­würdig wird es jetzt: Die Schreibung wurde bereits 1990 an die Aus­sprache an­ge­passt (un­be­merkt von vielen). Dem Drucker der Académie Française sollen 1736 die Ak­zen­te aus­ge­gan­gen sein, nicht irgend­wel­che, sondern die Accents graves. Grave bedeutet so viel wie "ernst", "schwer", "tief", "gra­vi­tä­tisch". Er hatte aber noch Accents aigus übrig, was je nach Kontext "spitz", "schrill", "hoch" oder auch "fein" bedeutet.

So viel zum Thema, dass die Not so manche Innovation gebiert. Jetzt trauern wir weiter und ehren die Toten auch durch andere Ereignisse. Das Schwere, Tiefe liegt nicht nur im Setzkasten neben dem Leichten, Hohen. Ein Bon­mot der letzten Zeit, das Coluche würdig gewesen wäre, geht so: Eux, ils ont les kalachs, nous avons le Cham­pagne. (Sie haben die Ka­lasch­ni­kows, wir haben den Cham­pag­ner.)

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Illustration: Claude Monet, rue Montorgueil

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