Freitag, 13. November 2015

Serielles Pech

Geplant oder ungeplant sind Sie hier gelandet und lesen jetzt Seiten meines di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine oder vom Über­set­zer­schreib­tisch! Bonjour! Hier schreibe ich über kleine Beobachtungen des Alltags, kulturelle Hin­ter­grün­de — und Sie können Einblick in den real exis­tie­ren­den Bürowahnsinn nehmen.

Seit wenigen Minuten ist Freitag, der 13. Ich sitze seit 20.00 Uhr an einer eiligen Übersetzung für eine Filmproduktionsfirma, die heute ins Büro einer Film­för­de­rungs­be­hör­de muss: Ein langer Nachzüglertext und ein kurzer. Seit über einer Wo­che arbeiten wir zu fünft an den zehn unterschiedlichen Texten des Dossiers. Es ist einer von drei Filmaufträgen, die uns derzeit in Textform beschäftigen. Keiner der Kol­le­gen hatte noch Kraft und Zeit für diese letzten Zeilen, von denen einige ins Deutsche, das Gros aber ins Französische muss. Also durfte ich ran. Kurz nach Mitternacht also, gerade habe ich den Schlusspunkt gesetzt, da macht es "Plonk" im digi­ta­len Brief­kasten. Eintrifft der von mir übersetzte Haupttext des Abends, den die deut­sche Koproduzentin nach einem längeren Telefonat verfasst hatte, jetzt aber vom französischen Koproduzenten nochmal in eigene Worte gefasst.

Diese Version ist natürlich prioritär. Anstatt ins Bett zu gehen, befreie ich sie von Tippfehlern und schmuggle Passsagen von mir mit rein, die der Franzose deut­lich zu schlicht gehalten hatte, die gegenüber der deutschen Fassung zu stark abfallen. Um drei bin ich im Bett. Um sieben sieht meine Korrektorin das Werk, druckt alles rasch aus, bringt ihr Kind in die Schule und eilt an den Schreibtisch. Sie wohnt an einer Baustelle. Ich habe ihr schon beim Verfassen von Briefen geholfen, denn bei ihr und im darunterliegenden Buchladen ihres Mannes ist es oft nicht nur staubig, sondern auch so laut, dass arbeiten fast unmöglich ist. Außerdem war von Rissen die Rede.

Als sie an ihrem Schreibtisch ankommt, steht dort der Handwerker, der schon am Mittwoch hätte da sein sollen. Er blockiert Arbeitsplatz und Rech­ner. Sie korrigiert auf dem Ausdruck, dann muss sie eilig an den Rechner. Der Handwerker weicht nicht. Spielt die Situation am Fenster? Es ist Freitag, mit Kälteeinbruch und Feuch­tig­keit sind ab morgen zu rechnen. Was nützen da Argumente?

In der Filmproduktionsfirma spuckt der Drucker die kurzen Nachzüglertexte aus. Die As­sis­ten­tin wählt meine Handynummer, mein Mobiltelefon läutet. Ich hatte ihr die Hand­wer­ker­sze­ne per Mail eben beschrieben. Wir sind angekündigterweise knapp über der "deadline". Ich stelle mir vor, wie der Kurier neben dem Drucker steht und seine Körpersprache die größtmögliche Ungeduld ausdrückt. Dann wieder "Plonk" und schnell auf "Weiterleiten" geklickt, ausnahmsweise mal ohne erneutes Gegenlesen.

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Foto: folgt (vielleicht)

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