Donnerstag, 15. Januar 2015

Charivari

Bon­jour, bien­ve­nue und herz­lich will­kom­men! Ge­plan­ter­wei­se oder zufällig sind Sie auf den Seiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache (und aus dem Englischen) gelandet.

Auf dem Schreibtisch, die Zwote: Vaterschaftsanerkennung (zu verdolmetschen), ein Trailer für den Berlinale-Markt (Untertitellektorat) und ge­dreh­tes fremd­spra­chi­ges Material auf Schneidbarkeit hin analysieren. In mir kommen dunkle Er­in­ne­rungen hoch an ein Gespräch vor einigen Jahren. Weil es so schön war, bringe ich es hier nochmal.

Blick auf den Landwehrkanal
Eiffelturm in Berlin
— Wir suchen in Köln eine Dolmetscherin für das TV-Interview mit einer Autorin. Kennst Du wen?
— Ich komme!
— Ja, nee, keine gute Idee. Wir haben kaum Geld, und wir können keine Profi-Dienstleistung für fast umsonst erwarten. Hast Du vielleicht eine begabte Studentin oder so, die Du uns empfehlen kannst?
— (... ) Eher nicht. Erst neulich durfte ich gedrehtes Interviewmaterial im Schnitt ret­ten. Beispiel für eine Antwort gefällig? Zitat: "Naja, wie schon vorhin gesagt, stimmt das so. Es war am 23."
— Kontext?
— Der Kontext fehlte. Der Take hätte das zuvor Gesagte wiederholen sollen ...

... Aber weil vom Team außer der Studentin keiner Französisch sprach, ging das beim Dreh so durch.
— Und dann?
— Wir haben aus später gegebenen drei Antwortteilen was zusammengefrickelt und dann zwischendurch ganz viel Wohnung gezeigt, zum Glück gab's ausreichend Ma­te­rial für Schnittbilder. Das war ein Gefriemel! Und hat gedauert! 

Hier wurde beim Dreh an der falschen Stelle gespart: Das ist wie teures Wild­gou­lasch mit einer Tü­ten­sau­ce vom Discounter kredenzen. Sparen will gelernt sein, dabei wäre öfter das Wort "knausern" angebracht. Hier noch ein Verweis auf Äl­te­res, ein Text übers Sparen (Link)! Und ja, es ist schwierig, in Zeiten knapper öf­fent­li­cher Kassen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Im Sprachmittlerbüro ergeben sich dadurch Verschiebungen. Die Berlinale­vor­be­rei­tung fällt dieses Jahr leider etwas knapp aus, was an den selteneren Nach­fra­gen der Veranstalter für Fran­zö­sisch und Deutsch liegt. Wir sind inzwischen alle Kinder Shakespeares geworden, sein Idiom ist die neue Hauptarbeitssprache.

Infrarotlicht, (1) Deutsch, (2) Englisch
Französisch war hier die Sprache der Pressekonferenz
Es bleiben aber die zu ver­dol­met­schen­den Pres­se­in­ter­views. Paradoxerweise über­setze ich auch wie­der mehr Film­ex­po­sés aus dem Eng­li­schen als noch vor einigen Jahren. In der Mit­tags­pau­se habe ich die gute alte BBC angeworfen! Das ist dann im­mer "zwei auf einen Schlag", faire d'une pierre deux coups, ich informiere mich und ich ak­ti­vie­re eine Sprache.

Außerdem ist es immer wichtig, in Sachen News den eigenen Horizont zu ver­grö­ßern. Schon, damit das umgebende Charivari den eigenen Kopf nicht dominiert. (Mehr zum titelgebenden Wort hier: klick!)

______________________________
Fotos: C.E.

Keine Kommentare: