Donnerstag, 29. Mai 2014

Museum der Wörter 5

Hallo, hier bloggt eine Spracharbeiterin. Ab und zu erinnere ich an Begriffe, die wir den jüngeren Generationen heute erklären müssen, heute speziell zum "Her­ren­tag".
            
          H
errenausstatter, Bartbinde, möblierter Herr.

   

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Idee: H.F.

Dienstag, 27. Mai 2014

Schreibpausen

Guten Tag oder guten Abend! Sie lesen auf den Seiten des ersten deutschen Web­logs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Oft stehen wir aber auf dem Podium di­rekt neben jenen, die wir vertonen. Hier ein Alltagsmoment aus dem kon­se­ku­ti­ven, also zeitversetzten Dolmetschen.

Der Mann links neben mir spricht oh­ne Punkt und Kom­ma. Er ist sichtlich erbost über das, was er zu sagen hat. Er sieht nur das Thema, sein Pub­li­kum, viel­leicht gerade noch die Was­ser­fla­sche vor sich. Mich aber sieht er nicht. Ich mache mir No­ti­zen.
Immer, wenn er gedanklich ein Ende anstrebt, hoffe ich, jetzt auch mal dran zu sein.

Er wird langsamer, jetzt weist der Moderator rechts von mir auf mich, die Dol­met­scher­in in ihrer Mitte. Der Gast aus dem Ausland schaut in meine Richtung, aber er nimmt mich nicht wahr. Daher sieht er auch nicht, dass ich heftig nicke, ihn an­se­he und noch den letzten Gedanken aufschreibe.

Und während eine kleine Pause entsteht und ich noch zwei Stichworte no­tie­re, da­mit ich meinen Einsatz nicht gleich versemmele, holt links von mir der Mann (der auch eine Frau sein kann) tief Luft und beginnt erneut zu sprechen.

Erst als das Publikum unruhig wird, komme auch ich zu Wort. Die Beiträge, die ich heute Abend übertragen darf, werden alle sehr lang sein. Jetzt bekomme ich aber erst mal Szenenapplaus. Der Verdolmetschte begreift, was los war. Er strahlt mich an, beglückwünscht mich, bittet um Entschuldigung, fängt wie­der an zu sprechen.

Und während der Moderator sein Amt offenbar schon aufgegeben hat, redet der andere neben mir weiter, ohne Punkt und Komma, sichtlich enerviert vom Thema. Er nimmt nicht wahr, was um ihn herum geschieht. Auch mich hat er wieder aus den Augen verloren.

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Foto: C.E.

Montag, 26. Mai 2014

Auf dem Schreibtisch

Bien­­ve­­nue und will­­­kom­­­men! Sie le­­sen hier No­­ti­­zen aus dem Sprach­mitt­­ler­­be­­rufs­­all­­tag. Als Dol­­met­­scherin und Über­setzerin ar­bei­te ich in Paris, Berlin, Toulouse, Köln und überall dort, wo ich gebraucht werde. Meine Ar­beits­sprachen sind Fran­­zö­­sisch, Deutsch und Englisch (hier nur als Ausgangssprache).

Draußen ist das Wetter noch schön, aber einfach so rausgehen und genießen ist nicht, denn der Schreibtisch ist voll. Mich beschäftigt:

— Schlussredaktion einer Untertitelung zu einem digitalen Medienthema;
— Kollegenanfrage und Er­stel­lung eines Kostenvoranschlags zu einem Dol­metsch­ein­­satz Anfang Juli;
— Recherche zu einem Dokumentar­film­dreh in Paris: Ich suche über fran­zö­si­sche Jour­nalisten die Adressen ver­zo­ge­ner Interviewpartner;
— Lesen der Berichterstattung zur Eu­­ro­­pa­wahl; Ergänzen der eigenen Lexik und Textsammlung;
— Nachbereitung des Pro bono-Ein­satzes zum Thema Entwicklungshilfe vom Wochen­ende, ehe Stichworte und Er­­kennt­­nis­se verblassen.

Ab morgen soll es wieder schlechter wer­den, prompt wird dann der Tisch etwas leerer sein. So viel zum Thema: "Ihr Frei­be­ruf­ler könnt Euch aus­su­chen, wann ihr arbeitet!"

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Fotos: C.E. (Untertitelung, Subs Factory)

Sonntag, 25. Mai 2014

Bilder einer Ausstellung

Willkommen beim einzigen Blog Deutschlands, das in der Dolmetscherkabine ent­steht. Hier denke ich (an manchen Tagen auch vom Übersetzerschreibtisch aus) über unseren Alltag als Sprachmittler nach. Sonntags werde ich privat.

Vor 18 Jahren durfte ich Gisèle Freund bei einem Arte-Interview dolmetschen. Es war bereits das 2. Mal, denn als Studentin hatte ich bereits einmal das Glück, da­mals war ich als Journalistin für den Sender Freies Berlin tätig.

Auf meine Frage, wie ob sie im damaligen Berlin die Stadt von einst wie­der­er­ken­nen würde, sagte sie mir in etwa das Folgende: Es gibt drei Momente, da weiß ich genau, wo ich bin. Wenn ich in der Nähe der Gedächtniskirche bin und die Augen schließe, klingt es doch sehr ähnlich. Ich finde Berlin auch in der U- und S-Bahn wieder. Letztes Moment: Berlin im Regen riecht so, wie keine andere Stadt riecht.

Damals fuhren noch alte Wagen im Untergrund, und in meinen ersten Berufsjahren bin ich in der Holzklasse mit der S-Bahn nach Babelsberg gereist. Sounds und Re­gen­ge­ruch sind geblieben.

Hinweis: Ausstellung "Gisèle Freund. Fotografische Szenen und Porträts", 23. Mai bis So, 10. August 2014, Hanseatenweg 10, dienstags bis sonntags 11 – 19 Uhr, hier noch der Link zum Flyer.


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Fotocollage: C.E.

Samstag, 24. Mai 2014

Glossare im Netz

Hallo beim 1. Web­log Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Heute folgt mein "Link der Woche", dieses Mal gleich im Plural.

Nein, ich will mir nicht vorstellen, wie unsereiner in Zeiten vor dem Internet ge­ar­bei­tet hat. Oder andersrum: Als es mit dem Netz losging, war ich noch Jour­na­listin und habe parallel zum Studium ordentlich das Recherchehandwerk gelernt. Das hilft mir noch heute. Und daneben durfte ich einmal für eine Studienkollegin eine Unfallschadensmeldung übersetzen. Das technische Wörterbuch in der Uni­bib­li­o­thek war bald erschöpft, also ging ich in eine KFZ-Werkstatt. Die Herren dort, die ich mit meinen Fragen vom Arbeiten abhielt, fanden das lustig, vor allem aber, weil ich von Technik so gar keine Ahnung habe. Die Sache ging gut aus, Glück ge­habt.

Nachschlagewerke im Regal
Der Handapparat wird weiter täglich genutzt
Heute gibt es viele Glossare im Netz, auch einsprachige, die auch sehr nützlich sind.

Hier eine kleine, höchst sub­jek­tive Auswahl.

Passend zu den aktuellen Wahlen beginne ich mit einer französischsprachigen Vo­ka­bel­liste zur Europäischen Union, die letztes Jahr von Le monde diplomatique ver­öf­fent­licht wurde.

Bauingenieur Wilfried Kunze aus Wiesbaden bietet eine Liste von Fachbegriffen aus der Baubranche an. Zu den Wörtern werden, wenn es passt, kleine Ge­schich­ten erzählt, so gefällt mir das, hier werde ich auch ohne konkreten Auftrag ab und zu mal vorbeischauen. Beispiel: Der Waalweg. Der Autor geht bei der Bezeichnung für Bewässerungsrinnen bis ins Jahr 1333 zurück und argumentiert auch mit geo­gra­fischen Kenntnissen. Einige Wörter kannte ich schon lange, die Spundwand ge­hört dazu, oder die Kommunwand (Ge­bäu­detrennwand zwischen Doppel- oder Rei­hen­häu­s­ern).

Ein besonderes Glossar besteht aus Lernkarten, mit denen sich eine Lern­wör­ter­kar­tei simulieren lässt. Hier: Gerichtsvokabular Englisch. Nur die Aussprache, die aufgerufen werden kann, klingt oft reichlich künstlich.

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Foto: C.E.
Danke für die Hinweise, Mesdames, 
merci beaucoup à Giselle, Lise et Daniela!

Donnerstag, 22. Mai 2014

Weiterbildung

Auf den Seiten meines Blogs begrüße ich Sie herzlich. Hier schreibe ich re­gel­­ß­ig über mei­nen Berufsalltag als Dolmetscherin und Übersetzerin, aber auch ganz all­ge­mein darüber, was die Arbeit von Sprachmittlern auszeichnet.

Im Plenarsaal der Akademie (*)
Langsam trudeln die ersten Aufträge für die freigehaltene Zeit rein. Rückblende für die Nicht-Stammleserinnen und -leser: Eigentlich sollte ich ge­rade in Frankreich am Film­set dolmetschen und einen deutschen Schauspieler in Aussprachefragen beraten. Leider wurde alles wegen höherer Gewalt verschoben. Daher stehe ich jetzt mit leeren Auftragsbüchern da.

Denn im Vorfeld der geplanten siebenwöchigen Abwesenheit hatte ich alle Bu­chungs­an­fra­gen weitergereicht. In meiner Büroarbeit fühle ich mich dieser Tage bei meinen Rückmeldetelefonaten wie eine Berufsanfängerin. Ich trete auch mit Altkunden wieder in Kontakt und freue mich über schöne Gespräche und von Wertschätzung geprägtes Mitdenken.

Sonnenuntergang am Pariser Platz
Also: Demnächst bin ich einen halben Tag in einer Botschaft, es geht um auf­ent­halts­recht­liche Dinge, werde nächsten Monat einige Tage mit einem Do­ku­men­tar­film­team in Paris unterwegs sein und Tex­te im Rahmen einer dramaturgischen Be­ra­tung, die zwischen Deutschland und Frankreich hin- und hergehen sollen, sind auch avisiert.
Dann heißt es, die Nase in aktuelle The­men zu stecken. TTIP und was das Frei­han­dels­ab­kom­men für die Kultur be­deu­tet, war Dienstag Thema in der Akademie der Künste am Pariser Platz. Die dort ge­führ­te Diskussion wird bald vom Radio ge­sen­det. Die Links zu den Terminen folgen, sobald ich sie ha­be.

Gestern habe ich nachgelesen, was an Hinweisen zitiert worden ist, Begriffe für eine Lexik notiert, Beispieltexte zum Thema herausgesucht. Damit befand ich mitten im von mir regelmäßig beackerten juristischen Feld Urheberrecht.

Schattenmänner im Gespräch
Vor zwei Wochen habe ich beim filmkunstfest Mecklenburg-Vor­pommern moderiert; den 2. Teil meines Schwerin-Rückblicks wollte ich dieser Tage bringen, da warte ich noch auf einige Fotos. Andere Zeitvertreibe sind das Schreiben von Kosten­vor­an­schlä­gen oder das Löschen von Spams, darunter Mas­sen­mails anonymer Agenturen, denen unsereiner gerade mal ein Taschengeld wert ist.

Beispiel: Wer für 10 Stunden Arbeit an einem Eilauftrag schlappe 100 Euro zah­len möch­ten, den betrachte ich als Spam. Derlei "Agenturen" werden in Über­setzer­krei­sen "Umtüter" genannt. Sie versuchen, Arbeit billig einzukaufen und mit 100, 200 oder mehr Prozent Aufschlag weiterzuverkaufen, haben selbst von den je­wei­li­gen Spra­chen und Themen kaum eine Ahnung, sitzen gerne in Asien, oder aber die Makler sind unter jungen, frechen Computernerds zu finden. 

Raimund Franken — rmc medien consult
Sollten Sie Übersetzer oder Dolmetscher suchen: Wenden Sie sich an hochqualifizierte Einzelkämpfer. Wir stecken fast alle in Netzwerken von Fachleuten, die mit gleich hohen Qualitätsansprüchen arbeiten. Wer Qualität lie­fert, bildet sich regelmäßig fort. Daher galt der Mitt­woch­abend mal wieder dem The­ma Filmwirtschaft bzw. Film­ver­leih.

Wir saßen in einem geschlossenen Raum, während draußen der Sommer 2014 eine erste Generalprobe gab. Mehr noch: Natürlich bezahlt unsereiner sein Wissen nicht nur mit Freizeit, sondern auch mit Geld, denn seit Jahren bin ich in einigen Ver­ei­nen und Verbänden stilles oder engagiertes Mitglied. So, jetzt geht's an die Nach­be­rei­tung.

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Fotos: C.E.
(*) Auch Hans-Jürgen Urban spricht gestenreich

Montag, 19. Mai 2014

Pech zum Quadrat

Bon­jour, bon­soir, gu­ten Tag oder gu­ten Abend auf den Sei­ten mei­nes di­­gi­­ta­­len Log­buchs. Hier schrei­be ich als Über­setzerin und Dolmetscherin für die fran­zö­sische Sprache (sowie aus dem Englischen) über meinen Berufsalltag, der oft sehr hek­tisch ist. Erstens kommt es anders,

Goldene Palme-Preisträger im Interview (mit Filmteam)
Dolmetschen beim TV-Interview
... zweitens als man denkt. Die abgelaufene Woche war für mich eine Schaltwoche. Nach dem Film­fest ist vor dem Film­fest, schoss es mir durch den Kopf, als mich vor drei Wo­chen eine Hiobs­bot­schaft er­reich­te: Ein ab dem 16. Mai ge­plan­ter grö­ße­rer Dreh wur­de we­­gen der Er­­kran­­kung ei­nes der Haupt­­dar­stel­­ler um un­­be­­kannte Zeit ver­scho­ben.

So hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt, nun doch noch zum süd­fran­zö­si­schen Groß­er­eignis der Filmwirtschaft zu reisen. Bei den verschobenen Film­dreh­ar­beiten hätte ich bis Ende Juni als Set-Dolmetscherin einen deutschen Schau­spieler in Fran­k­reich coachen und für ihn dolmetschen sollen, die Optionszeit (für eventuelle Nachdrehs) reichte bis in die erste Juliwoche.

Solche Filmaufnahmen werden lange im Voraus geplant, also hatte ich meine Cannes-Akkreditierung nicht groß betrieben, aber auch nicht eindeutig abgesagt, on ne sait jamais, you just never know! Ich hätte also noch kurzfristig zusagen können, denn zwei der von mir in den letzten Jahren sprachlich betreuten Filme laufen auf dem A-Festival.

Dann schien sich alles zu fügen: In der Ferienwohnung von Freunden in Cannes war plötzlich ein Kämmerlein frei ge­wor­den. (Hotels sind dort in der Zeit des Film­festivals unbezahlbar und Spontaneität ist das Ge­gen­teil der südfranzösischen Stadt.) Sogar eine Mitfahrt bot sich über Kollegen an, Zufälle gibt es, zwei Teil­strecken mit Boxenstopp und Job. Denn ein Job zwischendurch ist besser, als kei­nen offiziellen Job am Zielort zu ha­ben.

In Cannes gibt es schon lange keine Verdolmetschungen ins Deutsche mehr, bis vor einigen Jahren wurden auch dort die Filme simultan verdolmetscht. Leider laufen dort seit langem auch keine deutschen Filme mehr im Wettbewerb (höchstens Strei­fen, die mit deutschem Geld entstanden sind). Bei meinen letzten Cannes-Auf­ent­hal­ten war denn auch das spontane Dolmetschen von Ko­pro­duktions­ge­sprä­chen die Haupt­auf­gabe. (Die Interviewverdolmetschung übernimmt seit Jahren meistens ein öf­fent­lich-rechtlicher Journalist als Koppelungsgeschäft.)

Am Ende kam alles nochmal anders — eine Magen-Darm-Grippe schlug zu, daher auch die kleine Sendepause, die hier eintrat. Das ist Pech zum Quadrat, wie meine kleine Großmutter gesagt hätte, die ihrer körperlichen Erscheinung wegen den Spitznamen Omaus trug. (Wer den nur er­fun­den hat!? Ich weiß es nicht mehr. Das war nicht abschätzig gemeint, sondern die größtmögliche Liebesbezeugung zu einer von zwei weltbesten Großmüttern!)

Diese Omaus hat mich auch für die Krankheitsphasen gestärkt. Als Kind hatte ich oft Bronchitis, Grippe oder was Dr. Spocks "Handbuch der Säuglings- und Kin­der­pfle­ge" so hergab. Aus dieser Zeit weiß ich, wie wichtig es ist, immer selbst­ge­koch­te (Bio-)Hühnerbrühe im Tiefkühlfach zu haben. Dazu kommen viel Wasser und viel Schlaf, auch diese Fähigkeit habe ich mir von Kindertagen erhalten: Ich drehe mich zur Seite und spätestens nach einer Woche sieht die Welt wieder besser aus.

Licht, Folienkoffer, Molton, "Franzosenarm" etc.
Am Set
Das waren stille Tage. Als der Kopf wieder länger wach wur­de, wandte ich mich Hör­büchern zu, Klassikern, die von wunderbar sonoren Stim­men vorgelesen wur­den. 100 % Kopfkino ist weniger an­stren­gend als Filme zu sehen. Die Zeit wird an­ge­hal­ten.

Ab Donnerstag geht's hier nor­mal weiter.


Aktuelle Lesetipps zum Thema Dolmetschen
—  Link: "Fehlerlesen", Zeit-Magazin (Online-Beitrag datiert auf den 13. Mai 2014)
— Analog (oder hinter der Paywall): "Richtig gehört? Was politische Dolmetscher erleben" von Norbert Heikamp, "Die Zeit" N° 21 vom 15.05.14.
Der Artikel bezieht sich auf die Glosse Lost in Translation, "Die Zeit" N° 19/2014. (Die Pointe, die sich erst durch Heikamps Antwort erschließt: Hier war je Sprache nur jeweils ein Dolmetscher verpflichtet worden.)
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Archivbilder: C.E., Interview dolmetschen
(oben links: Laurent Cantet)

Sonntag, 18. Mai 2014

Mal wieder: Englisch

Hallo und will­kom­men auf den Sei­ten des ersten Web­logs Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Am Wochenende fasse ich mich gerne kurz: Link und Foto der Woche.

Original und stark vereinfachte Kopie
Neulich in Schwerin: Menschen aus meh­reren Ländern kommen miteinander nach einer Filmvorführung ins Gespräch. Die Begriffe fliegen hin und her und ich als Wortjongleuse stehe mittendrin, immer eine Tonspur im Mund, eine im Ohr und eine im Kopf, so ungefähr funktioniert Dol­met­schen. (Ich sehe die Spuren plötz­lich ver­stoff­licht wie Tonbandstreifen, einstmals "Senkel" genannt, die mir an Mund, Ohr und Hinterkopf kleben.)

Am Ende bedanken sich alle Beteiligten und bringen ihre Freude darüber zum Aus­druck, dass ihnen "Denglisch" erspart wur­de. Dieses Idiom ist in Deutschland leider viel zu weit ver­brei­tet.

Mit Grausen erinnere ich mich an die mit einer Schnellbleiche für Grund­schul­eng­lisch in den Schulalltag entlassenen Russischlehrer, die im Berlin der Nuller Jahre allen Ernstes Plurale wie "handies" und "mouses" bildeten. Denn gute Eng­lisch­kennt­nisse waren im Osten so weit verbreitet, wie die Champs Elysées nah waren, pas du tout. (Und so konnte in der DDR der "Dispatcher" seinen "Gold­broi­ler" mit "Jus" genie­ßen, das war's dann.)

Und weil ich als Dolmetscherin die Kommunikation absichern durfte, konnten sich alle auch in Details ergehen, drauflossprechen, wie ihnen die Schnäbel gewachsen waren, nachhaken und einander Zeit lassen. Das war wieder eine schöne Erfahrung und kein Austausch in einem Kleiner-gemeinsamer-Nenner-Idiom, bei dem sich nie­mand in Verästelungen wagt aus Angst, ihnen sprachlich nicht gewachsen zu sein.

Rasch dazu meine "Links der Woche": Jürgen Trabant, Emeritus der FU Berlin, be­schreibt in einem FAZ-Interview, wie die Perspektiven, die Sprachen in­ne­woh­nen, unsere Sicht auf die Dinge verändern und wie Englisch unsere Gesellschaften be­ein­flusst. Der Beitrag ist "Der sprachliche Provinzialismus gefährdet das Denken" überschrieben.

Wer praktisch mit der Rettung der deutschen Sprache fortfahren möchte, kann hier Deutsch retten. (Mein Tipp: Ton vorher ausschalten.)

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Foto: C.E. (gesehen in Schwerin;
immerhin wird da etwas versucht)

Mittwoch, 14. Mai 2014

Schwerin: Erster Rückblick

Will­­­kom­­­men beim Blog aus der Dol­­­met­­­scher­­­ka­­­bi­­­ne. Heu­te sitze ich nicht in die­ser knapp zwei Qua­drat­me­ter kleinen Box, son­­dern am Schreib­tisch — und sortiere Papiere, Bücher und Fotos. Letzte Woche war ich in Mecklenburg-Vorpommern beim filmkunstfest.

Altstadtimpressionen Schwerin
Altstadtimpressionen Schwerin (*)
Neben dem Ler­nen kann ich rich­tig da­bei zu­se­hen, wie meine Le­bens­geister zu­rück­keh­ren. Knapp 20 Ein­sätze in sieben Tagen hatte ich, wobei das Mo­de­rie­ren von Ge­sprä­chen nur we­nig an­stren­gen­der ist als sie zu ver­dol­met­schen, für mich je­den­falls. Soweit meine schnelle Bilanz.

Zum Nach­hau­se­kom­men zählt auch, die vielen Fotos durch­zu­ge­hen, denn beim Knip­sen er­ho­le ich mich am besten.

Das ist mein subjektiver Stadteindruck. Es gibt einige wunderbare und mit viel Fin­ger­spitzengefühl sanierte Altbauten. Etliche ästhetisch verirrte Neubauten al­ler­dings, die nach der Wende zu schnell in der In­nen­stadt aus dem Boden gestampft wur­den, habe ich erst gar nicht aufgenommen. Solche Gebäude sind nach dreißig Jahren abgeschrieben und in ihrer Substanz auch so marode, dass sie Platz schaf­fen könnten für die Bauwerke einer nachfolgenden Ar­chi­tek­ten­ge­ne­ra­tion, die endlich wieder Sinn für Schönheit und Gespür für menschliches Maß sowie nach­hal­ti­ge Materialien besitzt.

Auch für Alt­bau­restauratoren ist hier noch viel zu tun. Derzeit sieht manches alte Haus so aus, als hätte man gerade mal die Fassade konserviert. Als pot­em­kin­sche Ku­lis­sen­bau­weise gilt das auch für denkmalgeschützte Bereiche, hinter deren Ein­gangs­tü­ren sich zeitgenössische Gebäude verstecken.

Demnächst folgt noch ein Bilderteppich mit Arbeitssituationen.

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Collage: C.E.
(*) Vergrößerung des Bildes durch
Öffnen in einem zweiten Fenster.

Dienstag, 13. Mai 2014

Museum der Wörter 4

Hallo, hier bloggt eine Spracharbeiterin. Ab und zu erinnere ich an Begriffe, die wir den jüngeren Generationen heute erklären müssen.
            
          L
öschwiege, Laufmaschendienst, Telefonzelle.

   

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Idee: H.F.

Montag, 12. Mai 2014

Ein Sack Deutsch

Hallo und herzlich willkommen auf den Seiten meines virtuellen Ar­­beis­ta­ge­buchs. Als Dol­met­scherin für die französische Sprache und aus dem Englischen arbeite ich in Berlin, Schwerin, Paris, Cannes und überall dort, wo man mich braucht.

Büroroutinen: Die gelernten Vokabeln sor­tieren, Fachtermini ins Glossar ein­pflegen, Hin­ter­grund­ma­terial für den nächsten Ein­satz recherchieren, mit dem Lesen und Lernen anfangen. Das gilt auch für einen neu hinzugekommenen Großeinsatz im Juni.

Derzeit arbeite ich zu den Themen
— Filmkultur als Wirtschaftsfaktor
— Agrarpolitik (*)
— Europawahlen

Dieser Tage geht es nur kurz nochmal "auf Schicht", dann kann ich meinen "Sack Deutsch" wie­der schultern und lostraben.

Denn leider wurde ein größerer Filmdreh, der mich ab Freitag beschäftigt hätte, we­gen Krankheit eines der zentral Beteiligten verschoben. Zu spät, um noch zum Filmfestival nach Cannes zu fahren, und auch zu spät für die in der Zwischenzeit abgesagten Projekte, um die sich jetzt die Kolleginnen kümmern. Eines kam zu­rück, denn auch woanders ergaben sich Terminänderungen.

Die kleine Liste, liebe Leserin, lieber Leser, dürfen Sie also gerne verlängern. Ich freue mich auf Ihre Anfrage und erstelle gerne (natürlich kostenfrei) ein Angebot.


(*) Nachtrag: Die Mitbewerberin um diesen Job ist Bauerntoch­ter und hat schon viel in dem Be­reich ge­dol­metscht. Ich fin­de, sie soll den Auf­trag über­neh­men. So ha­be ich je­den­falls die Ver­an­stal­ter der De­le­ga­tions­rei­se be­ra­ten. Um ihren Stand ei­ni­ger­ma­ßen zu er­rei­chen, müss­te ich die nächsten vier­zehn Ta­ge je­den Tag vier Stun­den pau­ken, denn es han­delt sich um sechs ver­schie­de­ne The­men­be­rei­che, die in­ner­halb von zwei Tagen je­weils für 45 Mi­nu­ten zur Spra­che kom­men.
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Foto: C.E.

Sonntag, 11. Mai 2014

filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern

Bien­ve­nue — wie schön, dass Sie auf den Sei­ten mei­nes Blogs ge­lan­det sind. Hier schrei­be ich, wie der Sprach­be­ruf, ich bin Über­setzerin und Dol­met­sche­rin, den All­tag verändert. Oft bin ich un­ter­wegs, in der letzten Woche war ich in Schwerin.

Beim 24. filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern habe ich dieser Tage moderiert und gedolmetscht. Nur am Rande konnte ich ein wenig die Stadt er­kun­den, was nicht am Wetter lag.

Die Müdigkeit ist zu groß, um jetzt mehr zu schrei­ben. Es war wunderbar, und in den Worten von Hanna Schygulla: "Ein kleines Festival ist oft viel schöner als ein großes".

Merci beaucoup an alle!






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Fotos: C.E., "Schirmkinder", ein Brun-
nen von Stephan Horota /1973)

Freitag, 9. Mai 2014

"Meck-Pomm"

Bonjour, Moin und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Übers­etzerin und Dol­met­scherin für die französische Sprache und aus dem Englischen. 

Während in Berlin die Mitbewohnerin die Balkonblumen gießt, bin ich in Meck­len­burg-Vorpommern, dem Wahlkreis der Kanzlerin. Die Luft schmeckt hier leicht salzig, der Wind fühlt sich anders an als in Berlin.
Jetzt muss ich aber leise sein, später darf ich sprechen. Die Staatschefs Frank­reichs und Deutschlands sind auch hier oben.

Da das Auswärtige Amt festangestellte Dolmetscher hat, sind diese für solche Ein­sätze zuständig. Ich berichte am Sonntag mehr über meine Reise.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 8. Mai 2014

Wiederbeschaffungszeitwert

Hallo! Sie haben zu­fäl­lig oder ab­sicht­lich eine Seite meines digitalen Ar­beits­ta­ge­buchs aufgeschlagen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für Politik, Wirt­schaft, Me­dien, Soziales und Kultur. Daneben übersetze ich auch im Team, denn vier Augen sehen mehr als zwei.

Lesen Sie das Nachstehende bitte einmal laut vor, schließen Sie darauf die Augen und erklären Sie sich den Inhalt selbst. Sie müssen als einzige Voraussetzung wissen, dass dem Käufer einer Industrieanlage garanierte Gewinnsummen in gleichbleibender Höhe zustehen.
In Bezug auf den gezahlten Kaufpreis entsprechen die Ge­winn­abführungen jährlich mehr als 7% insbesondere ab 2003 nach der Än­de­rung der Kalkulation der Ab­schrei­bun­gen im Tarif von AFA auf Anschaffungswerte auf AFA auf Wiederbeschaf­fungs­zeit­wer­te.
So erleben wir Dolmetscher manche Rede. Die müssen wir uns dann im Geist erst "übersetzen", bevor wir sie in eine andere Sprache übertragen können. Besteht eine Rede nur aus solchen, in Windeseilen abgelesenen Sätzen, kann von "Rede" nicht mehr gesprochen werden. Komplexe, theoretische Textgebilde werden genauso transformiert, wie sie entstanden sind: Langsam, am Schreibtisch, mit Handapparat und Internetanschluss.

Gut, ich lese den Text nochmal.

Der Käufer hat eine Rendite, die über den erwarteten 7 % liegt, weil 2003 die Ge­setze zur steuerlichen Abschreibung geändert worden sind, denn nicht mehr der Kaufpreis wird als Grundlage für die Berechnungen genommen, sondern der Rest­wert einer Industrieanlage.

Das heißt, der Wert an sich verringert sich (mit der Zeit). Da die Summen der Ent­nah­men die gleichen bleiben, das war ja in einem früheren Passus festgeschrieben, müssen diese Entnahmen prozentual zum Gesamtwert immer größer werden.

Ich stutze und lese alles nochmal durch. Habe ich das jetzt richtig "übersetzt"? Und wenn ja, warum wird das nicht einfach so gesagt? Oder vielleicht noch einfacher?

Vokabelnotiz

valeur de remplacement des actifs après déduction des amortissements — Wiederbeschaffungszeitwert

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Foto: C.E.

Mittwoch, 7. Mai 2014

Wählen Sie unabhängige Spracharbeiter!

Auf den Seiten meines Blogs begrüße ich Sie herzlich. Hier schreibe ich über mei­nen Berufsalltag als Dolmetscherin und Übersetzerin, aber auch ganz all­ge­mein darüber, was die Arbeit von Sprachmittlern auszeichnet.

Über Agenturen habe ich hier schon wiederholt berichtet.

Das Wort WARE auf einen Sockel gesprayt
Leider gibt es zu viele Fach­frem­de, die programmieren können und die sich von der Marge bei den Sprach­dienst­leistern was abschneiden möchten." Problem: Das "Was" kann bei 20 bis 30 Prozent liegen, in einigen selbst­er­leb­ten und im Kollegenkreis kol­por­tierten Fällen kamen al­ler­dings Abzüge von 50 bis 70 % vor.

Die Sprachenbranche ist nicht reguliert, und was anderswo ausbeuterischer Wu­cher wäre, wird von diesen Firmen, die genauso gut Dachpfannen oder Matratzen ver­kaufen könnten, als "normal" betrachtet.

Da verwundert es nicht, wenn ein Agenturbetreiber einer Kollegin schreibt, die aufgrund eines schwierigen Textes einen hohen Preis veranschlagt:
Es gibt keine schwierigen Texte oder Sprachkombinationen. Es gibt le­dig­lich Übersetzer, die sich in bestimmten Fachbereichen weniger gut auskennen, bzw. die sich anmaßen, in die Fremd­sprache zu übersetzen, und deshalb diese Bereiche oder diese Sprachkombination in eine Fremdsprache als schwieriger empfinden. Das Ergebnis solcher Über­setzungen ist in der Regel trotz höheren Aufwandes qualitativ schlech­ter. Diesen höheren Aufwand versuchen diese Übersetzer pa­ra­dox­er­wei­se mit einem höheren Preis zu kompensieren, statt umgekehrt für das qualitativ schlechtere Ergebnis einen niedrigeren Preis zu ver­an­schla­gen. (...) An eine Lieferung qualitativ min­der­wer­ti­ge­rer Texte, sei es, dass sie als besonders schwierig empfunden werden oder dass sie aus der Muttersprache in die Fremdsprache übersetzt wurden, sind wir, selbst gegen entsprechende Preissenkung, nicht interessiert.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, solche Fuzzis sollten wir einfach aushungern lassen. Die haben keine Ahnung und machen Euch zu Galeerensklaven.

Kopf auf einen Sockel gespraytLiebe Investorin, lieber Investor, schauen Sie genau hin, wem Sie ihr Ven­ture capital anvertrauen. Die Idee, Über­setzer könnten für Minigagen Bruch­stück­texte übersetzen ist genau bescheuert wie der Gedanke der schnellen, billigen, guten Te­le­fon­dol­met­scher.
Im Netz gibt es tatsächlich Firmen die be­haup­ten, Dol­met­scher könnten per Handy zum Beispiel für Kran­ken­hau­spatienten übersetzen und die Start up, die dieses anbietet, wäre dafür die ideale Mak­ler­fir­ma. Sie würde von den Betroffenen einen Euro die Minute nehmen und den Sprach­mittlern 30 Cent zahlen: Hohe Rendite garantiert!

Mit Verlaub, diese Idee ist schlecht, denn ohne Vorbereitung läuft nichts. Das gilt für uns wie für die meisten inhaltsbasierten Berufe wie Lehrer, Anwälte oder Un­ter­nehmensberater. Vor Ort gibt es ständig Gesprächssituationen, die geklärt wer­den müssen, ein Teil der Informationen kommt über den schmalen Telefonkanal schlicht nicht durch. (Beispiel: Stammt der Patient aus einer Kultur, in der Männ­lein wie Weiblein über den eigenen Schmerz nicht sprechen dürfen, sind Aussagen wir I'm OK hinfällig. Wenn ich den Sprecher aber nur höre, kann ich nichts ein­schätzen.) Abgesehen davon, dass vertrauliche Gespräche grundsätzlich in ge­schlos­senen Räumen geführt werden sollten.

Wenn sich dann nämliche Start up, als sie merkt, dass die eigene Idee vielleicht doch nicht so viele hunderttausend Euro erwirtschaftet wie gehofft, auf das Kon­fe­renzgeschäft schmeißt, kann es passieren, dass Dolmetschtage, die Sie, lieber Endkundin, liebe Endkunde, mit 900 Euro bezahlen, beim den Sprach­mittlern als 300-Euro-Tage aufgerufen werden. Meinen Sie, dass die famose Start up so die Besten der Branche findet?

Merke: 80 % der Agenturen sind Makler. Bitte wählen Sie stattdessen lieber ein Dolmetschnetzwerk oder einen in einem solchen engagierten Sprachmittler. Fragen Sie nach einschlägigen Erfahrungen der Dolmetscher zu Ihrem Bereich, Lebensläufe usw. Bei Netzwerken engagieren "beratende Dolmetscher" nur jene Kollegen, mit denen sie auch persönlich zusammenarbeiten möchten. Das ist ein Garant für Qualität.

Zurück zur Frage, ob es schwierige Übersetzungen gibt oder nicht. Da darf ich gleich an meine Fast-pro-bono-Arbeit (*) aus der Woche vor Ostern denken: Reden zum 69. Jahrestag einer KZ-Befreiung waren ins Deutsche zu übertragen. Da schrieb jemand von der "Erlebensgeneration" (so heißt die wirklich) eine feierliche Gedenkstundenrede mit lauter Querverweisen von damals zu heute, wo jedes dritte Wort eine ganze Welt mitschwingen ließ. In einer zweiten Rede für den Folgetag erklärt der Zeitzeuge Schülern den Alltag in einem Außenlager, das ein Straflager mit Fabrik war. Da musste ich nicht nur die deutsche und eu­ro­päi­sche Geschichte permanent mitdenken, die Fachtermini des kalten Krieges drauf­ha­ben (und großenteils vermeiden), sondern auch die Honoratioren am Sonntag und die Schüler am Montag vor Augen haben. Das war vielleicht ein Gefriemel! Veranschlagte Zeit: Fünf Stunden. Damit verbrachte Zeit: das Dreifache, wobei ich an vier Tagen immer wieder neu angesetzt habe.

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Fotos: C.E. (gesehen in Kreuzberg)
(*) Es gibt einen Zuschuss für die Drucke, den Toner
und die Amortisierung des Gerätes oder so.

Dienstag, 6. Mai 2014

Wechsel

Willkommen auf den Seiten des ersten deutschen Blogs aus dem Inneren der Dol­­met­­scher­ka­bine.

Pharmacie: In Frankreich ein grünes Kreuz
Jetzt muss ich meine Stamm­apo­theke wechseln. Und zwar die in Berlin, nicht ir­gend­wo in Frankreich, wie das Foto ver­muten lässt.
Ich bin von fran­zö­sisch­spra­chigen Menschen umgeben, sogar in Neukölln. Etliche ha­ben eine dunkle­re Haut­far­be. Sie oder ihre Eltern kommen aus Afrika, Haiti, Frank­reich oder aus Unna.

Wir hatten gerade das Haus verlassen um spazieren zu gehen, da zog sich ein Be­such­sgast am eigenen Autoschlüssel, der plötzlich an einer Stelle einen scharf­kan­ti­gen Grat aufwies, eine kleine Verletzung zu. Wir strebten also die nächs­tge­le­ge­ne Apotheke an, um eine akute Verletzung zu versorgen. Schon die Art und Weise, wie die­ser Freund angeschaut wurde (und dann ich), verschlug mir den Atem. Wider­wil­lig wurde uns dann eine Packung Pflaster verkauft, und Desinfektionsspray sei gerade "aus", beschied man uns. Es fiel kein Wort, alles lag in Blicken und Gesten, aber die Botschaft war klar. Hatte ich schon erwähnt, dass dieser Freund keinen weißen Teint hat?

Ein Düsseldorfer Strafverteidiger beschrieb eine weitaus heftigere Parallelszene: Mitte April, ein Mann wirft abends einen Umschlag in den Briefkasten des Bun­des­ver­fas­sungs­gerichts. Er wird daraufhin von einem Polizisten angesprochen, der wis­sen will, was er da eingeworfen habe. Der Einwerfende soll darauf ge­ant­wor­tet haben: "Das geht Sie nichts an." Wenig später findet er sich am Boden in Hand­schel­len wieder. Der Einwerfende ist Jurist, er hat dunkle Hautfarbe.

Zurück in die Apotheke. Mir reichen Blicke und Gesten. Hätte ich mir den Finger an­geritzt, der Apotheker hätte mir (wie bereits einmal geschehen) höchst­per­sön­lich aus dem "Hausapothekenbestand" seines Unternehmens etwas auf die Wunde gesprayt und mir ein Pflaster geschenkt. Zu den bösen Blicken kam die totale Ab­wesenheit jeg­li­cher Hilfsbereitschaft.

In Frankreich heißt das einzige, dessen sich dieser Freund und der Jurist schuldig gemacht haben, un délit de sale gueule, ein Schmutzige-Fresse-Delikt.

Ein anderer Kumpel, er stammt aus Unna, ist Professor und hat den hellen Teint seiner nord­fran­zösischen Mutter, fährt immer mit einem besonders großen Zeit­puf­fer zum Flug­hafen. Denn jedes Mal wird er besonders genau überprüft. Seinen Namen würde man eher dem arabischen Raum zuordnen. Leider hilft seit nine eleven nicht mehr, wenn er einfach drauf­los­redet, wobei sein Ruhrpottdeutsch schon sehr gut kommt.

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 5. Mai 2014

Begleitdolmetschen

Guten Tag oder Abend! Sie le­sen in ei­nem Ar­beits­ta­ge­buch. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in und spreche für Politiker, Künstler, Wirtschaftsbosse und diverse Ver­tre­ter der Zi­vil­ge­sell­schaft, aber auch für Privatkunden.

"Bulimisches Lernen", nennt das meine Schwester: Rasch alles in sich hin­ein­schau­feln und dann sehr schnell wieder abgeben.

Metallbüchsenaufschrift: Frisch gerösteter Kaffee
Nur nichts anbrennen lassen?
So lassen sich Sonntage auch ver­brin­gen: Vom Brunch mit Freunden weggeholt, an den Schreibtisch geschickt, damit ich ei­nen Tag später Gespräche zur Vor­be­rei­tung einer Messe ver­dol­met­schen kann.

Die Dolmetschart, die hier zur Anwendung kommen wird, heißt Be­gleit­dol­met­schen, oft wird dabei halb simultan, halb kon­se­ku­tiv übertragen. In der Regel arbeiten wir Dolmetscher an solchen Tagen allein, denn zwischen den einzelnen Terminen, die oft nur 30, 40 Minuten lang dauern, gibt es Wege- und Fahrtzeiten, in denen sich das Hirn ausruhen kann. Meistens jedenfalls. (Wenn wir nicht gerade als menschlicher Navi den Chauffeur durch Baustellenberlin lenken.)

Eine Unilehrerin für Englisch nannte dieses Begleitdolmetschen übrigens zu un­se­rem großen "Amüsemang" einst elbow interpreting. Hier interpretieren keine Rönt­gen­är­zte für den Konkurrenzkampf strategisch relevante Körperteile, sondern unsereiner sitzt coude à coude ("Ellenbogen an Ellenbogen") neben dem Kunden.

Der andere englische Begriff brachte auch einige zum Kichern, denn "Be­gleit­dol­met­schen" heißt wörtlich übersetzt escort interpreting. To escort heißt "be­glei­ten", andere Nebenbedeutungen entstehen im Kopf des Lesers und haben mit der Arbeit der Autorin dieser Zeilen nichts zu tun. Wobei ... Zu Be­ginn mei­ner Dol­metsch­tä­tig­keit habe ich meinen Lebenslauf allen möglichen Agenturen geschickt und durfte erstmal Fragebögen ausfüllen. Daraus haben sich etliche Jobs ergeben, bis ich genügend Direktkunden gefunden habe. (Heute arbeite ich im Netzwerk mit erfahrenen Kollegen und höchst selten für Agenturen, da ein Gros von ihnen nur Makler von Dienstleistungen sind und als Fachfremde oder -ferne unsere In­ter­es­sen nicht fördern.)

Damals lud mich eine Agentur zu einem Vorstellungsgespräch ein. Es war eigentlich keine Dolmetschagentur, sondern eine Veranstaltungfirma, die bis heute eng mit einer namhaften Agen­tur aus Berlin verlinkt ist (die sich wiederum leider auf ihren Web­seiten als Netzwerk präsentiert, nach Informationen früherer Mitarbeiter aber keines ist). Zurück zum Vorsprechen. Ich fuhr also ins tiefste Ostberlin und durfte mich bei einer Tasse Kaf­fee fragen lassen, ob ich denn bei Einsätzen z.B. für In­dustriekunden im Aus­land auch ...naja, auch mal offenherzig sei. Auf meinen ent­setzten Blick hin kam et­was à la derlei werde zum Feiern großer Deals erwartet und es werde auch groß­zü­gig vergütet.

Ich weiß leider nicht mehr, was meine Antwort war. Im Zweifelsfall aber erlebte ich meine Schlagfertigkeit frei nach Mark Twain als etwas, das einem einfällt, wenn man den Ort des Ge­sche­hens gerade wieder verlassen hat.

In Sachen harmloserer Grenzüberschreitung hatte ich bislang nur einmal den Fall, dass mich ein (mir zuvor bekannter) Kunde bat, mit ihm auf die Hochzeit seiner Ex zu gehen. Er wollte dort nicht ohne weiblichen Begleitschutz hin und seine Neue, eine Dolmetscherin, hatte ihn gerade verlassen. Da mir der Kunde sympathisch war und die Hoch­zeit völlig außerhalb meiner sozialen und geografischen Kreise statt­fand, habe ich mich darauf eingelassen, drei wunderbare Tage verbracht — und einen guten Be­kann­ten gewonnen. Aber das ist |eine andere Geschichte| ein an­de­res Drehbuch.

Panoramaschwenk über die Pariser Messe
Messe Paris
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Foto: C.E. (Archiv)

Sonntag, 4. Mai 2014

Durchblicke

H­allo! Hier bloggt eine Sprach­arbei­ter­in. Was Fran­zö­sisch­dol­met­scher und -über­setzer umtreibt, wenn ihre Arbeitsschwer­punk­te Wirtschaft, Politik, Soziales und Kultur sind, lesen sie hier. Da­ne­ben arbeite ich auch mit der eng­li­schen Spra­che.

Genaues Hinsehen, neue Einsichten und Erkenntnisse gewinnen und Licht und Farben genießen, kurz: Sonntage stehen für Entspannung und Wissenszuwachs.


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Foto: C.E.

Samstag, 3. Mai 2014

Gerichtsdolmetschen heute

Hallo! Hier lesen Sie täglich außer freitags Neues aus der Dolmetscherkabine, vom Übersetzerschreibtisch und aus der Welt der Idiome ... völlig subjektiv gefiltert von mir, einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache. Samstags veröffentliche ich hier immer meinen "Lieblink". 

Der Landesverband Bayern des Verbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) hat Ende 2013 eine Gerichtsverhandlung simuliert, um die Arbeit der Ge­richts­dol­met­scher zu verdeutlichen. Bei Gericht habe ich nur selten gedolmetscht, und vor allem bei sehr kurzen Befragungen. Kolleginnen und Kollegen nannten den Film sehr realistisch.



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Film: BDÜ e.V.

Freitag, 2. Mai 2014

Zeichen zählen

Willkommen, bienvenue, welcome! Sie lesen in einem elektronischen Ar­beits­ta­ge­buch einer Sprachmittlerin. Ich übersetze und dolmetsche in Berlin, Paris und dort, wo mich meine Aufträge hinführen.

In anderen Ländern werden Über­setzungen meistens nach der An­zahl von Wörtern ab­ge­rech­net. Wir Deutschen lieben wei­ter­hin das Abrechnen nach An­schlä­gen, denn es ist nicht schön, sich vorwerfen lassen zu müssen, man sei im in­ter­na­tio­na­len Vergleich doch recht teuer.
Die Gründe dafür liegen in der deutschen Sprache.

Der "Fußbodenschleifmaschinenverleih" heißt auf Englisch ground floor grinding machine rental und auf Französisch magasin de location de ponçeuses pour sols.

Fußbodenschleifmaschinenverleih: ein Wort, 31 Zeichen Inklusive Leerzeichen. magasin de location de ponçeuses pour sols: sieben Wörter, 42 Zeichen inklusive Leerzeichen
Anschläge inklusive Leerzeichen
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Illustrationen: Wikicommons, Excel

Donnerstag, 1. Mai 2014

Tag der Arbeit

Bon­­jour, hel­­lo und sa­lut ... auf den Sei­­ten die­­ses Blogs. Hier schreibt eine Dol­­met­­scher­­in und Über­­setzer­in über ihren All­­tag in Ber­­lin, Paris, Köln und dort, wo sie gebraucht wird.

Geduld und Kleinteiligkeit zeichnet manche mechanische Aufgabe aus, aber auch das Schleifen an einer Übersetzung. Daher gefiel mir dieser kontemplative Film zum Tag der Arbeit sehr.

Leica hat diesen Meditationsfilm als Werbung ins Netz gestellt. 45 Minuten lang lässt sich hier beobachten, wie ein Alukorpus von Hand geschmirgelt und auf Hoch­glanz gebracht wird. Ganz gewiss weder happy snap (Schnappschuss) noch quick fix (Sofortlösung): 4.700 kleine Bewegungen sind nötig, um so ein Ka­me­ra­ge­häu­se zu bearbeiten.

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Film: YouTube