Donnerstag, 13. Februar 2014

Berlinalegeflüster: Frühling!

Will­kom­men auf mei­nen Blog­sei­ten aus der Welt der Spra­che. Meine Fach­ge­bie­te sind Wirt­schaft, Politik, Soziales, Kultur und Film. Dieser Tage habe ich viel mit der Berlinale zu tun.

So warm wie diese war noch keine Berlinale. Den Mitbewohnern der seit Jahren bewährten Berlinale-WG geht die saubere, nicht allzu win­ter­li­che Wä­sche aus.

Die Berlinale-WG ist ein wesentlicher Bestandteil meines Filmfestivals. Während ich sonst immer morgens den neuesten Festivalflurfunk beim Frühstück erfahren durfte, weil ich mich überwiegend in Dolmetschkabinen und der Festivalbühne rum­trieb, lerne ich dieses Jahr, in dem sich die Aufgaben verändert haben, an der alten Stelle immer Neues, weil ich tagsüber in Hotelsuiten dolmetsche oder klei­nen Ta­gungsräumen, die Filme in der Küche im Streaming sehe oder im Ar­beits­zim­mer Vertragswerke übertrage, als wäre derzeit am Potsdamer Platz nichts los.

Dort, im Hyatt, können die Produzenten morgen wie geplant ihren Vertrag in zwei Fassungen unterzeichnen; "meine" französischen Verleiher indes sind heute schon abgereist und haben mir für mein privates Sehinteresse eine kleine Liste mit guten Filmen verehrt. (Sie wurden übrigens fündig und haben 1,5 Streifen gekauft.)

Es ist Frühling. Ein Tag im Mai ... dreisprachig.
Nun plane ich mein Fil­me­sich­tungs­wo­chen­en­de im Kino, bei dem ich für die Arbeit mög­­lichst viele fran­zö­sisch­spra­chi­ge Filme nachholen möch­te. Denn jene, die ich sehen durf­te, nähr­ten in mir ei­nen Ver­­dacht: Gerade schei­nen sich et­li­che Franzosen in Film­din­gen selbst zu suchen; sie re­ku­rieren oft auf film- und fo­to­gra­fie­ge­schicht­li­che Ele­men­te.

Noch nie sind mir so viele Polaroidbilder, Schrifttafeln wie zu Stummfilmzeiten und filmhistorische Anspielungen aufgefallen, sogar Georges Mé­liès taucht in einem Werk auf. Ist diese Häufung Zufall? (Oder gilt das derzeit auch für die Ci­ne­ma­to­gra­fien anderer Länder?)

Hier noch die Antwort auf eine Frage, die mir zugeschickt wurde. Wie das denn jetzt im Festivalpalast mit den Untertiteln gelöst werde, möchte eine Leserin wissen, wo ich doch vorgestern provokativ meinte, dass Deutsch und Französisch dort jetzt zu den Minderheitensprachen gezählt werden dürften: So wie auf dem Bild wird das gelöst. Es gibt zwei Zeilen Untertitel, eine davon auf Deutsch, auch die Pres­se­kon­fe­renzen werden noch in die deutsche Sprache verdolmetscht und in der Kin­der­film­sek­tion ist sie auch noch nicht tot. Sonst aber. Schon Teenager müs­sen so gut Englisch können, dass sie mit den Originalfassungen klar­kom­men.

Als Konferenzdolmetscherin mit der C-Sprache (passive Sprache) Englisch kann ich sagen: Auch ich verstehe oft die entscheidenden 5 % nicht. Zwischen dem Englisch, das in armen Gegenden der USA gesprochen wird und dem, was in Neuseeland oder Irland zu­hau­se ist, bestehen himmelweite Unterschiede. Es gab Filme auf der Berlinale, da wusste ich noch einigermaßen, worum es ging. Ein Journalist, der mal neben mir saß, kommentierte die Sache so: "Ich habe einfach nur die Bilder ge­nos­sen". Und am Ausgang wollte ein anderes Mal eine Frau, die mich aus früheren Jah­ren noch kannte, mehr von mir wissen. Wir rätselten gemeinsam weiter. Sie un­ter­richtet übrigens an einem Gymnasium — sorry, den Gag kann ich uns jetzt nicht ersparen, es ist das Fach Englisch.

Die Doppeltitel gibt es leider nur für Wettbewerbsfilme. Diese "Si­mul­tan­fas­sung" ken­ne ich seit Jahren aus Cannes. Das simultane Einsprechen ist in Südfrankreich schon vor Jahren eingestellt worden. Von französischsprachiger Seite habe ich da­zu, dass auch in Berlin nicht mehr eingesprochen wird, viele kritische Stimmen gehört. Nehmen sich die Einkäufer, Dramaturgen, Film­tech­ni­ker, Journalisten und Co. am Ende auch die Zeit, ihre Meinung in geschriebener Form mit­zu­tei­len, oder fürchten sie, derlei würde ohnehin nichts ändern? Viele, auch Deut­sche, wünsch­ten sich für die englischsprachigen Filme einfach englische Un­ter­ti­tel, die viel­leicht auch den Slang ein wenig übertragen könnten.

Aber mit dem Wünschen fange ich jetzt lieber nicht an. Die Liste würde zu lang werden. Dass das Berlinalewetter gerne dauerhaft warm bleiben darf, gehört sicher dazu. Es war an warmen Tagen viel an­ge­neh­mer als an kühlen Tagen in Cannes, obwohl dieses Festival bekanntlich im Mai statt­fin­det.

Nostalgie stellt sich unter den Verbliebenen in der Berlinale-WG ein, sogar schon für diese Woche: Das Festival ist so gut wie zu­en­de, beim Filmmarkt werden die Stände abgebaut. Ansonsten hat in diesem Jahr unsere Berlinale-WG nicht nur die Filmabspielstätte "Küche" hin­zu­ge­won­nen, sie ist jetzt auch Waschsalon und PR-Bü­ro fürs Filmdolmetschen, denn morgen treffe ich zu dem Thema eine Jour­na­listin. Jedes Jahr verändern sich die Aufgaben, und das ist schön!

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Foto: C.E.

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