Montag, 21. Oktober 2013

Kabinenschätzchen

Hallo! Hier schreibt eine Über­­setz­er­­in und Dol­­met­­scher­­in für die fran­­zö­­si­­sche Spra­che. Ger­ne schrei­be ich die Typo­logie der ge­neig­ten Kundschaft fort. Heute: Das männliche Boxenluder der Damen in der Dolmetscherkabine (oder so).

White collars mit Kopfhörern
Für manchen Kunden dol­met­schen wir schon lange, für die­sen seit acht Jahren. Die Firma transportiert sper­ri­ge Dinge auf di­ver­sen We­gen quer durch Europa und darüber hinaus. Ab und zu darf eine von uns mit zur Messe, zweimal im Jahr trifft sich der Betriebsrat. Nun, nach so vielen Jahren hat jede von uns ihr "Schätzchen" beim Event.

Und eh' ich's vergesse, die Firma hat auch mit großen Schiffen zu tun. Nicht, dass wir uns jetzt missverstehen, von wegen in jedem Hafen einen Bräu­ti­gam oder so. Denn nicht jede hat ihren Liebling, Maarten ist unser aller Liebling. Gerne verrate ich, warum.

Maarten, der natürlich anders heißt, ist, sagen wir mal, Werksleiter eines "Hubs" (Drehkreuzes) irgendwo im Nordosten Europas, er stammt aber aus Holland. Vorher war er mal in England, möglicherweise aber auch nur für ein Erasmus-Jahr. Er ist erst Ende 30 und hat sehr schnell Karriere ge­macht. Er hält sich nicht nur für einen begnadeten Werksleiter und Ingenieur, sondern auch für in Sprachdingen besonders talentiert.

Wenn Maarten loslegt, bleibt kein Auge trocken. Sein Deutsch klingt wie das von Rudi Carell, nur dass bei unserem Schätzchen auf jeden Fall in jedem einzelnen seiner Sätze das gewisse Moment "Überrrraschung!" drinsteckt. Maarten fängt also an, spricht von Mitarbeiterqualifizierung, ist plötzlich bei multimodalen Trans­por­ten, springt zu einer neuen, von ihm mitkonstruierten Entladerampe und ver­hed­dert sich bei irgendwelchen neuen Lizenzrechten in [unverständlich]. Wenn Maar­ten vorträgt, weiß man nie genau, welche Sprache er gerade spricht, Eng­lisch, Fran­­zö­sisch, oder ist es nicht vielleicht sogar Deutsch (wie eigentlich an­ge­kün­digt)? Er gibt Gespräche mit einem Kollegen aus Brighton auf Englisch wieder, zitiert eine fran­zö­si­sche Fachzeitschrift und springt zurück zum Thema Mit­ar­bei­ter­füh­rung und -qua­li­fi­zie­rung (wir wissen nicht, in welcher Sprache er diese Kenntisse erworben hat).

Und um die Chose noch schöner zu machen, spricht Multimodal-Maarten wie gesagt nicht nur mit starkem Akzent, sondern auch noch leise und undeutlich. Will er et­was auf dem Bild seiner PowerPointPräsentation erklären, wendet er sich nicht etwa an sein Publikum, nein, er erklärt der Leinwand in stillem Zwiegespräch, worum es geht.

Ach, Maarten. Wenn du wüsstest, dass dich zu verarzten bei uns immer schön im Kreis geht, wobei die Novizinnen eine, zwei Veranstaltungen Karenzzeit erhalten. Es ist echt zum Heulen. Denn natürlich haben wir dir wiederholt durch die Blume die Meinung gesagt.

Die anderen Teilnehmer trösten uns übrigens hinterher. Sie würden ihn auch nicht richtig verstehen, sagen sie, und wundern sich stets, dass wir doch immer noch etwas zu verdolmetschen finden. Ein echtes Kabinenschätzchen eben, unser lieber Maarten: Ohne ihn würde unsere Talente gar nicht auffallen.

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Foto: C.E.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist wirklich zum Schießen!! Und so wahr :)) Vielen Dank für diese sehr erheiternde Geschichte und viele Grüße aus dem sonnigen Heidelberg - Nina

caro_berlin hat gesagt…

Hm, dabei vergaß ich sogar zu erwähnen, dass Maarten auch noch sehr nachlässig ist, was das rechtzeitige Zusenden möglichst aussagekräftiger Vorlagen für seinen Beitrag angeht.

Sonnige Grüße nach Heidelberg,
Caroline

Anonym hat gesagt…

Oh ja, aus dem Leben gegriffen!
Dir wünsche ich möglichst wenig modulare Maartens nächste Woche - und komm' bald wieder!
Gruß,
A.