Montag, 30. September 2013

Patente Lösung

Hallo! Sie le­sen in ei­nem Ar­beits­ta­ge­buch. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in mit den Schwer­punk­ten Po­li­tik, Wirt­schaft, Ge­sell­schaft und Kul­tur. "Wir Dol­met­scher über­tra­gen aus dem Rückenmark", sagte Dolmetscherkollege Vincent neulich, will sagen: Wir haben einen direkteren Zugang zum Hinterkopf als andere — und der arbeitet irgendwie ständig. 

Manchmal träume ich Lösungen zu Problemen, die sich mir gar nicht stellen. Sonn­tag­morgen, im Halbschlaf. Am Samstag hatte ich Untertitel für einen Film er­stellt, der auf den Französischen Filmtagen Tübingen läuft. Im Traum war ich in die Zu­kunft gereist, und zwar auf den Talent Campus der Berlinale. Hier treffen sich pa­ral­lel zum Festival junge Filmmenschen mit Ex­per­ten.

Arbeitssprache war Englisch, glaube ich zumindest. Es war süß zu beobachten, wie etliche der jungen Leute mitten im Dritt- oder Viertspracherwerb steckten, of­fen­sicht­lich alles verstanden, aber nicht gleich antworten konnten. Sie taten es un­ge­zwungen in ihrer Muttersprache. Ins Bild eingeblendet wurden "Si­mul­tan­un­ter­ti­tel".

Simultanuntertitel gibt es noch nicht standardmäßig. Erste Liveuntertitelungen werden aber heute schon gesendet, z.B. im TV-Sport, das sind Programme für Hör­ge­schä­dig­te. Sie entstehen als Mischung von elektronischer Spracherkennung und Korrektur durch Menschen. Das ließe sich schon heute mit fremdsprachigen Si­tu­a­tio­nen ver­bin­den, also Ver­dol­met­schun­gen mit Spracherkennung und "Dik­tier­soft­ware" umsetzen. Eines ist aber klar: Mensch­li­che Spra­che ist zu komplex und zu unperfekt für eine vollständige Au­to­ma­ti­sie­rung, das wird auch in Zukunft gelten.

Sonntagmorgen war mein Traum-Ich allerdings verwundert. Ich schaute doch gar nicht fern! Ich saß mitten im Geschehen ... Ich verdächtigte die Lehne des Sitzes vor mir, die Laseruntertitel zu senden. Durch ein an einer Stelle etwas fettiges Brillenglas sah ich aber die Lichtstrahlen der Titel.

Zwei Gedanken. Erstens: Was ist mit jenen, die in der ersten Reihe sitzen? Zweitens: Was ist, wenn ich zur Seite sehe? Ich sah zur Seite und nach unten. Die Untertitel saßen immer akkurat am "unteren Bildrand" und wurden holografisch in den Raum projiziert. Ich fasste mir an den Kragen. Da saß genau über der Kuhle zwischen den Schlüsselbeinen ein winziges Kästchen, mit Clips festgemacht.

Die Autorin dieser Zeilen 2013 und vielleicht in 30 Jahren
(aber bitte die Haare etwas weniger grün)
Aber woher weiß das Gerät, dass ich gerade den Kopf gedreht habe? Ich fasse mir an den Hinterkopf. Unten auf der Höhe des Bogens des Os occipitale sitzt ein winziger Haarclip.
(Mein Nebensitzer, der seinen Schädel glattrasiert trägt, trägt das Teil mit einem kleinen Pflaster befestigt.)

Entspannt lehne ich mich zurück. Die Titel lehnen sich mit zurück. Das bedeutet, dass auch beim Festival alle Filme im Original laufen können und jeder Zuschauer seine eigene Untertitelung in der Sprache seiner Wahl erhält. In den Dol­met­scher­ka­bi­nen sitzen wir Dolmetscher zudem mit mehrsprachiger Filmdeskription für Menschen, die nichts oder sehr schlecht sehen können.

Vielleicht werden die Berlinale-Diskussionen ja sogar wieder auf Deutsch ge­führt. Auf jeden Fall ist das Filmfestival der Zukunft mehrsprachig und barrierefrei. Hm, wird es erst in 30 Jahren so aussehen? (Vorausgesetzt, die Menschheit kümmert sich endlich ums Klima und kriegt noch die Kurve!)

Wer diese Anregung zur Entwicklung eines Patents nutzen möchte: feel free.
(Ich würde mich allerdings sehr freuen, wenn bei Übernahme der Clip-Idee mein Name in dem Zusammenhang genannt werden würde.)


Hier noch der Link zur Diplomarbeit von Andrea Kraus zum Thema Live­un­ter­ti­te­lung, Uni Saarland, 2010
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Illustration: Me and myself im Jahre 2043,
Bild erstellt mithilfe eines Computerprogramms
des Face Research Lab der Universität Glasgow

Sonntag, 29. September 2013

unterwegs lernen

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs, dem ersten Web­log aus dem In­ne­ren der Ka­bine der Französischdolmetscher. Heute ist wieder Zeit für ein Sonntagsfoto.

Wie und wo wir lernen: Immer und überall, sogar im Reisebus. Wir waren mit Berg­bau­leu­ten und Stu­den­ten zu einer Salzlagerstätte un­ter­wegs.

Und morgen reise ich 30 Jahre in die Zukunft! Und |Dienstag oder Mittwoch| Donnerstag erkläre ich, wie das mit den Karteikarten geht.


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Foto: C.E.
Wird das Foto in einem neuen "Fenster"
geladen, lässt es sich vergößern.

Freitag, 27. September 2013

Ein Meter pro Minute

Was Dol­­­met­­­scher und Über­­­setzer ma­­­chen, ist der brei­­­ten Öf­­­fent­­­lich­­­keit oft nicht ge­­nau be­­kannt. Hier schrei­­be ich da­­rü­­ber. Heute: Von der Schwie­rig­keit, den Ar­beits­ort recht­zei­tig zu er­rei­chen.

Zu Einsätzen an unbekannten Orten brechen wir Dolmetscher früher auf als wenn wir das Ziel genau kennen, denn es gilt ja jeden unnötigen Stress ver­mei­den. Der Beruf bringt genug Adrenalinausschüttung mit sich.

Blick auf Rock, Knie, Teppich, Tisch, Rechner. Die Dolmetscher sitzen an der Wand mit Blick auf den Tagungsraum.
POV der Dolmetscherin: Arbeiten ohne Kabine
Als schwer trügerisch können sich Einsätze in Kon­gress­zen­tren erweisen, die von außen überschaubar groß wirken, wenn unsereiner im an­gren­zen­den Kongresshotel un­ter­ge­bracht ist, das ein Hoch­haus ist, will sagen: das sieht nach kurzen Wegen aus. So wie gestern.
Halb neun, eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn verließ ich das Ho­tel­zim­mer. 
Bei den Fahrstühlen standen schon einige Leute. Leider konnten wir uns die War­te­zeit nicht mit einem Blick aus dem Fenster verkürzen, denn die drei Fahr­stüh­le lagen im Kern des Gebäudes, das wohl aus den 1970-er Jahren stammt. Der Blick wäre sicher schön gewesen: Wir befanden uns im 13. Stock (von insgesamt 18 Etagen).

Den Fahrstuhl hatte ich bis dahin schon ca. sieben Mal seit meiner Ankunft am Vor­abend genutzt. Nie war mir an ihm etwas aufgefallen, naja, vielleicht hatte es am frühen Morgen etwas länger gedauert mit der Fahrt zum Frühstücksraum. Kein Wun­­der, war das Hotel doch gut belegt. Und jetzt? Immer wieder sahen wir ei­nen Lichtkegel durch einen der Schlitze zwischen den Türen aufblitzen. Jetzt war schlicht und ergreifend Check-out-time — und eine Reisegruppe schien das Hotel zu verlassen.

Kurz: Die Wartezeit auf den Fahrstuhl war mit elf Minuten ungewöhnlich lang.

Unten schnell die Chipkarte abgegeben, war ja alles bezahlt und keine Mi­ni­bar­nutzung, dann 20 Sekunden Fußweg zum Kongresszentrum, der direkte, groß aus­ge­schil­derte Zugang war der Seiteneingang. Am Vorabend hatte ich mich schon nach dem Weg er­kun­digt gehabt, dort sei ein Empfang, der werde sich kümmern, war die Aus­kunft ge­wesen. Aber ach, keine Menschenseele zu sehen, dafür ein Monitor wie auf dem Flug­ha­fen. Ein ge­fühl­tes Dutzend Veranstaltungen liefen hier parallel, auf der 2. Seite wurde auch "mein" Raum angezeigt: Nummer 25. Hin­weis­schil­der indes Fehlanzeige, ich bog auf gut Glück nach links ab (rechts war nur ein dunkler Gang) und suchte.

Plötzlich stand ein junger Mann neben mir, ein bübischer Blondschopf, er trug die Fantasieuniform des Kongresszentrums. Kurzer Informationsaustausch, dann sein: "Ich bring' Sie kurz hin!" Wie freundlich. Die nächsten gefühlten sieben Mi­nu­ten navigierte er mich zielstrebig durchs Labyrinth: Wir gingen an einem Restau­rant­be­reich vorbei, dann kam ein Gang, dann eine Halle, Treppe, Foyer, Gang, hier sind wir: "Blauer Saal" stand an der Tür.

Ich bedankte mich. Aber keine Spur von den Dolmetschkollegen und die Besucher trugen die falschen Namensschilder! "Vielleicht im 'roten Saal'?" meinte ein Ver­an­stal­tungs­gast. Der lag direkt daneben.

Das Sich-Umsehen hatte zwei Minuten, der erneute Ortswechsel 30 Sekunden ge­kostet. Es war inzwischen sechs vor neun. Der Empfang am 'Roten Saal' konnte mir selbst auch nicht helfen, winkte aber jemanden vom Haus herbei. Der nahm mich wieder in Schlepptau, Foyer, Treppe, erst die kleine Halle, dann eine große, der Haupteingang, hier saßen übrigens die versprochenen Hostessen am Empfang, Fahr­stuhl, dieser kam zum Glück sofort, zwei Stockwerke runter, Gang, Hin­ter­trep­pe wieder hoch, Brandschutztür, Gang, kleines Foyer, Raum 23, Raum 24, endlich Raum 25. (Ich stand unter Schock, es kann also eine Flurwindung mehr oder we­ni­ger gewesen sein.)

Die Kollegin steht hinter den Sprechern, um sie besser zu hören
Es war drei nach neun. Die anderen hatten be­reits an­ge­fangen. (*) Zum Glück sind wir immer zu zweit je Sprach­kombination. In Ber­lin wäre ich in den 30 Mi­nu­ten von mir bis zu Ver­an­stal­tungs­or­ten am Alex ge­langt und hätte noch einen Puffer ge­habt. Hier habe ich diese Zeit für ge­fühl­te 30 Meter ge­braucht. Soll ich den Na­men der Stadt sagen?

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Fotos: C.E. (*) Die anderen hatten sich am Vortag ver-
laufen, nur ich war (als Vertretung) neu am 2. Tag.
(Erbitte Vorwarnung beim nächsten Mal!)

Mittwoch, 25. September 2013

Aus Togo

Hal­lo auf den Sei­ten mei­nes Dol­metsch­er­blogs. Hier be­rich­te ich aus meinem Berufsalltag als Übersetzerin und Dolmetscherin, meine Hauptarbeitssprache ist Französisch. Ein- bis zwei Mal im Monat schaue ich zurück.

Als ich die Leuchtschrift in den Augenwinkeln wahrnehme, muss ich umgehend den Rückwärtsgang einlegen und sie fotografieren. Super! Denn Kaffee "aus Togo" hatte ich doch schon mal, und zwar 2011: klick!

"Haben Sie nur Togo oder auch Arabica?" 

Die Schreibung hier sieht aber noch ein Stück "exclusiver" aus: Caffee, und nicht Coffee oder Kaffee oder Café. Bei genauer Betrachtung liegt's aber nur an der Form des "f".

Leuchtschrift "Caffee togo": unscharf, hell überstrahlt, scharf

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Fotos: C.E.

Dienstag, 24. September 2013

Kraftfutter

« Bienvenue !» Sie haben die Arbeitstagebuchseiten einer Übersetzerin angeklickt, die daneben in Berlin und anderswo für Politik und Wirtschaft, Kino und Kultur als Französischdolmetscherin tätig ist. Hier denke ich regelmäßig über meine Arbeit und ihre Grundlagen nach.

Das Bild vom Hoch­leistungs­gaul habe ich hier schon wie­der­holt bemüht. Wir Dol­met­scher leisten oft sehr viel, be­son­ders auf mehrtägigen De­le­ga­tions­rei­sen. Denn da kann pas­sie­ren, dass nur ein Sprach­mensch für die Ver­mitt­lungs­ar­beit zuständig ist. (*) Ohne re­gel­mä­ßi­ges sportliches Training und gute Ernährung wäre das nicht zu machen.

Aber auf meine Dienstreisen kommt selten gesondertes "Kraftfutter" (aliment con­cen­tré oder fourrage fortifiant) ins Gepäck. Ich bin halt doch kein Renn­pferd. Bei mir regelt sich das über die nor­ma­le Lebensführung: Walnüsse sind wichtig in mei­nem Ernährungsplan, Obst am Mor­gen je nach Jahreszeit, am liebsten Beeren und Trauben, Müsli mit Leinsaat, Kleie, selbstgeschrotetem Einkorn (oder Kamut oder sonstige Urgetreiden, auf die re­a­gie­re ich weniger allergisch) als 2. Frühstück, einmal in der Woche Fisch, viel Ge­mü­se und Hülsenfrüchte, schonend gepresstes Lein- und Olivenöl, Sa­lat, selbst­ge­zogene Sprossen, wobei Alfalfa (Luzerne) mein Favorit sind.

Für den Hunger zwischendurch (oder wenn uns Kunden im Kabuff vergessen, alles schon erlebt) habe ich immer Fruchtschnitten dabei sowie Assistentenfutter, dem ich Kürbiskerne beimische. Und überhaupt viel trinken (Wasser, grüner Tee, Mate, Kefir) und noch viel mehr Schlaf.

Mit gesonderten Kräuterlein zur Leistungsförderung kenne ich mich nicht aus. Noch nicht, vielleicht wird das ja mal. Möglicherweise bekomme ich noch Tipps von Kolleginnen und Kollegen. Aber es eilt nicht.

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Foto: C.E. (gesehen in Hamburg)
(*) mit vielen Pausen natürlich ...

Montag, 23. September 2013

Wahlen sind sexy

Willkommen auf der Seite einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin aus Berlin. Hier können Sie Einblicke nehmen in unseren Alltag. Dieses Ar­beits­jour­nal ist der Ort, an dem ich über die Hintergründe unserer Arbeit nachdenke. Heute: Sex und Politik.

Wahlkabine auf Schultisch, darunter blickdichte, schwarze Strümpfe und schwarze Stiefeletten.Ganz neue Erfahrungen macht Deutsch­land: Wahlen können auch sexy sein. Da hebt ein Kan­di­dat den ausgestreckten Mit­tel­fin­ger, als er nach Beleidungen der eigenen Person ge­fragt wird, und plötzlich gerät die Geste ge­trennt von allem in Umlauf und die "Rau­te" der Amtierenden wird als sexuelles Symbol gedeutet, der Finger als Ko­a­li­tions­an­trag in­ter­pre­tiert.

Dann höre ich auf einer deutsch-fran­zö­si­sche Diskussion, dass hierzulande wohl die "Enthaltsamkeit" das Hauptproblem sei. Wofür? Für die geringe Geburtenrate? Aber nein: für die in den letzten Jahren geringe Wahlbeteiligung.

Der Prozentsatz jener Wahlberechtigten, die gestern wirklich wählen gingen, ist im mathematischen Mittel wohl leicht angestiegen, nur in meinem Neuköllner Wahl­lo­kal lag er bei schlappen 51,3 %. Die Einwohner des Arbeiterbezirks, Renter, Mi­gran­ten und Hipster aus aller Welt sowie Normalos wie wir, erwiesen sich als deutlich "enthaltsamer" als der Restbezirk.

Gehen wir davon aus, dass außerdem die Hälfte der Einwohner ausländischen Ur­sprungs ist und sich deutlich zahlreicher re­pro­du­ziert als die Passinhaber, war vielleicht jeder Fünfte derjenigen bei der Wahl, denen ich täglich auf dem Markt oder der Uferpromenade begegne. Es ist höchste Zeit, un­ser Wahl­ge­setz der Wirk­lich­keit anzupassen. Die Demokratie ist noch nicht 'in der Mitte der Gesellschaft' angekommen.

Weitere merkwürdige Worte vernehme ich. Bei einem anderen "Rundtischgespräch" zur Wahl (den reichlich komischen Begriff kenne ich noch aus der DDR) wird be­klagt, die Deut­schen seien sehr "nabelbezogen". Bei "Bauchnabel" muss ich im­mer an die "Blech­trom­mel" denken, Stichwort: Nabelbrause. Der Vokabel "na­bel­be­zo­gen" liegt le nombrilisme als Nomen zugrunde, also alles, was mit Nabelschau zu tun hat.

Zum Glück war es am Wahltag noch nicht richtig herbstlich kalt. Bauchnabelfrei war jedenfalls nicht angesagt, die Dame in der Kabine trug ein gestricktes Woll­kleid.

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Foto: C.E.

Sonntag, 22. September 2013

Wahltag

Will­­kom­­men auf den Sei­­ten ei­­ner Dol­­met­­scher­in für die fran­­zö­­si­­sche Spra­­che (und aus dem Eng­­li­­schen). Hier den­ke ich über den Ar­beits­­all­­tag in Ka­­bi­ne und am Über­­setzer­­schreib­­tisch nach. Einmal in der Woche ist hier Platz für meine Sonn­tags­bilder.

Heute in der Zeitung gelesen: "Treffen sich ein Walfisch und ein Thunfisch. Sagt der Walfisch: was sollen wir tun, Fisch? Antwortet der Thunfisch: du hast die Wahl, Fisch."

Als ich zur Wahl eine Schule in Neukölln betrat, saß ein eleganter, älterer Herr mit dunkler Haut auf dem Gang und grüßte freundlich. Als ich das Gebäude verließ, ging er gerade mit seiner Frau wenige Schritte vor mir aus dem Haus. Sie durfte wäh­len, sieht aus, wie man sich eine ältere Berliner Dame vorstellt, er nicht, obwohl er sicher den Großteil seines Lebens hier verbracht hat. Ich stelle mir ei­nen Dialog vor: Was hast du gewählt? — Wir haben wie besprochen gewählt.
Hier ist noch viel politische Arbeit nötig!

Da ich wiederholt bei fran­zö­si­schen Wahlen gedreht oder gedolmetscht habe (*), ist mir wie immer an der Urne ein Unterschied zu Deutsch­land aufgefallen. In dem Moment, wenn der Stimmzettel in die Urne gleitet, ruft nämlich der französische Ur­nen­schlitz­zu­hal­ter: A voté ! (hat gewählt). Dann erst wird der Name des Wählenden abgehakt.
Früher durfte ich in Neukölln in einer echten Eckkneipe wäh­len. Im Hauptraum wurde geraucht, im Hinterzimmer standen die Urnen, das sprich­wört­liche "Wahllokal"! Und dann hätte ich noch eine pikante Wahlanekdote in petto, die ich aber nicht ver­ra­ten darf, wirklich nicht. Die bringe ich dann später in meinen Memoiren!

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Fotos: C.E.
(*) In einem ersten Berufsleben war
ich Journalistin

Samstag, 21. September 2013

the wormery

Will­­kom­­men auf den Sei­­ten mei­nes sprach­­be­­ton­­ten Blogs aus der Dol­­met­­scher- und Über­­setzer­­ar­beits­­welt! Am Wochen­en­de gibt's hier die we­­nigsten Le­ser hier, da­­her kann ich jetzt über Dinge schrei­­ben, die man­che viel­leicht als un­ap­pe­tit­lich em­­pfin­­den mögen. Also: Ames sen­sibles s'abste­nir! Nichts für schwache Nerven! 

Von der "Pflegeanleitung" für Dolmetscher zur "Pflegeanleitung" für Kom­post­wür­mer ... denn ich dolmetsche nicht nur Termine zu aktueller Politik, Wahlen, Wirt­schaft, Bildung und Kultur. Letztes Jahr habe ich zum Thema Bi­o­kunst­stof­fe ge­arbeitet, meine daraus abgeleitete Erkenntnis, Plastikmikrofasern sind das As­best des 21. Jahrhunderts, können Sie hier nachlesen.

Der liebe Gott weiß, wie man fruchtbare Erde macht ... 
Auch die Themen Abfallwirtschaft und Design beschäftigen mich regelmäßig. In Vor­be­rei­tung eines Termins zum Thema Kreislaufwirtschaftsgesetz vs. in­di­vi­du­el­le Kom­postie­rung darf ich mich (in drei Sprachen) dazu vorbereiten, wie or­ga­ni­scher Müll ohne großen technischen Aufwand auf kleinstem Raum recycelt werden kann. Das geht über das Stichwort "Gartenkompost" hinaus, denn auch auf dem ei­ge­nen Bal­kon oder sogar in der Küche kann geruchsneutral kompostiert werden. Fachleute schätzen, dass 30 % des Abfallaufkommens zu hochwertigem Humus ver­ar­beitet werden könnten, das sind etwa zwi­schen 50 und 75 % der im Haushalt an­fal­len­den Bioabfälle.  

... und er hat sein Geheimnis den Regenwürmern anvertraut (*)
Kompostwürmer können durchschnittlich die Hälfte, bei guter Pflege bis zum Ein­ein­halb­fachen ihres Eigengewichts vertilgen. (Je nach Art und Alter wiegt so ein Würm­chen zwischen 0,6 und 1,6 Gramm.) Wer 30 Kilo Biomüll im Jahr (ohne Zi­trus­früch­te, Essensreste, Fett und Milchprodukte) regelmäßig einem mehr­stöcki­gen Wurm­kom­poster anvertraut, kauft nicht nur nie wieder Blumenerde oder Flüs­sig­dünger, er oder sie kann auch Nachbarn und Freunde versorgen, denn es entstehen jeweils etwas weniger als 10 Kilo Kompost, der dann der bestehenden Erde bei­ge­mischt wird.

Handelsübliche Blumenerde besteht in der Regel aus Torf. Bleibt die Nachfage un­ver­än­dert, sind die deutschen Torfvorräte in 20 bis 60 Jahren erschöpft. Schon jetzt kommt Torf oft aus dem Ausland, von LKWs herangekarrt; den Biomüll schaffen eben­falls schwer­ge­wich­tige Fahrzeuge aus der Stadt ... nichts scheint logischer, als die eigenen Abfälle selbst in "Gärtnergold" um­zu­wan­deln. Dass Kompost (gegen etliche Pflanzenwachstumsstörer) auch fungizid und herbizid wirkt, ist eine gute Drein­ga­be.
Und weil mich das Thema begeistert, habe ich sofort angefangen, das Gelernte in die Tat umzusetzen.

Noch bin ich Balkonkomposterin mit einer kleinen, improvisierten Versuchsanlage. Derzeit haben die ersten Gäste und ich nur ein Problem: Die Wahl ihres festen Wohn­hau­ses.

Die Plastikhütten, die es zu kaufen gibt, sehen nicht selten aus wie ein Hoch­spei­cher für giftige Substanzen und haben die Ausmaße eines halben Kleinwagens. Ganz normale Plastik- oder Holzkisten ließen sich auch umwidmen. Ich suche indes einen ästhe­tisch an­spre­chen­den Wurmkomposter aus Terracotta, der in der kalten Jahres­zeit in die Küche wandert und den ich mir wohl jetzt selbst basteln muss. Denn die in­di­schen Her­stel­ler von Tontöpfen liefern leider nicht nach Berlin. Was Architekten in Dublin ent­wickel­ten, wird hoffentlich bald in Serie gebaut. Und ich freue mich, dass of­fen­bar Nachwuchskräfte aus Frankreich das Thema zumindest theoretisch ent­deckt haben. Aber warten können wir nicht. Glücklicherweise fand ich im Netz auch eine Bau­an­lei­tung.

Die Angelegenheit ist übrigens geruchsneutral ... bzw. riecht maximal wie Un­ter­holz, denn es entsteht ja hier Humus. Kurz: Eine Biomüllsammeltonne stinkt, ein funktionierender Komposter nicht.

Mit Youtube kann ich denn auch in einen Wurmkomposter sehen, der in einer Kü­che im fran­zö­si­schen Angers steht, blicke einer Dame in Southwark auf den Balkon (Teil eines Stadt­teil­pro­jektes) und lerne lachend Details von britischen Wurm­gärt­nern, deren Hu­mor sich mir an manchen Stellen aber noch nicht zu 100 % er­schließt. Und sehr indiskret werden hier Würmer beim Reproduktionsgeschäft be­ob­ach­tet, tse, tse! (Minute 5'32'')

Résumé: Es gibt überraschend viel zum Thema, passt es doch haar­ge­nau zu einem anderen, von mir bereits wiederholt verdolmetschten Thema, das gerade "in" ist: dem urban gardening.

Und gleich noch ein Linktipp für Schüler zum Abfallthema: Arbeitsblätter des BMU.


Regenwurm vers de terre
Kaffeesatz coffee ground marc de café
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Foto: C.E.
(*) Le Bon Dieu seul sait comment on rend
la terre fertile et il a confié son secret aux
vers de terre.

Donnerstag, 19. September 2013

Merci beaucoup N° X

Hallo! Hier schreibt eine Über­setzer­in und Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche Sprache. Rechts finden Sie meine Kon­takt­da­ten, unten le­sen Sie No­tizen aus dem All­tag von Sprach­ar­bei­tern. Heu­te: Re­ak­tio­nen auf die­ses Blog.

Die ersten Korrespondenzen zur Berlinale reisen durch das Büro und werden über­setzt, desgleichen Unteritel für einen Film, der bei den Französischen Film­ta­gen Tübingen laufen wird. Außerdem: Drehbuchlektorat für eine süd­fran­zö­sische Film­pro­duk­tions­fir­ma. Und ich lese mich in ein neues Umweltthema ein, Kreis­lauf­wirt­schafts­ge­setz vs. individuelles Kompostieren. Dazu morgen mehr.

Heute möchte ich einen Kommentar zu meinem gestrigen Beitrag bringen, der mich sehr gefreut hat. (Kommentare werden oft nicht gesondert wahrgenommen, weil meistens Wochenseiten aufgerufen werden, daher mache ich ihn so sichtbar.)
Chère Caroline,

hier schreibt eine Kollegin! Vielen Dank für Ihre fast täglichen Ein­blicke in Ihren
— und damit unseren — Berufsalltag. Sie werben klug und mit Esprit für die Besonderheiten unseres Berufs.

Eine Anekdote möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Neulich hat sich ein Kunde geradezu lehrbuchhaft um uns Dolmetscher bemüht, vorab alle In­for­ma­tio­nen besorgt, wegen Technikdetails Rücksprache ge­hal­ten, vor Ort uns gleich mit Extranahrung versorgt (Stu­den­ten­fut­ter und Smoothies), in der Pause darauf geachtet, dass wir dieselbe nutzen können usw.

Am Ende der Konferenz haben wir uns für die besonders gute Be­hand­lung bedankt. Die Mitarbeiterin des Kunden war sichtlich über das Feed­back erfreut und sagte augenzwinkernd, sie habe sich die "Pfle­ge­an­lei­tung" aus dem Internet besorgt, es gebe da das Blog einer Berliner Französischdolmetscherin ...

Na, ist das was?
Gruß, derzeit aus Köln,
Ihre
N. (Sie wissen schon ... ;-)
Herz, Jugendstilblätter und -äste, Äpfel

Vielen Dank! You made my day! So, schnell weiterschreiben. Und übermorgen wird's tierisch.

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Illustration: openclipart.org (verändert)

Mittwoch, 18. September 2013

der Großdeck

Bienvenue beim Weblog aus der Dolmetscherkabine für die französische Sprache! Oft schreibe ich meine Einträge aber auch am Übersetzerschreibtisch. Immer weniger Deutsche lernen Französisch, lieben aber die Sprache und schrecken zugleich vor Fälschungen nicht zurück. Sogar wer beim Wort "Bett" an "Fran­zö­sisch" denkt, liegt hier rich­tig.

queen size — französisches Doppelbett
Es gibt ihn wieder, den Großdeck! Der deut­sche Kaf­fee­röster, der jede Woche eine neue Welt ver­kauft, hat wieder zu­ge­schla­gen und in sei­nen Pros­pek­ten die selbst­ge­schöpf­te Un­sinns­vo­ka­bel er­neut in Umlauf gebracht. Es reicht nicht, das Wort zu drucken. Stel­len wir uns fol­gen­den Dia­log vor.

Kundin: Ich hätte gern ein "Grangkuhwer", in "ohrahsch" bitte!
Verkäuferin: Das wird [ɡʁɑ̃ ku.vʁə] ausgesprochen!

Die Dame am Verkaufstresen wür­de damit großes Talent beweisen, was die Aussprache betrifft, aber sie hätte ihrem Arbeitgeber eine gefälschte Vokabel geglaubt.

Ein grand couvre-lit ist in der Tat ein großer Bettüberwurf. Der Kaffeeröster hat sich gesagt: Unser Tuch ist auch als Tischdecke oder Husse für einen Sessel ver­wend­bar, wir streichen mal kurz das Wörtchen lit für Bett, wird schon passen.

Nun ja. Sowas kommt dabei raus, wenn man Profis einspart. Inzwischen weist Tante Gugl 6150 Fundstellen für das Wörtchen nach. Ein Hamburger Modeanbieter, der sich selbst einen französischen Namen gegeben hat, übernahm die "Vokabel" vor einiger Zeit auch. Da drängt sich natürlich eine Frage auf: Wann wandert "grandcouvre" als Lehnwort nach Frankreich?

Zum großen Malheur der Kommentar eines Viellesers: "Der Großdeck ist ein ver­ba­ler Nichtangriffspakt: Die Deutschen zeigen sich versöhnlich, reichen den fran­zö­si­schen Nachbarn die Hand. Eine solche Vokabel ist friedensstiftend, denn wegen einer Tagesdecke zettelt niemand einen Krieg an. Deutsche, die so wenig Fran­zö­sisch können, sind nicht gefährlich." (Dank und Gruß in die Ulmenstraße!)

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Illustration:  C.E. (Montage mit Material
der Kaffeefirma). Dieser Beitrag ist eine böse
Fälschung. Hier das Original!

Dienstag, 17. September 2013

Twitterwand

Hal­lo! Sie ha­ben die Blog­­sei­te ei­ner Dol­­met­­scherin an­­ge­­steu­ert. Fran­zö­sisch ist mei­ne Haupt­spra­che, Englisch die Pas­siv­spra­che. Ne­ben dem Dol­­metschen über­setze ich auch ... und täg­lich lerne ich neue Wörter.

Podium, Publikum mit oder ohne Kopfhörer, Leinwand.
Vor den Wahlen beobachtet unsereiner die Debatten. Gestern hat das deutsch-französische Jugendwerk in der Kalkscheune eine Po­di­ums­dis­kus­sion ver­an­stal­tet. Thema "Jugend und Wahlen in Deutsch­land und Frankreich: Lust oder Frust?" Ich konnte die Stimm­bän­der baumeln lassen, denn in der Kabine saßen Kol­le­gin­nen.

Eigentlich hätte ich an diesem Tag an der Geburtstagskaffeetafel der Tante sitzen sollen, die war aber gesundheitlich nicht voll auf der Höhe. (Gute Besserung nach G.!)

So lernte ich eine neue Vokabel: Die Twitterwand, eigentlich aber auf perfektem "Deu­zö­sisch" le/die T/twitterwall: Was Nutzer des Internetdienstes Twitter veröffentlichen, wird zeitgleich auf eine Leinwand neben der Rednertribüne ge­wor­fen.

Dolmetscher sind Multitasker, gerade deshalb stellen sich mir Fragen: Wieviel bekommen die Zuhörer mit, wenn das Gesprochene parallel zitiert, analyisiert oder kommentiert wird? Wie ist es für Redner und das Publikum, wenn auf der Wand Witze gerissen werden, die die Dolmetscher natürlich nicht übertragen? Wenn es Gelächer im Publikum gibt, aber nur ein Teil der geneigten Hörerschaft weiß, warum hier gelacht wird? Wenn der/die Nachbar/in dann übersetzen darf? Der Redner könnte sich umdrehen und nachlesen ... und dann auch verstehen ... vorausgesetzt, sie oder er spricht beide Sprachen.

Im Verlauf der Diskussion sagte jemand, der Politik fehle es oft daran, dass die Politikfolgen nicht durch die Brille der Jugend gesehen würden. Daraufhin fragt eine zweisprachige Twitterin auf Französisch: Die "#Jugendbrille", was kostet die? Und ergänzt das mit einem launischen Stichwort, das eine Raute anführt (hash­tag): Optiker gesucht.

Julia Harrer La "lunette #jeunesse ", elle coûte combien ? #bcdfjw #jungewahlbeobachter #optikergesucht

Danke ans deutsch-französische Jugendwerk für einen spannenden Abend!

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Foto: C.E., ich twittere unter dem
Namen filmdolmetscher

Montag, 16. September 2013

Urlaubsende, die Zwote

Bon­jour ! Sie le­sen hier auf den Sei­ten des ersten deut­schen Blogs aus der Dol­met­scher­ka­bine für die fran­zö­si­sche Sprache. Wir sitzen hier für Men­schen, die be­ruf­lich mit Po­li­tik, Kunst, Wirt­schaft und For­schung zu tun haben, also fast für alle. Ne­ben der Ar­beit für Pri­vat­kun­den über­setzen wir auch. 

Europäische Regierungen haben sich zur Pfle­ge von Re­gio­nal­spra­chen verpflichtet. Allein, die Betreffenden gehen selten mit eigenem Beispiel vor­an, sondern machen oft nur symbolische Politik.

In Wales möchte eine Behörde zu Beginn der Urlaubssaison am Rand eines Dorfes ein Schild mit der Aufschrift "Hier ist wild­es cam­pie­ren verboten" aufstellen, in eng­li­scher und walisischer Sprache, aber im Haus beherrscht keiner diese Sprache.
Also wird der Übersetzer für Walisisch an­ge­schrieben: dies sei ein sehr kleiner, ei­li­ger Auftrag und bitte mit dem nächsten größeren Auftrag abzurechnen.

Der Einfacheit halber möge er doch bitte die Übersetzung der Worte direkt in die Antwortmail schreiben und sie retournieren. Wenige Tage später steht am Dorfrand das englisch-walisische Schild. In der zweiten Zeile steht: "Bis Anfang September ist das Büro nicht besetzt."

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Foto: C.E.

Sonntag, 15. September 2013

Mann und Kran

Hallo! Sie lesen hier im Arbeitstagebuch einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache, die in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Politik, Kultur und Bildung tätig ist. Heute ist wieder ein Sonntagsbild dran! 

Am Wegesrand in meiner Nachbarschaft aufgelesen: 


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Foto: C.E.

Samstag, 14. September 2013

Aufbau der Lexik

Ein Leben aus Sicht einer Wortarbeiterin, das können Sie hier mitverfolgen. Die sprachbasierte Brotarbeit als Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache wirkt oft leicht und spontan, doch da stecken viel Vorbereitung und Zeit drin. Zur Belohnung gibt's am Ende einen Film.

Lexik im Gegenlicht (im Jardin du Luxembourg)
Lernlexik Hafenwirtschaft (*)
Einige Nachfragen erhielt ich gestern zur Art und Weise, wie so eine Lexik aus­sieht. Meine Vo­ka­bel­listen erhalten in der Kopf­zei­le Angaben über das Thema, bei Bedarf "tags" zu den gestreiften Ge­bie­ten sowie den/die Urheber mit Kon­takt­da­ten, denn in der Vorbereitungsphase arbeiten wir nicht selten zu zweit daran.

Sehr wichtig ist auch Jahreszahlen und Namen der auftraggebenden Institutionen zu nennen oder ob es sich bei der Lexik um eine rei­ne Wör­ter­sammlung handelt, die den Pra­xis­test noch nicht erfahren hat.
Eine Vokabeliste, die über mehrere Jahre entstand und wiederholt überarbeitet worden ist, stellt einen echten Schatz dar.

Eine Lexik dient dem Lernen, dem Verfestigen von Wissen und dem Nachschlagen bei der Arbeit:
— Parallel zur Durchsicht der Dokumente des jeweiligen Events schreibe ich Vo­ka­beln auf, arbeite an Begriffen und wiederhole (lerne) sie schon in kurzen Le­se­pau­sen.
—  Durch das wiederholte Lesen auch der alten, angrenzenden Lexiken verfestige ich mein Wissen. Das Thema Volkswirtschaft beackere ich eben nicht jeden Tag.
— Zu meinen Fachgebieten gibt es oft in der nötigen Dichte des Unterthemas keine oder noch keine Wörterbücher, die z.B. beim Begleitdolmetschen, also bei der Fabrikbesichtigung oder dem Hinterzimmergespräch, auch nicht immer praktisch zu nutzen wären. Vokabellisten sind handlicher, was der Mitnahme von Wör­ter­bü­chern, z.B. in digitaler Form, nicht widerspricht. Für unsereinen ist die neue Technik großartig!

Hier noch ein kurzes Vokabelbeispiel aus dieser Woche, allgemeine Wirtschafts- und Politikbegriffe, Wiederholung.

Ausschnitt vom Ende einer Wirtschaftslexik (mit juristischen Einflüssen)

Weisungsrecht — droit d'injonction
Wertschöpfungskette — chaîne de création de valeur
Wettbewerbsverzerrung — distorsion de concurrence
Wirtschaftskrieg (siehe auch W. bei Wikipedia) — guerre économique
Zuwiderhandelnde — contrevenants

Gleich werde ich eine eine neue Liste anfangen, Thema: Steuerflucht international tätiger Groß­kon­zer­ne. Die Liste wird Überschneidungen mit der Bankenkrisenliste der letzten Jahre haben. Indem ich zwei Fassungen ein- und desselben Films ver­glei­che, werte ich kritisch aus, was die Arte-Kollegen bei diesem Film von Xavier Harel an Vokabular verwendet haben: Evasion fiscale bzw. Zeitbombe Steuerflucht. (Film nur bis Dienstagnachmittag online!)

Laurent Cantet, interviewt von Alexander Kluge, verdolmetscht von Caroline Elias, Filmfest München 2008
(... leider mit etlichen Werbepausen)
So, und nach so viel Ge­lehr­sam­keit habe ich jetzt noch einen zweiten Filmlink, er ist schon etwas älter, ich habe ihn gestern wiedergefunden: Lau­rent Cantet bei Alexander Kluge, es geht um seine Goldene Palme Entre les murs (2008), auf Deutsch mit dem Titel "Die Klasse" erschienen.

Zum Film: Arbeitsbedingungen leicht suboptimal, ich musste mich auch erstmal ans Arbeiten "auf dem Präsentierteller" gewöhnen, offene, laute Halle, am Ende habe ich das kurz Gefühl, es rennt uns einer ins Bild, dazu plagte mich starker Durst, wir alle hatten Getränke vergessen ... und nach einem langen Tag spürte ich aufkommende Müdigkeit, daher blieb ich dolmetschend unter meinen Möglichkeiten. Aber so ist es eben manchmal.

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Foto: C.E. (Archiv) und dctp.tv
(*) Das Bild kann, wenn es in einem anderen
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Freitag, 13. September 2013

Zahlen, bitte!

Was Dol­met­scher und Über­setzer ma­chen, ist der brei­ten Öf­fent­lich­keit oft nicht ge­nau be­kannt. Hier schrei­be ich da­rü­ber. Heute geht's ums Geld!

"Geht's nicht auch billiger?" Diesen Satz höre ich regelmäßig, wenn ich über Preise spreche. Oft haben Kunden Mühen zu verstehen, dass ein ein- oder zweistündiger Einsatz vom Aufwand her oft einem ganzen Arbeitstag entspricht. Heute möchte ich nachrechnen, was Einsätze wie der von gestern an Zeit kosten.

Am Anfang habe ich mich mit den Kunden ca. 25 Mi­nu­ten telefonisch beraten, ggf. auch im Hin­blick auf Kon­fe­renz­tech­nik, Dokumente he­run­ter­ge­la­den, kurz: den Auftrag organisiert (z.B. wegorganisiert, was sonst an­gestanden hätte.)

Es folgten 180 Minuten konzentriertes Ar­beiten, Alt­be­kanntes durchsehen (Lernmethode), neue Vorlagen stu­die­ren, Vokabeln exzerpieren, dann auf Inhalt lesen.

Vor dem Einschlafen schaue ich mir alles noch­mal
20 Minuten in Ruhe an. Wenn es einen Nürnberger Trichter gibt, dann den. 

Am nächsten Morgen arbeite ich noch 75 Minuten an der Lexik weiter: Vokabeln nachschlagen, die Wör­ter alphabetisch sortieren, sie ausdrucken und alles, was noch nicht so "sitzt", anstreichen.

Fahrtzeit: 90 Minuten für diesen Einsatz. Das ist die reine Wegezeit plus ein Sicherheitspuffer wegen der oft chaotischen Berliner Ver­kehrs­ver­hält­nis­se. Außerdem bin ich immer gerne früher vor Ort, da­mit kein Stress aufkommt. Stammt der Einsatz aus einem meiner Fach­gebiete, höre ich bis kurz vor Arbeitsbeginn noch MP3s zum Thema oder aber ich gehe Vorlagen durch.

Der Kunde sieht nur dies: 120 Minuten Mit­tag­es­sen (mit kurzen Pausen fürs Dol­met­scher­hirn) oder 15 Minuten Radiointerview oder 75 Minuten Pressekonferenz.

Und dann liest er meine Zahl in der Nach­kal­ku­la­tion, bei der ich auf 8,5 Stunden kom­me. Allerdings ohne: siehe P.S.!

Es ist wie bei dem berühmten Eisberg. Der Dolmetscheinsatz ist die Spitze, die aus dem Eismeer herausragt.
Tagessätze wie 765 Euro zzgl. Spesen, damit fange ich Verhandlungen immer an, sind so leicht er­klär­bar. Wobei der Satz Ver­hand­lungs­grund­la­ge ist.

Lange Tage mit vielen Pausen als einzelne Begleitdolmetscherin in der Politik sind teuer. Bei einem Low budget-Dokumentarfilm, dessen Thema mir am Herzen liegt, kann es sein, dass ich noch Technik beisteuere und maximal eine Auf­wands­ent­schä­di­gung berechne. In beiden Fällen gilt: Am Tag danach werde ich sehr wahr­schein­lich nicht arbeiten, es sei denn, es handelt sich um einen mehrtägigen Einsatz.


P.S./Ergänzung, angeregt durch eine Leserin. Wer sich auf bestehende Vo­ka­bel­listen stützen möchte, bereitet jeden Einsatz nach, hier saß ich eine knappe Stun­de dran. Die Podcastverwaltung kostet mich monatlich zwei Stunden, anteilig rech­ne ich 20 Minuten. Das Mittagessen im kleinen Kreis war die Fol­ge­ver­an­stal­tung zu einem Expertengespräch von zwei Stunden Dauer, das ich mir zur Vor­be­rei­tung angehört habe. Bei uns Freiberuflern kommt noch die Verwaltungsarbeit hin­zu, hier anteilig 15 Minuten. Eigentlich beträgt die Summe ca. 12 Stunden.
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Fotos/Collage: C.E. (Archivbilder)

Donnerstag, 12. September 2013

Aktualisiert

Welcome, bienvenue, hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über ihren Berufsalltag. Meine Sprachen sind Französisch (als Ausgangs- und Zielsprache) und Englisch (Ausgangssprache).

Mein regelmäßig gewährter Blick auf den Schreibtisch wurde gestern abrupt durch eine aktuelle Dol­metsch­an­fra­ge aus der Politik un­ter­bro­chen.

Unten habe ich die Dos­siers auf­ge­führt, die mich dieser |Tage| Wochen be­schäf­ti­gen. Ich bin sehr dankbar über die gro­ße Viel­falt der Projekte.

— Wahlsystem, -programme und Par­tei­en­ge­schich­te in Deutschland
— Transgenerationale Weitergabe von Traumata, Stichworte: Kriegskinder und Kriegsenkel
— Deutsche Geburtenrate und Steuergesetze, Stichwort: Ehegattensplitting
— Internetwirtschaft, Auswirkungen auf das Urheberrecht
— Finanzierung der Kultur, Kultur als Wirtschaftsfaktor
— Französisches Kino / Medienwirtschaft heute
— Berufsausbildung und Integration von Schulabbrechern in die Arbeitswelt
— Privatschulgründungen und -profile in Deutschland
— Ökologisches, "grünes" Design vs. greenwashing
— Fortbildung im Bereich Fashion und Lifestyle, Stichwort: Kundenberatung
— Energetische Altbausanierung, Niedrigenergiearchitektur, Energiewende
— Design und Inneneinrichtung
— Aktuelle Politik in Tunesien und Mali
— Europäische Finanzarchitektur (G20 und Steuerflucht)

Diese Themen beschäftig(t)en mich im Hinblick auf Konferenzen, Dreharbeiten, Hörfunkinterviews, Drehbuchübersetzungen, interne Beratungen der Politik, diverse Bildungsangebote.

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Foto: C.E. (Archiv)

Zeitmanagement, die Zweite

Hal­lo auf den Sei­ten mei­nes Dol­metsch­er­blogs. Hier be­rich­te ich aus dem All­tag. Zum Bei­spiel gestern, spä­ter Vor­mit­tag. Ort: mein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer. Hand­lung: das Handy kling­elt. Kurz­fristig wurde doch ein Dol­met­scher ein­be­stellt zu einem Mit­tag­es­sen im Re­gie­rungs­vier­tel. So kurz­fristig, dass zwischen Te­le­fo­nat und Termin genau 26 Stunden lagen. Hier, was dann geschah ...

Derartige Beauftragungsfristen kennen Dolmetscher, die bei großen Behörden fest­an­gestellt sind. Freiberufler wie ich erleben das eher selten. Normalerweise liegen bei mir die Buchungen vier bis zwölf Wochen im Voraus vor. Ich sage hier gerne zu, das Thema kenne ich gut, habe bereits Dokumente im Umfang von Di­plom­ar­bei­ten dazu redigiert bzw. umgetextet. Ich muss mich nur auf den neuesten Stand brin­gen, um als Dolmetscherin das Tischgespräch zwischen po­li­tisch Tä­ti­gen aus meh­re­ren Ländern begleiten zu können.

Dolmetschersymbol: Eine in beide Richtungen sprechende Figur zwischen zwei Figuren, die jeweils nur in eine Richtung sprechen
Das Politikfeld, um das es geht, ist in besonders starkem Wandel begriffen. Es streift die Bereiche Wirtschaft, Jura (Wettbewerbs-/Urheberrecht), Kultur, Technik, Medien. Seit Jahren schälen sich hier Fachtermini vor unseren Augen (überwiegend aus dem Englischen) he­raus, verfestigen sich erst mit der Zeit. Die entsprechende Vo­ka­bel­sam­mlung, laut eigens an­ge­fer­tig­ter Legende (dazu morgen mehr) seit fünf Jahren in Ver­wen­dung, führt weit über 300 Stichworte auf.

Rasch überfliege ich die Lexik. Nicht immer konnte ich bereits die Begriffe zu Wort­paaren ergänzen. Beim Lesen trage ich manche Übersetzung nach, die letztes Jahr noch nicht eindeutig schien. Ich markiere Veränderungen durch un­ter­schied­li­che Schriftgrößen bzw. setze auch mal was fett.

Dann macht es heftig "plopp" im Mailbriefkasten, eine große Sendung. Ebenso gro­ße Erleichterung, denn die Namen auf der Gästeliste kenne ich zu 80 %, den Ho­ri­zont der Fragen kann ich damit großteils erahnen. (Es sind etliche langjährige Kun­den darunter.)

Die Ansprechpartnerin der Behörde hat Zusammenfassungen einer Studie mit­ge­schickt, um die es geht, sie liegen auf jeweils drei Seiten pro Sprache vor. Über­schau­bar. Die Publikation selbst umfasst mehr als 700 Seiten. Es ist der Ar­beits­be­richt einer Kommission mit Analysen und Quellen, entstanden in einem knappen Jahr. Ich bin froh, das Original studieren zu können, kann mir aber auch aus­rech­nen, wie wenig Stunden ich am Stück dafür haben werde, exakt drei, denn der Vorabend ist seit Wochen verplant (und ich will nicht schon wieder Kon­zert­kar­ten verschenken).

Organisation ist also wieder mal alles. Wie gehe ich vor? Zunächst erfreue ich mei­ne grauen Zellen mit dem Wühlen in der bewährten Vokabelliste. Die schöne Re­dens­art "Wiedersehen macht Freude" gilt auch für Wörter. Dann überfliege ich, was ich im Umfeld in den letzten 12 Monaten zu dem Bereich selbst übersetzt oder um­ge­textet habe. Der nächste Schritt: Ich lese zwei, drei Zeitungsartikel zum Thema. Die Zeitungen sind mir wohlvertraut, auch hier klingelt Pawlow mit seinen Glöck­chen, so lerne ich jeden Tag, meine Synapsen freuen sich über Routine und Hirn­fut­ter.

Die Muskeln des körpereigenen Zentralcomputers sind jetzt aufgewärmt. Ich gehe die Zusammenfassungen an. Lese im Wechsel beide Sprachfassungen, vergleiche mit meiner Liste, ergänze, ändere ... und versuche, die Lektorin in mir in bezug auf die Übersetzung stumm zu bekommen. ("Nein, liebe innere Stimme, hier geht's nur um die Infos, die Sache ist längst veröffentlicht!")

Dann muss ich wirklich "richtig" lesen. Und zwar ohne ständig an eine Übersetzung zu denken. Ich lese auf Inhalt und mache mir nur noch ab und zu Vokabelnotizen, vor allem zu Abkürzungen, weil ich weiß, dass meine Vorarbeit gut war, die Liste ausführlich ist. Sie gibt ein Wortfeld wieder (champ linguistique), viele Fach­ter­mi­ni, aber auch allgemeine Begriffe, die mit der Problematik in Zu­sam­men­hang stehen.

Achtung! Bauarbeiten-Warnschild
Nach dem Konzert habe ich mei­ne Notizen nochmal über­flo­gen und zum Glück ei­ni­ger­ma­ßen gut geschlafen. Am Mor­gen konnte ich in aller Herr­gotts­frühe die letzten Vo­ka­bel­notizen, das Hand­schrift­li­che vom Vortag, in die große Liste einarbeiten, sie al­pha­be­tisch sortieren, aus­drucken und eventuelle "Wackel­kan­di­da­ten" von Hand far­big her­vor­heben.

Nach solch' einer Aktion vergesse ich dann immer den ganzen Kram und gehe |fröh­lich pfei­fend| seelenruhig zum Termin, der diesmal mit einem (von anderen über­tra­gen­en) Publikumsgespräch anfing. (In Wirklichkeit habe ich im Taxi auf der Fahrt zum Arbeitsort noch den Podcast einer aktuellen Radiosendung zum Thema ge­hört.)

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Illustrationen: Webfunde

Mittwoch, 11. September 2013

Zeitmanagement, die Erste

Schön, dass Sie (be­ab­sich­tigt oder zu­fäl­lig) auf die Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs ge­fun­den ha­ben. Hier blogge ich als Dolmetscherin und Über­setzerin. Heute gewähre ich mal wieder einen Blick auf den Schreibtisch.

Unter den Top 10 der Ratschläge er­fah­ren­er Zeitmanager steht immer knapp dies: Störsender (übergangsweise) aus­stel­len. Meine sind die vieler Be­rufs­tä­ti­ger, als da wären Telefon, ein sing­en­der und kling­en­der Mailbriefkasten, liebe Mit­men­schen. Fangen wir mit Letzeren an: vormittags ist das unproblematisch. Deshalb fange ich am liebsten gleich am Morgen mit der Arbeit an.

Dieser Rhythmus hat sich auch in vielen nine to five-An­stel­lungs­ver­hält­nis­sen als gut erwiesen. Dolmetscher sind in den seltensten Fällen festangestellt. Als Frei­be­ruf­ler haben wir die Freiheit, an Tagen außerhalb der Kabine diverse Va­ri­an­ten der Arbeitszeitgestaltung durchzuspielen und wählen am Ende jene, die im besten Falle sowohl zum pri­va­ten Umfeld als auch zum eigenen Metabolismus passt.

Heute auf dem Schreibtisch: Schulen in Deutschland — aus französischer Pers­pek­ti­ve. Bildung gehört neben Medien zu den Kernthemen meiner Dol­metscher­tä­tig­keit, ich bringe mich also auf den neuesten Stand. Manche Namen und Fachtermini zum "Rum­gugeln" entnehme ich dabei einer meiner Lieblingsmonatsschriften. Sie heißt PARISBERLIN und liefert Informationen, Hintergründe und Analysen überwiegend aus der gekreuzten Perspektive.

Le regard croisé heißt dieser doppelte Blickwinkel, der auch mir sehr am Herzen liegt. Hiermit bereite ich mich auf einen einwöchigen Einsatz im Oktober vor, wir dürfen dann eine Delegation von Fachleuten über eine Woche lang auf einer Stu­dien­rei­se durch Deutschland zu diversen Bildungsfragen begleiten. Seit gestern sitze ich täglich eine Stunde daran.

Gleich werde ich mich der aktuellen Tagespolitik widmen. Ich schreibe eine Über­sicht zu bestehenden und aufkommenden Themen für ein fran­zö­sisch­spra­chi­ges Medium. Damit lerne ich auch schon für die bevorstehende Bundestagswahl. Erste Terminoptionen gibt es bereits für Ende September, mal sehen, wie rasch sich das konkretisiert.

Dann überspiele ich noch ein Hörfunkinterview, das ich gestern verdolmetscht ha­be, und sende es der Journalistin zu, die es führte. (Das Interview ergab sich spon­tan, sie hatte keine Technik dabei, meine steckt immer im Rucksack.) Das Ge­spräch möchte ich am Nachmittag abhören und noch Ergänzungen notieren, sofern sie nötig sein sollten. Der Job war nicht ohne: Der Interviewte goss komplexe The­men in nicht minder komplexe Sätze. Gelegenheit, das eigene Talent als Kon­se­ku­tiv­dolmetscherin zu beweisen, habe ich in letzter Zeit leider selten, so dass ich mir im Nachhinein gerne "auf die Finger schaue". Das Ergebnis wird sein: Für die In­ter­view­erin von gestern ein erweiterer "Kundendienst", für alle anderen Kunden Qualitätsoptimierung.

Übrigens: Trotz aller Zeitmanagementtricks bleibe ich über das Handy für Kunden immer erreichbar. Und das klingelt jetzt auch prompt ...

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 10. September 2013

trial and error

Bon­­jour, hel­­lo und sa­lut ... auf den Sei­­ten die­­ses Blogs. Hier schreibt eine Dol­­met­­scher­­in und Über­­setzer­in über ihren sprachbetonten Alltag.

Portrait CE mit großen LockenIn Berlin beim Frisör, der auf Französisch übrigens le coiffeur heißt: Mich frisiert Matthieu, der aus Nordfrankreich nach Berlin zugewandert ist. Sein Deutsch ist fast akzentfrei, er hat ein extrem gutes Gehör. Er schiebt es auch auf den frühen Beginn seines Deutschlernens. Der Fri­sör be­rich­tet, dass er sich mit elf Jahren auf einer Klassenreise in die deutsche Spra­che verliebt habe. Nach der Schu­le zog er sofort nach Deutschland, wollte hier wie ein Deutscher leben und fing eine Lehre an.

Sein Sprachenlernen erfolgte also völlig unakademisch im trial and error-Verfahren im Alltag und an der Frisörschule. Und um zu erfahren, was ein Wort wirklich be­deu­tet, hat er meistens einfach verwendet. Das ist bei vielen All­tags­be­grif­fen harm­los, zur Not bekommt man eben das Falsche über den Tisch gereicht.

Für Begriffe wie "eigentlich" oder "mittlerweile" gilt das nicht. Matthieu glaubte, einen Sinn zu erahnen ... und fing daraufhin alle möglichen und unmöglichen Sätze mit "eigentlich" an ... bis er merkte, dass der Satzanfang Erwartungen auslöste, die in ein "Aber?" als Nachfrage mündeten.

Mit dem Wort "mittlerweile" war es komplizierter. Matthieu hielt das Wort für eine Vokabel, die Aussagen verstärkt. Eines Tages saß er in seiner Berufsschulklasse, übrigens als einziger Mann unter lauter Frauen, es wurde erbittert diskutiert. Ob er nicht auch eine Meinung habe, wurde er gefragt. Hm, dazu könne er sich nicht äußern, denn mittlerweile sei er ja ein Mann. Großes Gelächter. "Und was bist du vorher gewesen?" Wieder ein Wort gelernt ...

Ein anderes Mal hat er einfach nur die Reihenfolge der Buchstaben nicht auf die Reihe bekommen. Er war beim Frisieren und hat fand eine entsprechende Ger­ät­schaft nicht, und es war kein Kamm. Also fragte er seine Lehrmeisterin: "Darf ich mir kurz mal ihre Brüste ausleihen?"

Das Ganze wie gesagt so fast akzentfrei, was die Komik noch erhöht.


Vokabelnotiz: Cheveux frisés sind von Natur aus lockige oder krause Haare.  
Friser quelqu'un — jemandem Locken drehen. Unsere "Frisör"-Ladenschilder lesen Franzosen also als "Lockendreher".
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Foto: privat (Archiv)

Sonntag, 8. September 2013

Blauer Stuhl

Bienvenue ! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setz­er­in. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch, Fran­zö­sisch so­wie Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che. 

Ein dunkel getäfelter Tagungsraum mit Seminarteilnehmern und Vortragender. Aus dem in Naturtönen gehalten Bild sticht ein hellblauer Stuhl hervor.Irgendwo in einer deutschen Stadt steht ein blauer Stuhl. Die anderen Sitzgelegenheiten in der Bibliothek sind fla­schen­grün. Bevor die Ta­gungs­teil­neh­mer den Raum betreten, rücken wir alle vorhandenen Sitz­ge­le­gen­hei­ten zurecht.

Wichtig ist, dass wir leicht von der einen zur anderen Ecke des Raumes gelangen können.

Wir lassen Lücken zwischen den Stühlen, damit wir uns im Bedarfsfall auch hinter die Seminarteilnehmer stellen können.

Wir dolmetschen mit einer mobilen Flüsteranlage, über die unsere Teilnehmer der Verdolmetschung mit Kopfhörern folgen können. Weil die Redner, und das kann eben jeder sein aus dem Raum, keine Mikrofone verwenden, müssen wir mobil sein und uns im Bedarfsfall an die akustische Quelle annähern können. Eine Sitzbank ge­gen­über der Stirnseite, zwei breite Fensterbänke gegenüber der Bücherwand und der blaue Stuhl sind für uns zwei Dolmetscherinnen ein Wochenende lang die geeigneten Sitzmöbel. Und wehe, jemand will uns den blauen Stuhl streitig ma­chen.

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Foto: C.E.

Samstag, 7. September 2013

Historische Dokumente

Hallo! Will­­kom­­men auf den Sei­­ten des 1. Webl­ogs Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Hier schrei­­be ich als Sprach­­ar­­bei­­te­rin in Ber­lin, Paris und überall dort, wo man mich braucht. Gestern fuhr ich mit dem Rad von einem Dol­metsch­einsatz zum nächsten über die Warschauer Brücke, die viele Jahr­zehn­te die Stadtteile Kreuzberg und Friedrichshain nicht mit­ein­an­der ver­band, son­dern trennte. Mein Link der Woche hat daher mit Ge­schichte zu tun.

Rotes Ziegelmauerwerk, Wasserspeier, Gebäude, blaues Spreewasser mit Schiff, blauer Himmel
Blick von der Warschauer Brücke
Heute ein Link zu Mau­er­fall und Fol­gen, aber durch die französische Brille ge­se­hen. Bislang von mir nicht beachtet, ha­ben die Franzosen ihre interne Notizen zum Mau­er­fall lange vor der 30-Jahre-Frist frei­ge­ge­ben.
Dieser Tage fand ich den Link zu den Do­ku­men­ten über die französische Bot­schaft und werde sie demnächst in Ruhe stu­die­ren. Anfang der 1990-er Jahre hatte ich ein Referat über die fran­zö­si­sche Haltung zur deut­schen Einheit ge­hal­ten, mich da­bei auf Zei­tungs­ar­ti­kel und eigene In­ter­views ge­stützt, die Erkenntnisse wer­den span­nend!

Link zu den Archiven der französischen Regierung.

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Foto: C.E. (Leider fehlt vom Wasser-
speier etwas Ohr, ich war hirnvernebelt.)

Freitag, 6. September 2013

Da ist Musike drin

Guten Tag! (oder gu­ten Abend, gu­te Nacht ...) Ab­sicht­lich oder zu­fäl­lig sind Sie auf den Blog­sei­ten ei­ner Sprach­ar­beiterin gelandet. Wie wir in Berlin, Paris, Mün­chen, Köln, Lyon und Marseille als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten, er­zähle ich hier.

Vorgestern wusste ich noch nichts von dem Nachwuchsmusiker und Model aus Frankreich, das heute für ein Pri­vat­sen­der in Berlin in­ter­viewt wurde. Aber ich las mich ein und flüstere am Morgen im Foyer eines Musikkonzerns allen, die es wissen müs­sen, zu, wie der Name un­se­res Heldens ausgesprochen wird, denn einer vom Team holt dort Schlaf nach.

Kurz darauf geht's an den Set. Hinter dem Ka­me­ra­mann hängt die Küchenzeile an der Wand. Rechts von mir habe ich Ge­sprä­che aus Gang und Nachbarbüros im Ohr. Gleich werde ich immer mal wieder einen Satz nicht hören, zumal der Pro­ta­go­nist von mir weg spricht. (Notiz für mich: Künftig das Einrichten auf akustische Kriterien hin |bewachen| beraten.)

Es folgen 50 Minuten hochkonzentrierter Ar­beits­ru­he. Alle zehn Minuten warnt der Kameramann: "Kurze Pause!" Es wird mit High-Tech-Fotoapparaten gedreht, die bei Filmaufnahmen alle zehn Mi­nu­ten neu ansetzen. Ich muss an die alten Filmspulen und ihre begrenzte Laufzeit denken und darf grinsen. Dann kommt die Klappe. Parallelen gibt's!

Das Interview fluppt, alles un­kom­pli­ziert, außer vielleicht, dass diese tech­ni­schen Unterbrechungen und kleine Dis­kus­sionen darüber den Beginn meiner "Wiedergaben" leicht verzögern. Lustig das Erstaunen von Protagonist und Mo­de­ra­torin über meine leichte Art des Ar­bei­tens. (Sie hatten eine Schnell­hö­rer- und -sprecherin gebucht, warum jetzt dieses Verwundern?)

Swizz Beatz, Baptiste, französischer Gitarrist,
2. und 4. Bild: mit Moderatorin Andrea Guenther
Zwischendurch zeigen Interviewerin und Interviewter einander ihre tätowierten Unterarme, das hatte ich als Szene noch nicht. Mir fällt dabei die Armbanduhr auf, die der junge Mann am anderen Handgelenk trägt und für deren Wert in Berlin eine Wohnung zu haben wäre. (Selbstgespräch weiter: Ja, ich mache viel richtig im Leben, am Geld­be­wusst­sein muss ich noch arbeiten.)

Der Befragte wirkt wie ein Glückskind. Da macht einer, was er liebt: Musik. Er wirkt gelöst, klar, einfach. Ich bin vielen echten und selbsternannten Stars be­ge­gnet und kann sagen: Der hier hat das Zeug dazu, ein echter zu werden. Er ist noch jung. Was ihm vielleicht ein wenig fehlt (ich sehe hier nur das öffentliche Gesicht), ist wie erwartet: etwas Reife und damit wachsendes Interesse an der Umwelt.

Dazu blieb heute aber auch nicht viel Zeit. Der PR-Tag war streng durchgetaktet. Später wird noch Musik gemacht. Oft komme ich ja mit "meinen" Kunden ins Gespräch. Selten lege ich mir dazu etwas zurecht. Dieses Mal fürchtete ich um mangelnde Anknüpfungspunkte und fand sogar einen. Der junge Mann ist am Tag des Mauerfalls geboren, der Portraitteil des Interviews entstand im Tonstudio des Nhow-Hotels mit Blick auf die Warschauer Brücke, einst eine Grenz­über­gangs­stel­le. Das hebe ich mir fürs nächste Mal auf.


Vokabelnotiz: faire un bœuf (wörtlich: "ein Rind machen") — mit mehreren musikalisch improvisieren
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Fotos: C.E.

Mittwoch, 4. September 2013

Glühendes Grau

Will­kom­men auf den Sei­ten des ersten deut­schen Blogs aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Hier spre­chen wir um die Wet­te. Oft geht es in un­se­rem Berufs­alltag hek­tisch her. Da heißt es kühlen Kopf bewahren.
 
"Liberté als Kaffee" (Otto-Heinrich Elias)
Jeder Marathon hat ein Ende, auch unsere Art der sprachlichen Halb- oder Vier­tel­ma­ra­thons mit gelegentlichen Spurts. Wir Dolmetscher laufen die entsprechende Kilometerzahl immer im Doppel, was für den/die jeweils andere(n) kurze Pausen bedeutet, womit das Bild vom Marathon leider hinkt.
Dolmetschen ist Teamarbeit. Arbeiten wir zu zweit in der Kabine (oder mit Flüs­ter­an­la­ge irgendwo im Raum), darf der/die andere allerdings in den stummen Minuten Eigennamen und Zahlen notieren oder auch mal ein Wort nachschlagen. Oder kennen Sie aus dem Effeff die pas­sen­den Übersetzungen zum Beispiel für "Ehe­gat­ten­split­ting"?

Wenn das Wort in einer Konferenz über die Archivierung von Filmerbe vorkommt, hat den Begriff wirklich keine(r) von uns auf der Vokabelliste. Und wenn auch keine(r) von uns jemals dolmetschend mit deutschen Steuerspezifika zu tun hatte, ist der Begriff nicht "einfach so" bekannt. In anderen Ländern ist Ehe­gat­ten­split­ting unbekannt. Dolmetschen ist kleinteilige Arbeit und setzt intensive Vor­be­rei­tung voraus. Soviel dazu, wie aus Pausen schnell hektische Momente werden können.

Hier bin ich dann doch wieder beim Bild meines Laufs. Ein langer Tag beim Kunden ist ein Marathon, wir müssen den Tag über in Form bleiben. Die aktiven Momente oder Stress bei mit Eigennamen, Zahlen oder Sprichwörtern gespickten Reden sind wie kurze Spurts. Jedes Runterschalten von einer Dynamik in die andere wirkt auf die neuronalen Aktivitäten wie eine Pause.

Unsere Dolmetscherhirne brauchen aber regelmäßig auch echte Pausen. Das Glü­hen der grau­en Zellen bringt Erwärmung unter der Schädeldecke mit sich, das berichten uni­so­no alle Kolleginnen und Kollegen. Damit aus dem Heißlaufen der Hirnmasse aber keine Hirnüberhitzung wird und unsereiner durchgehend und un­an­ge­fochten weiß, wo vorne und wo hinten ist, sind Unterbrechungen nötig. Dann heißt es Kopf auf­machen, Luft rein, verbrauchte Luft raus, Schädelklappen wieder einfahren oder so ähnlich.

Manchmal sind Kunden ungnädig und wollen nicht verstehen, warum wir eine Ab­lö­sung brauchen, denn zwei Dolmetscher sind teurer als einer. "Können Sie nicht eine/zwei Stunden alleine dolmetschen?" Ja, theoretisch können wir das. Im pri­va­ten Kontext, wo wir Zeit haben und es nicht sofort auf jedes Detail ankommt, ist das Alltag. Hier aber herrscht ein anderer Druck, muss der Output anders sein. Und die Themen, die verhandelt werden, sind uns in der Regel nicht seit langem ver­traut. Das Hin- und Herschaufeln fremder Konzepte und Begriffe kostet viel Hirn­schmalz.

Große Hirnüberhitzung soll zu dauerhaften Veränderungen im Ober­stüb­chen füh­ren. Unsere Gesundheit und die künftige volle Arbeitsfähigkeit wird jeder Dol­met­scher schützen. So wie jeder Läufer die seiner Beine. Der Körper darf sich nach dem Ende des Laufs erholen, und bald geht es wieder auf die Piste, damit der Trai­nings­stand erhalten bleibt. Dolmetschen ist Hochleistungssport.

Jedes Tief spüren wir körperlich. So brau­chen wir nach aktiven Tagen Ruhe, um die zwischendurch einsetzenden Wortfindungsstörungen über­win­den zu können. Dann geht schon wieder das Lernen für den nächsten Einsatz los, denn ohne Training kein Rennen. 

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Foto: C.E.

Dienstag, 3. September 2013

Ende der Sommerpause

Hallo beim Weblog aus der Dolmetscherkabine. Hier schreibe ich über meinen immer wieder sehr abwechslungsreichen Alltag. Ich dolmetsche aus der und in die französische Sprache (und aus dem Englischen).

Im Büro herrscht die Ruhe vor dem Sturm: Drei Kosten­vor­an­schlä­ge, zwei Optionen, die schon erwähnten zwei Dreh­bü­cher stehen schon auf dem Pro­gramm. Die Bü­ro­pla­nungs­pha­se hat ergeben, dass ich ein neues Stehpult brauche, mei­nes ist instabil, es ist das auf­ge­bockte kleine Schreib­tisch­chen aus Stu­den­tin­nen­zei­ten. Ich sehe mich also um.

Und plane dabei gleich Veränderungen auch am privaten Wohnbereich. Das alte Kleidermobil im Schlafzimmer nervt, ich habe einen Jugendstilkleiderschrank geerbt, der aber nicht passt, also habe ich das Um-drei-Ecken-Erbstück verkauft und suche nun nach einem Möbel, das sich zudem stilistisch mit der Spät­bie­der­mei­er­kom­mode meiner Ur-Urgroßmutter vertragen soll.

Dann steht die Vorbereitung auf die Übersetzerprüfung an. Hintergrund: Ich be­nö­ti­ge zum französischen akademischen Abschluss und zum diplôme der Pariser Han­dels­kam­mer noch einen deutschen Abschluss hinzu, wenn ich mich bei deutschen Gerichten beeidigen lassen möchte. Vive l'Europe ! Ja, es gibt Bereiche, in denen feiert das gute, alte, deutsche |Kasten-|, nein Kammer- und Zunftwesen fröhliche Urständ'.

Im Berufsalltag zählt vor allem die Erfahrung. So wie neulich. Da klingelte mich Kevin (*) aus den Federn. Er hat ein wun­der­bares Lachen, breite Schul­tern, son­nen­ge­gerb­te Haut und ist gekleidet, als käme er gerade vom Sport­platz. Kevin verdient seine Bröt­chen mit einem ebay-Shop. Viele seiner Kunden le­ben in Italien, Eng­land und Frankreich.

Bis vor einiger Zeit hat sich eine Studentin um die französischsprachigen Käufer gekümmert, nun stand er ohne Hilfe und mit einigen massiven Kom­mu­ni­ka­tions­pro­ble­men da, so kam er auf den Gedanken, sich eine Dolmetscherin zu suchen.
Wenig später erklärte er mir bei einem Kaffee sein "Bizness" und was letzten Mo­nat schiefgelaufen war. Ich notierte flink Vokabeln wie "Spurverbreiterung" (élar­gis­seur de voie), "Reifendiebstahlschutz" (anti-vol de roue) und "Radbolzen" (bou­lons) bzw. schlug nach, was fehlte. In zwei kurzen Telefonaten und einer Mail konnte ich die Sache klären.

Kevin staunt: "Aber hallo, das lief ja butterweich ... und mit so wenig Stich­­wor­ten!"

Tja, glernt isch glernt sagten Äffle und Pferdle in den 1980-er Jahren im schwä­bi­schen Regionalfernsehen, es sind die "Mainzelmännchen" Stuttgarts. Solche volks­tüm­li­chen Anwandlungen beschleichen mich, wenn ich mit der Welt von Au­to­mon­ta­ge, Schmieröl und Versandhandel in Kontakt gerate. Die Bauteile gehören zum pimp-my-car-Programm, das mein Kunde anbietet. Ich grinse über mich selbst: Dieser Job muss mir eigentlich mehrfach befremdlich erscheinen. Ich habe nicht einmal einen Führerschein (Westdeutsch) / eine Fahrerlaubnis (Ost­deutsch).

Ich nehme lieber das Rad. So wie in den letzten Tagen häufig, wenn ich nach Schö­ne­berg möchte. Französischparlieren mit einem besonderen kleinen Mann war angesagt, der für seine wenigen Lernjahre schon viel kann, dem aber eine gewisse Selbst­ver­ständ­lich­keit im Sprechen fehlt (von seiner Schule, dem Französischen Gymnasium, anders gewünscht).

Da ich von ihm die Rückmeldung erhalten hatte, dass die Lehrer kaum Lern­me­tho­den vermitteln, kümmerten wir uns auch darum: Vo­ka­bel­heft, Post-its, Lern­par­cours und unterstützende Gesten, Landkarten von se­man­ti­schen Feldern (champs linguistiques) entwickeln, wir haben einiges be­leuch­tet, das ich in den nächsten Wochen hier in loser Folge (z.T. erneut) vorstellen möchte. (Warum früher Zweit­spra­chen­er­werb super ist, haben kürzlich die Unis von Montréal und Oxford be­schrie­ben.)

lait frappé aux bananes — Bananenmilch
Dabei quatschten wir täglich über zwei Stunden, tranken Bananenmilch, buken "zer­strit­tene Eier" (œufs brouillés hei­ßen Rühreier auf Fran­zö­sisch), gingen viel raus. Abends fiel das Kind müde und zu­frie­den ins Bett.
Heute ist la rentrée scolaire für alle 12 Millionen Schüler Frank­reichs, damit auch für die deutschen Schüler des collège français de Ber­lin.

Ich wünsche ein schönes und erfolgreiches Schuljahr, auch den Freunden in Paris, Blois und Marseille! Den Studenten wünsche ich einen entspannten Se­mes­ter­auf­takt (hat ja noch etwas Zeit), den mitlesenden Freiberuflern einen guten Herbst!

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Fotos: C.E.
(*) Kevin heißt natürlich nicht so.