Donnerstag, 11. Juli 2013

dünnhäutig

Hallo, hier bloggt eine Über­setzerin und Dol­met­scherin. Eine sehr aktive Som­mer­pau­se ist das, was ich gerade erlebe. Eigentlich sollte es heute mit Haiti weitergehen, aber mir fehlen Zeit und klarer Geist zum ernsthaften Kor­rek­tur­le­sen des fertigen Texts, denn ein Last-minute-Auftrag beschäftigt das Som­mer­team gerade rund um die Uhr. Also folgt heute nur eine kurze Pausennotiz.

Jazz-Sendung im Radio, ge­nau­er: beim Deutschlandfunk. Die Sendung JazzFacts wandelt unter dem Titel Scènes de rue auf den Spuren Kurt Weills. Karl Lippegaus stellt den fran­zö­si­schen Pianisten François Chesnel vor.
Wunderbar einfallsreiche In­ter­pre­ta­tionen von Stücken aus der Dreigroschenoper wer­den gebracht, die gehört übrigens zur Lieblingsmusik des weltbesten Patensohns, der den Kanonensong schon als Erstklässler aus Leibeskräften schmettern konnte. (Was für ein Bild zum martialischen Text!)

François Chesnel wird zu seinen Interpretationen interviewt. Er nennt weitere Vorbilder und beschreibt, dass ihn bei Tom Waits stets dessen côté écorché vif besonders angerührt habe. Der Musikkritiker macht "wie lebendig erdrosselt" daraus.

Hier hat die oft so bildreiche fran­zö­si­sche Sprache jemandem, der vermutlich mindestens über gutes Schulfranzösisch verfügt, einen Streich gespielt. Dieses écorché vif gehört zu den stehenden Redewendungen, und meint über­sen­si­bel, hoch­empfind­lich, zartbesaitet oder dünnhäutig.

Nein, ich bin nicht dünnhäutig, nur weil ich das hier notiere. Ich schreibe es in Verbindung mit der kurzen Empfehlung, das Gespür für das eigene Wissen und den Moment zu schärfen, in dem es sich lohnt, die lie­ben Mitmenschen um Rat zu fragen. Wissen ist wunderbar. Nichtwissen ist menschlich und auch phantastisch, kann es doch Erkenntnis bringen.

Danke, liebe Radiomacher für den Hörtipp, das Chesnel-Album "The Kurt Weill Project" werden wir uns besorgen! Und ich bleibe noch kurz beim Sender für eine zweite musikalische Notiz, als Programmtipp diesmal. Am Wochenende (in den Nächten auf Samstag und Sonntag) bringt das Deutschlandradio eine "lange Chan­son­nacht" über Léo Ferré, überschrieben mit "In der harten Faust die Liebe". Ferré gehört zur Generation von Brassens und Barbara, Aznavour, Gréco und Montand. Auch seine Anfänge gehen auf die Jazzkeller der rive gauche in den Nach­kriegs­jah­ren zurück.

So, auf zur Spätschicht! Das wird eine kurze Nacht.

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Illustrationen: Deutschlandradio

2 Kommentare:

Karl Lippegaus hat gesagt…

Bonjour Caro,

danke für die Aufklärung. Ich hatte in der Tat gerätselt, was das heissen könnte. Und hätte besser gleich Sie gefragt.

Bon weekend,
Karl

caro_berlin hat gesagt…

You're welcome !

Und gerne dann beim nächsten Mal :-)

Grüße,
Caroline