Donnerstag, 4. April 2013

Musteranfrage

Ein Leben aus Sicht einer Wort­ar­bei­ter­in kön­nen Sie hier mitverfolgen. Jen­seits meiner sprachbasierten Brotarbeit als Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache erlebe ich immer wieder, dass in der Allgemeinheit re­la­tiv wenig darüber, wie wir genau tätig werden, bekannt ist. Die Aufklärung setzt vor dem Schreiben eines Angebots ein.

Ein aufgeklappter Dolmetschkoffer auf einem Holztisch, drumherum weitere Tische und Stühle. Es ist hell.
Flüsterkoffer auf Reisen im Süden
Alle Naslang fragt uns je­mand, ob wir ein Muster für eine Anfrage hätten. Die Ant­wort gleich vorweg: nein, die gibt es nicht. Jeder Einsatz ist anders, daher suche ich in der Regel das Gespräch mit den Veranstaltern.

Um einen Kostenvoranschlag zu er­stel­len, frage ich ver­schie­dene Punkte ab, damit das Angebot genau passt.

Es sind Fragen wie diese: Für wen soll gedolmetscht werden? Für eine Ein­zel­per­son? Für ein allgemeines Publikum? Oder ist es ein Fachpublikum, z.B. bei einem Kongress? Ein Kamerateam oder ein Unternehmer? Eine Delegation von Politikern ... oder wird die Buchung in ein Kollegengespräch in einem Restaurant münden? (Wenn ja, in welchem Lokal? Gibt es dort ein ruhiges Hinterzimmer?)

Um welche Sprachen geht es? Sind nur zwei Sprachen beteiligt oder vielleicht drei ...? Sollte dann in die drei Sprachen gedolmetscht werden oder können wir zwei Sprachen zu Arbeitssprachen erklären?

Ist Technik vorhanden? Gab es ein Vorbereitungstreffen, das sich in Dokumenten niedergeschlagen hat? Wäre es möglich, vorab mit den Rednern in Kontakt zu treten? Wird das Event aufgezeichnet? (Urheberrechte!) Hier, wie unterschiedlich unsere Einsätze sein können.

1. Situation: Dreiergespräch in einem Ministerium. Ein Deutscher und ein Franzose verstehen sich auf Französisch, für einen zweiten Deutschen werde ich ins Deutsche flüstern. Der möchte seine Fragen allerdings auf Englisch stellen. Es kann sein, dass dem Gast aus Frankreich der eine oder andere Begriff zum Verständnis fehlt, ich werde dann einzelne Vokabeln soufflieren. Anschließend geht es in ein Restau­rant mit Hinterzimmer. Ich habe dort schon angerufen und sichergestellt, dass wir allein sein werden.

Dolmetschpult "auf Sendung" (grünes Licht)
Dolmetschpult in Aktion
2. Situation: Interview mit einem schwedischen Pres­se­ver­tre­ter. Er versteht Fran­zö­sisch, stellt seine Fragen auf Englisch, ich dolmetsche sie dem Gast aus Paris, der in Berlin weilt, in sein Idiom. Hier muss ich nahezu wörtlich übertragen, obwohl es sich um kon­se­ku­ti­ves Dolmetschen handelt. Jedes Zitat kann Grund­la­ge der Be­richt­er­stat­tung werden.

3. Situation: Delegationsreise nordafrikanischer Nachwuchspolitiker nach Berlin. Wir dolmetschen in verschiedener Teamzusammensetzung aus dem Türkischen und Deutschen ins Französische. An einem Abend gibt es ein Publikumsgespräch. Die mobile Dolmetschanlage, die uns an den drei Tagen begleitet hat, kommt an die Steckdose, denn der Veranstalter hat zwei Dolmetscherkabinen aufbauen lassen. Wir arbeiten dreisprachig, Französisch, Deutsch, Englisch. Die Techniker sind im Dauereinsatz. Wir auch: Wir haben eine Lexik erarbeitet, die über die Tage wei­ter­wächst und verbessert wird. Hier notieren wir Begriffe, die in keinem Wörterbuch stehen.

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Fotos: C.E. (Archiv)

1 Kommentar:

OHE hat gesagt…

Hattest Du schon mal, das Thema. H.