Dienstag, 12. März 2013

Ei, Milch, Fleisch

Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte Englisch. Wie Sie mich buchen können, steht rechts. Heute mal wieder: Blick auf meinen Schreibtisch.

Eine Anfrage aus einem französischsprachigen Land. Ob ich denn jemanden kennen würde, der bei einem Dokumentarfilmprojekt als Rechercheurin, Dolmetscherin und Fahrerin in Dresden mitarbeiten könnte. Oder ob ich nicht vielleicht selbst ...

Blick von der Rückbank auf den Fahrer: Alles ist unscharf, die Lichter auf der Straße zeichnen Linien.
Klare Sicht voraus: müder Dolmetscher
Das genannte Thema liegt mir, da beißt die Maus keinen Faden ab. Zum Glück geht es bei dem Film um keines meiner Herzblutthemen. Gedreht werden sollen bio­gra­fi­sche Interviews zu einem wichtigen histo­ri­schen Thema, die Einarbeitungszeit wäre nicht unerheblich. Solche Interviews sind kom­plex, kompliziert — und am Ende ist unsereiner KO.

Ich antworte bestimmt und knapp etwas in dieser Art: Dolmetschen ist eine höchst anstrengende, herausfordernde Tätigkeit, bei der sich Profis alle 20 Minuten abwechseln, um das zurecht erwartete hohe Niveau zu gewährleisten. Wenn sich jemand von uns findet, um in Ausnahmefällen bei unterfinanzierten Projekten auch mal länger zu dolmetschen, mit kurzen Pausen notwendigerweise, weil wir auf unsere Grenzen = Gesundheit achtgeben müssen, ist dennoch anschließend der Erschöpfungsgrad so groß, dass er in seiner Wirkung mit erhöhten Promillewerten im Blut verglichen werden muss.

Wer sich selbst und den anderen gegenüber verantwortungsbewusst ist, setzt sich weder im Zustand der Trunkenheit noch großer Übermüdung ans Steuer.

Am Ende von langen Berlinaletagen holt mich zum Beispiel immer jemand aus der Berlinale-WG ab. Ich habe dann sogar Angst, die Straße allein zu überqueren, so genau weiß ich, dass ich nicht auf dem Quivive bin.

Der Job war übrigens eher auf dem Niveau eines Chauffeurs als auf dem Niveau eines Dolmetschers entlohnt. So viel zu den glänzenden Berufsaussichten für Filmdolmetscher, wenn sie mit eierlegenden Wollmilchsäuen verwechselt werden.

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Foto: C.E.

Dieses Thema kommt immer wieder,
hier ein älterer Eintrag.

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