Mittwoch, 6. Februar 2013

Globalidingsbums

Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Über­setzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte Englisch. Wie Sie mich buchen können, steht rechts. Heute habe ich wieder ein sehr langes Wort gelernt (es steht ganz unten).

Beim Frühstück streift mein Blick über die Fensterbank nach draußen, es ist heller als noch vor einer Woche. Ich sehe meine Palme, die muss vor der Berlinale in einen anderen Topf, meine Augen streifen die Blume, hier steht meistens eine, der Blick bleibt an einer Glasvase hängen und an den Findlingen darin. Die Steine haben ein besonderes Muster. Schlagartig fällt mir der gestrige Tag ein.

Später Nachmittag, ich sitze in Berlin-Mitte bei einem Dolmetschkunden. Bevor wir auseinander gehen, soll ich noch helfen, eine Stellenanzeige zu schalten. Ich rufe eine Seite auf, die auch mit schicken Steinen wirbt, und gebe die Daten ein. Adresse des Auftraggebers: Frankreich. Rechnungs­adresse: Schweiz. Wir suchen für: Berlin, Deutschland.

Es ist mühsam. Gefühlte Dutzende Häkchen sind zu setzen, Optionen auszuwählen, ich muss hellwach sein. Beim Übertragen per Copy & Paste zerschießt es unser Word-Layout. Ich fange nochmal an. Endlich dürfen wir zahlen. Kreditkarte. Das System bricht zusammen.

So eine Situation hatte ich mit diesem Anbieter schon mal, damals war die Zeit knapp, so durften Mitarbeiter der Seite das Einpflegen unserer Daten übernehmen. Ich rufe in der Zentrale besagter Firma an. Ob ich denn vor der Dateneingabe meinen Cache geleert und alle Cookies gelöscht hätte, will mein Gesprächspartner wissen. Hatte ich natürlich nicht, das stand ja auch nirgendwo. Also zweiter An­lauf. Auswählen, Häkchen setzen, wach sein, Layout reparieren, Rech­nungsadresse angeben, Kreditkarte ... Das System arbeitet ... Sanduhr ... Sanduhr ... und bricht zusammen.

To make a long story short: Am Ende habe ich mit jemandem von der Finanz­ab­teilung nämlichen Unternehmens telefoniert. "Drei Länder, eine Anzeige, das ist meistens ein Anzeichen von Kreditkartenbetrug!", höre ich jemanden sagen. Ich buchstabiere das Wort "Globalisierung". Am anderen Ende der Leitung heißt es: "Mir sind die Hände gebunden!" Hm, klingt unbequem. Ob nicht ein Kollege mal zur Schere greifen könnte, bitte? Am anderen Ende der Leitung heißt es: "Es ist nur zu Ihrem Schutz!" Wo wir doch hier telefonieren und bestätigen, dass keine Kredit­karte geklaut wurde, die anderen Nummern können gerne auch alle angerufen werden ... und der "Verursacher" ist ja wohl leicht zu identifizieren, die Jobanzeige weist auch noch eine Mailadresse auf.

Da es die x-te Anzeige ist, die mein Auftraggeber hier schaltet, rege ich einen Preisnachlass an, auch für den Mehraufwand, der uns entstanden ist: Mehr als eine Stunde länger hat uns die Arie gekostet, als eine kleine Anzeigenaufgabe sonst dauern darf. Und, Herrschaften, mal so ganz unter uns katholischen Pastoren­töchtern, "Kreditkartensicherheitsrisikeneinstellungen" sind menschengemacht und müssten demnach auch von Menschen geändert werden können. Wir sind doch keine Roboter!

Ach, und die famose Stellenanzeigenseite hat einen Kunden verloren. Dieses Mal sind wir nur noch dabei, weil die Daten ja im System waren. Ein drittes Mal ein­geben, nein Danke!

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Foto: C.E.

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