Freitag, 31. August 2012

einnehmend

Willkommen! Sie lesen gerade in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich bin Übersetzerin und Dolmetscherin, meine zweite Sprache ist Französisch, die dritte Englisch. Wie Sie mich buchen können, steht rechts. Bis dahin denke ich mal weiter nach, derzeit über ein Wort aus meiner Muttersprache.

Gerade fühle ich mich wie eine Studentin. Montag habe ich berichtet, dass ich mich auf die Wiederholung einer Prüfung vorbereite, die ich vor allem aus Gründen der rückwirkenden Nichtanerkennung einer französischen Prüfung nochmal machen darf. (Da sprechen alle von Mobilität und Europa, sowas!) In diesem Zusammenhang sortiere ich Arbeitszeugnisse ... und lasse mir aufwändigere Einsätze bescheinigen.

Was meine Situation von damals unterscheidet: Ich bekomme die Texte vorab zur Einsicht zugemailt. Damit habe ich Zeit, mich in die Geheimsprache in Arbeitszeugnissen einzulesen.

Ganz schön perfide, wie da zum Teil "kommuniziert" wird. Hintergrund ist, dass hier Arbeitgebern ausschließlich wohlwollende Äußerungen gestattet sind, um den zu Beurteilenden keine Hindernisse in den künftigen Berufsweg zu legen. Über die Jahre hat sich daraus eine Art Geheimwissenschaft entwickelt. Die Grundhaltung von Zeugnislesern scheint also der zu sein, den versteckten Malus zu finden. So kommt es, dass ich stutze, wenn in einem Entwuf von einem "einnehmenden Charakter" die Rede ist. Ich kenne "einnehmend" eher in Zusammenhang mit "Wesen".

Einnehmendes Wesen: stoisches Wesen / bei einem Hund

Stoizismus brauche ich bei manchen Einsätzen. Sagt der Begriff aber wirklich etwas über Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Verhalten aus? Und sind meine Zeugnisse über zwei Mal drei Tage innerhalb von zehn Jahren mit qualifizierten Arbeitszeugnissen zu vergleichen? Wie groß sind hier die Interpretationsspielräume? Wenn ich an meine Verständnisgrenzen stoße, suche ich im Netz erst nach Synonymen, dann nach Vokabeln und Verwendungsbeispielen auf Deutsch, Französisch und Englisch.

Synonyme für einnehmender Charakter: einen Handel machen, einen Einbruch begehen, einen antrinken ... eine hohe Meinung habenBringt auch nicht immer was. Das Internet-Wörterbuch Leo.org schlägt mir z.B. avenant (zuvorkommend) vor sowie captatif (geht in Richtung "fesselnd", "possessiv"), auch auf Englisch wird über eine negative Bedeutung diskutiert. Dieses Mal komme ich also mit den Übersetzungsversuchen nicht viel weiter. Auf Deutsch finde ich im Netz gleichermaßen Zeilen über jemanden, der "einen sehr einnehmenden Charakter mit sehr viel Ego (hat), das Platz braucht", das wäre dann kein Charakterzug, der einer Dolmetscherin ansteht, wie auch, an anderer Stelle, "sonniger, einnehmender Charakter, das muss man einfach mögen."

Dieses schillernde Moment bestätigt mir die Seite helpster: Eine einnehmende Persönlichkeit zeichne sich durch "Freundlichkeit, Selbstbewusstsein, die Fähigkeit zu überzeugen, Warmherzigkeit und Kommunikationsstärke" aus ... aber möglicherweise auch durch egozentrisches Verhalten und dadurch, "dass sich jemand nach vorne drängt, penetrant ist und ständig Aufmerksamkeit sucht."

Eine frühere Studienkollegin, die vor etlichen Jahren in der Personalabteilung eines Konzerns tätig war, beruhigt mich. Sie meint, dass die Aussagen immer im Zusammenhang zu betrachten seien, dass hier, wo alles sehr positiv beschrieben würde, eindeutig die Kommunikationsstärken und das Eingehen auf die unterschiedlichsten Persönlichkeiten gemeint seien.

Gilt das auch weiterhin?

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Illustrationen: Woxikon, Wie sagt man noch?

Donnerstag, 30. August 2012

Neuroplastizität

Hallo beim virtuellen Arbeitstagebuch einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache (und aus dem Englischen). Als Sprachmittler |muss| darf ich regelmäßig viel lernen, denn ich bearbeite so unterschiedliche Themenbereiche wie Wirtschaft und Politik, Literatur und Kino, Medien und Soziales.

Die meisten Dolmetscher interessieren sich brennend für alles, was mit Denken, Lernen und Sprechen zu tun hat, kurz: mit Informationsverarbeitung des Gehirns. Deshalb bringe ich schon heute meinen "Link der Woche" (der sonst samstags fällig ist), weil folgender Dokumentarfilm nur noch bis Samstagmorgen bei Arte angesehen werden kann: ein Dokumentarfilm über die Plastizität des Gehirns, der viele bislang als unumstößlich geltenden Ideen sehr unterhaltsam umschmeißt!

Einem Probanden wird der Kopf verkabelt für eine neurologische Untersuchung.
Diesen Film anzusehen kann ich nur wärmstens empfehlen!

Was hier mit den "Reparaturmöglichkeiten" des Gehirns über unsere grauen Zellen erzählt wird, wirft natürlich auch Licht auf die normalen Funktionsweisen unseres Oberstübchens.

"Neustart im Kopf", Film von Mike Sheerin, CBC/Arte France, mit Norman Doidge, Michel Cymes, Eric Wessberge, Frankreich/Kanada 2009, 70 Min.

Und wo ich gerade dabei bin, möchte ich an den großartigen Satz des Biologen Lyall Watson erinnern: "Wenn das Gehirn so einfach wäre, dass wir es verstehen könnten, dann wären wir so einfach konstruiert, dass wir es nicht verstehen könnten." (If the brain were so simple we could understand it, we would be so simple we couldn't.)
◊ ◊ ◊
A voir avant samedi prochain. Encore un passionnant documentaire sur la neuro-plasticité, découverte qui bouscule joyeusement tant d'idées reçues. Précipitez-vous ! « Les étonnants pouvoirs de transformation du cerveau », film par Mike Sheerin, CBC/Arte France, avec Norman Doidge, Michel Cymes, Eric Wessberge Canada/France 2009, 70 minutes.

Et je profite de l'occasion pour citer le biologiste Lyall Watson, une de mes phrases préférées par rapport à la matière grise : « Si le cerveau était si simple que nous puissions le comprendre, nous serions si simples que nous ne le pourrions pas !»

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Foto: Arte

Mittwoch, 29. August 2012

Autsch!

Hallo, hier lesen Sie, was Sie sonst niemals hören würden, denn hier berichtet eine Dolmetscherin aus dem Inneren einer nach DIN schallisolierten Kabine. Ich lebe und arbeite in Berlin, Paris und dort, wo ich gebraucht werde — und ich notiere hier so manches, was Kollegen und mir bei der Spracharbeit in Berlin, Paris und anderswo auffällt ... (wenn ich nicht gerade am Übersetzerschreibtisch sitze). Wie Sie uns erreichen und buchen können, steht übrigens gleich rechts.

Verwaschene Hinweistafel aus einer Holzfabrik: Arbeiten Sie immer mit Arbeitsschutz ("travaillez toujours avec le protecteur". Dem armen Krokodil wurde von der Schneidemaschine der schöne, lange "Schnabel" in viele kleine "Partituren" verhackstückt ...
Arbeiten Sie immer mit Arbeitsschutz
Es gibt Tage, da läuft in meinem sprachbetonten Alltag alles akustisch prima. Und an anderen Tagen funken sie uns böse rein, selten sind es echte Funkgeräte wie die irgendwelcher Privatleute, weitaus öfter stört uns das Knatter-knatter-pieps-piiieps der Mobiltelefone. Oder aber es gibt eine andere Störquelle im Raum. Sowas wie neulich fürchten wir immer.

Die Technikprobe eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn war problemlos verlaufen, da hatte man aber das Zusatzlicht für die Videokamera zwischendurch wieder ausgeschaltet. Als es dann losging, hörte ich erst das Podium, dann Knurps-knurps-knack-knack und dann ein echtes Funkloch, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dann war der Ton wieder da. Wenig später: Knurps-knurps-knack-knack und Funkloch, dann durfte ich weiter die Rede verfolgen.

Dieses Stakkato war natürlich nicht nur schmerzhaft fürs arme Ohr, das sich dauernd anstrengen musste, um alles mitzubekommen, es konnte möglicherweise auch peinliche Auswirkungen haben: Mir fehlte immer wieder ein Fitzelchen Info, das in diesen gefühlten 2,5 Sekunden zwar die geneigte Hörerschaft im Raum, nicht aber die Dolmetscherkabine erreichte. Okay, wir waren bei der Begrüßungsrunde, das ist wie beim Dolmetschen von Eheschließungen: Personal bekannt, Text auch. Bei derlei schalte ich auf Autopilot und |singe| spreche sowieso lieber vom Blatt, die Namen der beteiligten Menschen und |Trauzeugen| Institutionen zum Beispiel. Aber gleich sollte es tagungsmäßig richtig kompliziert zur Sache gehen.

Ich drückte also die Räuspertaste, klopfte an die Scheibe und winkte dem Techniker, der griff mit einem ebenso entsetzten Gesichtsausdruck zum Kopfhörer wie die Dolmetscherkollegin, die gerade noch ihre Sachen auspackte. (Ich weiß, beide hätten schon zuhören sollen, aber in der Routine gingen erstmal alle davon aus, dass es nach der Technikprobe, die der Techniker und ich alleine gemacht hatten, einfach so weitergeht.)
Die Kollegin jedenfalls, sie saß näher am Ausgang als ich, sprang ebenso schnell aus der Box raus wie die berühmte Figur aus dem Kästchen, die mit der Spiralfeder unten. Sie stellte ihren Stuhl in die Kabinentür, ich schaltete auf ihr Mikro um und lauschte direkt in den Saal hinein. Währenddessen schwitzte der Techniker an Technik- und Stomverteilerpult.

Was es genau war, weiß ich bis heute nicht, die Reparatur hat ein Weilchen gedauert. Vielleicht wurden plötzlich beim hauseigenen Verteilerkasten, den normalerweise an der Wand hinter der Kabine ein schöner Wandvorhang verdeckte, durch die zusätzlichen Stromverbrauche irgendwelche historischen Sicherungen oder Leitungen genutzt oder die Masse dessen, was da auf einmal insgesamt durchfloss, wirkte sich als störendes Magnetfeld aus. (Das ist jetzt allerdings nur |Milchmädchen-, ähhh...| Dolmetscherinnentheorie, "in Strom" kenn' ich mich echt nicht aus.) Zwischendurch gab es beim Hin- und Herschalten nochmal einen kathedralen Nachhall im Raum, wohl auch, weil das Podium mit direktem Blick auf uns natürlich merkte, dass was nicht stimmte, inzwischend auch nervös an seiner Technik rumfingerte und sich dabei auch noch sprachlich ein wenig verstolperte. Autsch! Aber das ist eine andere Story.

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Foto: C.E.

Dienstag, 28. August 2012

Sitzfleisch

Hallo aus Berlin! Sie sind bei einem Weblog aus der Welt der Sprachen gelandet. Hier schreibe ich über Dolmetschen und Übersetzen für Medien, Politik, Wirtschaft, Kunst, Gesellschaft und Soziales. Ich arbeite in Berlin, Paris, München und dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Französisch (2. Sprache) und Englisch (3. Sprache, passiv, d.h. ich dolmetsche auf Konferenzen aus dem Englischen, aber nicht zurück).

Spaziergänger und Jogger am Kreuzberger Landwehrkanal im goldenen Abendlicht
Warum wundern sich Kunden eigentlich nicht darüber, wie teuer Anwälte sind? Sie haben lange studiert, bilden sich in ihren Fachgebieten regelmäßig weiter, sind vernetzt, worüber sie allerlei wichtige Infos erreichen, gehen mit Kunden und Kollegen essen, Cocktails trinken oder auch mal in die Oper, belegen (oder geben à la |learning| specializing by teaching) Auffrischungskurse oder nehmen an Konferenzen teil. Der Kauf teurer Fachliteratur und repräsentativer Kleidung ist auch nicht zu vergessen. Sie haben einen anspruchsvollen Beruf, einen Verdienstrückstand durchs lange Studium und hohe Gestehungkosten.

Das alles kennen wir Dolmetscher, aber leider auch die Bemerkungen über unsere vermeintlich so hohen Honorare. Doch auch uns wird viel abverlangt. Was bestenfalls so aussieht, als würde es mühelos stattfinden, ist zumeist Ergebnis harter Arbeit. Und die findet jeden Tag statt, auch, wenn kein konkreter Einsatz im Kalender steht. Wir brauchen Sitzfleisch.

Heute waren das für mich: Eine Stunde Englisch, 1,5 Stunden Zeitungslektüre zu aktuellen Themen, darunter auch das sehr empfehlenswerte Dossier der "Zeit" über die "Strompreislüge", dann eine Stunde Wortfeldarbeit zu Energiewirtschaft und Atomenergieausstieg, zwischendurch Telefonrecherchen und Terminabsprachen fürs kanadische TV, Kaffeepause und Einsatzplanung für den September. Nach der frühen Mittagspause stehen an: Rechnungen und Mahnungen, ein Sitzungsprotokoll schleifen, das zweite dieses Monats, meine Ergebnisse für die Kanadier zusammenfassen, Belege vom Sommer auftackern und einheften.

Beim Joggen im (hoffentlich wieder) güldenen Abendlicht werde ich zum zweiten Mal den Podcast einer französischen Radiosendung über die europäische Wirtschaft hören. Ich jogge oft auch ohne Sound und kann dann den Kopf völlig frei kriegen. Aber im Juli bin ich mit dem Fuß umgeknickt und darf mich noch nicht richtig wieder austoben. Daher ist es kein richtiges Joggen und ich werde dabei den den MP3-Player wie sonst oft bei Spaziergängen nutzen.

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Foto: C.E.

Montag, 27. August 2012

geeicht

Hallo! Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache. Rechts finden Sie meine Kontaktdaten, unten lesen Sie Notizen aus dem Alltag von Spracharbeitern.

Stempelkarussell mit Stempel "bezahlt"Neulich, in der Mailbox: "Liebe Frau E., sind Sie geeichte Dolmetscherin? Können Sie Dokumente erstellen, die bei Gericht vorgelegt werden?"

Das merke ich mir. Ich würde ja eher eine Waage eichen, ein Thermometer oder derlei ... nicht aber einen Menschen. Zur zweiten Frage: Ich bin keine Anwältin. Ich erstelle also keine Dokumente, sondern vollziehe diese als Übersetzerin lediglich nach. Das Ergebnis kann hinterher jeder beeidigte Übersetzer beglaubigen. Ich zähle derzeit nicht zu dieser Gruppe.

Zwei Mal im Jahr frage ich, ob ich nun soll oder nicht ... noch schnell mal eben diese deutsche Anerkennungsprüfung nachmachen und mich beeidigen lassen, denn vor |etlichen Monaten| einigen Jahren wurde die gesetzliche Grundlage dafür geändert und ich habe den Zeitpunkt verpasst, auf Vertrauensschutz zu klagen mit meinem inzwischen historischen Diplom für Handelsfranzösisch der Pariser Industrie- und Handelskammer. Diese Änderungen traten letztes Jahr in Kraft — und etliche meiner Dolmetscherkolleginnen haben damals ihre Stempel zurückgegeben, auch, weil das Übertragen von Dokumenten in andere Sprachen unterbezahlt ist.

Dokumente zu übersetzen ist echter Kleinknüselkram. Buchstabe für Buchstabe müssen eigenwillig geschriebene Namen und viele Daten akkurat abgetippt und verglichen werden. Was daran am meisten Zeit kostet, sind neben dem häufigen Lesen das Umschalten von einem Job auf den anderen ... Andererseits kommen diese Anfragen derzeit immer häufiger rein.

Hintergrund der ganzen Arie ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von Januar 2007, denn die Dolmetschergesetze waren in fast jedem Bundesland anders und mussten vereinheitlicht werden. Die Prüfungen zu dieser Anerkennung, Grundlage für eine gerichtliche Beeidigung, werden in Berlin und in Leipzig, was die nächstliegende Adresse wäre, diesen Herbst nicht abgenommen. Prüfungen finden jährlich im Umfeld parallel zur Berlinale, zu den Filmfestspielen von Cannes und mitten in den Sommerferien statt (und die Dolmetscherprüfung wird in in Berlin nicht angeboten). Deshalb hatte ich bislang keine Eile damit. Aber in Deutschland sind alle immer scharf auf Zeugnisse, und wo ich mir vor kurzem das Duplikat meines allerersten Dolmetscherlehrgangs im Bereich Jugendarbeit besorgt habe zwecks Eintragung auf der dfjw-Dolmetscherliste ... hm. Was nun?

Das Nachdenken hat mich Zeit gekostet. In der Zwischenzeit habe ich wie sonst weitergearbeitet, wurde einfach ad hoc beeidigt. Auf der anderen Seite kenne ich kein Land, das Zeugnissen, Zertifikaten und sonstigen Zetteln eine derartige Bedeutung zumisst wie Deutschland. Also auf der Webseite macht sich das schon gut ...

Ich werde nun nächstes Jahr direkt nach der Berlinale in Richtung Rostock aufbrechen, um dort beim Lehrerprüfungsamt die kombinierte staatliche Anerkennungsprüfung für Übersetzer und Dolmetscher zu machen und mich anschließend in Berlin bei Gericht beeidigen lassen. Wie gesagt: Erfolgreich geprüft wurde ich bereits vor Jahrzehnten, anerkannt war das lange. Eine Klage auf Vertrauensschutz hätte vermutlich Tausende von Euro gekostet, das Wiederholen der Prüfung geht nur in die Hunderte.

Das Äquivalent von 550 DM hatte mich der Spaß damals inklusive privatem Vorbereitungskurs als Studentin gekostet. Diese Summe wird jetzt allein fürs Prüfungsverfahren fällig, allerdings in Euro. Die Klausuren, Hausaufaben und mündliche Prüfungen sind gleich geblieben, nur die Währung inzwischen anders "geeicht". Die Beeidigung kostet dann nochmal zusätzlich. Was tut unsereiner nicht alles fürs Image! Das Ganze werde ich unter |"Wirtschaftsförderung"| Werbungskosten abbuchen.

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Foto: C.E. (Archiv)

Samstag, 25. August 2012

länger flexibel

Hallo! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über ihren Berufsalltag. Heute ist Samstag, Zeit für den "Link der Woche".

Die NZZ brachte unter der Überschrift "Das Gehirn zweisprachiger Kinder bleibt länger flexibel" diese Woche einen Artikel über zweisprachige Kindererziehung und ihre Fähigkeiten. Autorin des Artikels ist Lena Stellmach.

Zur Frage des frühen Sprachenlernens hier ein Zitat: "Vermutlich sei die Pubertät ein Wendepunkt, sagt Steffi Sachse vom Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm. Einige Studien wiesen darauf hin, dass der Perfektionsgrad beim Spracherwerb danach langsam abnehme; vor allem was die Aussprache und die Grammatik betreffe. Einen reichen Wortschatz könne man hingegen bis ins hohe Alter noch erwerben."

Weiter hier: klick!
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Donnerstag, 23. August 2012

Eigenschaften

Hallo! Sie haben die Seite eines digitalen Arbeitstagebuchs angesteuert. Meine tägliche Beschäftigung gilt den Sprachen und der Inhaltsvermittlung als Dolmetscherin und Übersetzerin. Welche Eigenschaften müssen Menschen mitbringen, die in diesem Feld tätig sein möchten?

So, ich bin dann mal kurz weg! Die meisten Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind beruflich oft auf Achse, das ist manchmal etwas kompliziert und bedarf einigen Managements, wenn Kinder vorhanden sind. Aber Organisationstalente sind wir ohnehin meistens längst, haben wir ja doch in der Regel in verschiedenen Ländern und Sprachen studiert (und zwar länger als ein oder zwei Semester über "Erasmus"), und dabei die Beziehungen zu Heimatland und -sprache nie völlig abreißen lassen.

Arbeiten am Meer: Ich habe nur abends etwas Zeit für mich
Und so schnell wie ich weg bin, so schnell bin ich dann meistens auch wieder da. Wichtig: Flugangst passt nicht zum Dolmetscherberuf.
Was ich mache? Die Aufträge können sehr vielfältig sein. An einem Tag kann ich für die Gattin eines Konzernchefs beim Shopping dolmetschen, tags drauf ein Presseinterview oder einen Wohnungsverkauf beim Notar.

Zwischen der (zum Teil auch inhaltlichen und) sprachlichen Betreuung von Dreharbeiten für Sender wie Arte (Ende September) und Radio Canada/TV (ab dem 13.10.) ist noch Zeit, für eine Konferenz oder eine Ausschusssitzung zu pauken. Das ist übrigens das Stichwort: Vorbereitung ist die halbe Miete. Wer nicht gerne lernt, sollte sich einen anderen Beruf aussuchen. Ich lerne jeden Tag, lese regelmäßig mehrere Zeitungen sowie Fachliteratur, das Ganze auf der Basis einer mehr als durchschnittlichen Allgemeinbildung.

An einem Abend stehe ich auf der Bühne eines Kinos, ein französischer Film feiert Deutschlandpremiere, dann bin ich wieder wochenlang allein beschäftigt und übersetze ein Drehbuch oder studiere im Selbststudium Wirtschaft (und bin dabei in Paris oder in Berlin) ... Also dürfen Dolmetscher weder Angst vor Rampenlicht noch vor Einsamkeit haben.

Welche Eigenschaften müssen angehende Dolmetscher noch mitbringen? Ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Neugierde, keine Berührungsängste oder Menschenphobien, denn je nach Situation haben wir keine Möglichkeit, uns komplett zurückzuziehen. Zudem die Fähigkeit, mehrere Dinge hochkonzentriert parallel zu machen, eine gute Aussprache, Rhetorikkenntnisse, ein großes Maß an Arbeitsdisziplin ... und natürlich hervorragende Sprachkenntnisse in der Muttersprache sowie den Fremdsprachen. Die Arbeit des Dolmetschens selbst, die als Technik an Hochschulen gelehrt wird, ist am Ende verglichen mit den anderen Voraussetzungen ein Klacks. Naja, ich untertreibe. Aber nur ein bisschen.

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Foto: C.E.

Dienstag, 21. August 2012

Rhythmus

Willkommen beim ersten Weblog Deutschlands, der in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier oder am Übersetzerschreibtisch denke ich öffentlich über die Grundlagen unseres Berufs nach, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Die beiden Felder "Übersetzen" und "Dolmetschen" haben viel gemeinsam, darunter auch das Thema "Vokabelnpauken".

Das Wort Rhythmus gehört zu den Wörtern, die ich in meinem Leben bestimmt schon dreimillionenvierhunderteinundfünfzigtausendsechhundertsiebenundfünfzig Mal in anderen Spachen nachgeschlagen habe. Vor allem, weil da irgendwo ein "h" rausfliegt, hm, wie war das gleich noch? Im Englischen hört man ja vor allem das Tie-Äitsch, da ist das zweite "h" auf jeden Fall dabei. Vielleicht das erste dafür nicht? Und dann könnte ja auf Französisch das zweite rausgefallen sein, das Wort wird ja am Anfang viel stärker betont, da ist das "h" sicher noch dabei. Was die in mir logische Reihung der Rhythmus, the rythm, le rhytme machte. Was leider völlig falsch war. Soviel zu vermeintlich logischen, "hörbaren" Erklärungen. Ich glaube, an der Frage und dieser "Begründung" habe ich als Teen mal bei einer Klassenarbeit rumgeknobelt, und ich fand mich wirklich überzeugend.

Also nochmal und dieses Mal richtig: Der Rhythmus, the rhythm, le rythme. Ganz einfach ... verwirrend.

Schreibtischdraufsicht mit Vokabelkarteikarten, Vokabellisten, Wörterbuch etc.
"Draufsicht" oder "Vogelperspektive": Mein kleiner Schreibtisch
Das war jetzt eine überlange Einführung von der Art, wie ich sie mir als Journalistin immer selbst weggestrichen habe (in |vorauseilendem Gehorsam| frühreifer Selbsterkenntnis) und die, ich geb's ja zu, kurz vor plemplem ist.
Aber die ach so komplizierten Hinleitungen öffnen mir stets den Weg hin zu etwas anderem.

Worauf wollte ich hinaus? Ach, richtig. Arbeitsrhythmus und Erinnern. Es ist nämlich sehr wichtig für uns Spracharbeiter, ganz regelmäßig, am besten zwei Mal am Tag, Vokabeln zu wiederholen, nachzuschlagen, vor sich hinzumurmeln, auf die hauseigene Wandtafel zu schreiben oder auf der Lernkartei zu sehen oder sie sich lediglich vors geistige Auge zu rufen, je nachdem, welcher Lerntyp man ist.

Wenn ich damals als Schülerin schon so gearbeitet hätte wie ich heute arbeite, also immer gleich notieren und nachschlagen, ich hätte das Wort in meinem Leben maximal sieben Mal nachgeschlagen oder falsch gemacht ... und dann eben nicht mehr. Lernen ist einfach und banal zugleich: Wiederholungen in sich verlängernden Intervallen. Mehr ist es nicht. Aber auch nicht weniger.

Gleich nochmal wiederholen: Der Rhythmus, the rhythm, le rythme.

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 20. August 2012

Fachdolmetscher

Bienvenue und Willkommen beim ersten Dolmetscherweblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Oft arbeiten wir aber auch draußen, bei Gericht, am Set, auf der Straße ... oder alles zusammen. Meine Aufgabe ist das Dolmetschen und Übersetzen für Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien

Zwei Anfragen kamen innerhalb von einer Woche zu technischen Themen rein: Ein Mal ein detaillierter Unfallschadensbericht, ein anderes Mal ein Patentantrag, zwei komplexe Bereiche, von denen ich keine Ahnung habe. Aber ich konnte gute Kollegen vermitteln, die in diesen Bereichen zuhause sind, so wie ich zum Beispiel auch Übersetzer für Philosophie, Comics, Reiseführer und Musikkritiken kenne.

Elektroartikel, Leuchten, alter Staubsauger und Lampe, s/w-Grafik.
Technik ist kein Fachgebiet von mir
Neulich kam was rein, das zu mir gepasst hätte: In einer großen Werkstatt schwitzen Filmarchitekten an der Vorbereitung eines Drehs, Neuverfilmung eines Klassikers. Wer Mantel- und Degenfilme in der Studiodeko herstellt, der muss eine solide Filmfinanzierung aufbauen, sowas kostet. Die Mitarbeiter kommen, weil Frankreich und Deutschland gleichermaßen finanziert, aus beiden Ländern und verständigen sich ...

Also sie sollen sich auf Englisch verständigen. In zehn Jahren dürfte das niemandem mehr schwer fallen oder in 15, heute aber arbeiten da noch viele nicht mehr ganz jugendliche Franzosen, die mit Englisch ... naja. Auf deutscher Seite gibt es auch noch einige nicht mehr ganz grünschnäbelige Ostdeutsche, die aus historischen Gründen entschuldigt sind, also umständehalber spät mit dem Englischlernen angefangen haben. Heute wäre es schön, wenn dort jemand für die Sprache mit dabei wäre, stellten die Leute jedenfalls fest, als die Eindeutigkeit der Kommunikation mit BSE, Händen und Füßen schwer zu finden war.

Also durfte ich kostenvoranschlagen, es wurde vorgetragen und diskutiert, denn von Anfang an war unklar, ob es überhaupt die Möglichkeit gibt, jemanden anzuheuern. Nun, die Sache ist noch immer nicht entschieden. Dieses "Neulich" ist übrigens schon etwas länger her. Um's kurz zu machen: Stelle schaffen wäre sinnvoll, Bewerber gibt's auch, Missverständnisse kosten Geld, das wissen alle. Und ein in großem Umfange mengenrabattiertes Dolmetscherhonorar müsste für eine große Produktion ein Klacks sein, wo doch |wochen|monatelang gebaut, geschneidert und geprobt wird! (Schade, ich hätte gern mein Fachgebiet Innenarchitektur mit der Filmspezialisierung verbunden).

Warum hier nicht sinnvoll investiert wird, ist mir ja manchmal schleierhaft, denn Profis helfen Geld zu sparen. Vor vielen, vielen Jahren — ich holte mir ja etliches Filmvokabular am Set bei der Komparserie — durfte ich mal miterleben, wie der Drehtag einer deutsch-französischen Koproduktion mit Dutzenden Komparsen, Regenmaschinen, mehreren Kameras, viel Licht (es war ein typisch grauer Berlintag) und Hubschrauber auf stand by ... naja, stundenlang nicht in die Pötte kam.

Myself in den Zwanzigern ... also Jahre und Lebensalter ... mit schicker Frisur.
Dabei fuhr ständig jemand von der Ausstattung (französischer Zunge) nach Babelsberg, kam wieder, hatte nicht das Richtige dabei, fuhr erneut. Die Dispo war am Ende maximal bis zur Hälfte abgearbeitet ... und wir durften alle nochmal kommen. Der Drehtag kostete glaube ich um die 65.000 DM.

Fürs "Amüsemang" hier ein |Beweis|Castingfoto von mir aus dieser Zeit. Wir sind noch fast in der Ferienzeit und gewissermaßen "unter uns".

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Fotos: Privatarchiv

Sonntag, 19. August 2012

Hofidylle

Hallo! Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin (für die französische Sprache) über besondere Wörter, Episoden und diverse Alltagsmomente im Leben von Spracharbeitern. Sonntags werde ich privat und zeige meine Lieblingsaufnahmen.

"Der Sommer geht langsam zur Neige", sagt der Achteinhalbjährige und löst bei mir Kopfschütteln aus, jetzt genießen wir erstmal diese kurze Hochsommerphase. Aber was liest der weltbeste Patensohn eigentlich heimlich? Klingt verdammt klassisch. Altersgemäßer war da noch seine Reaktion auf den verschneiten Weg zum Brocken hoch, Ostern vor zwei Jahren: "Der berühmte Mann, der gesagt hat, dass Ostern kein Schnee mehr liegt, hat sich geirrt!" (Die grinsenden Gesichter der anderen Spaziergänger ...)

Hier folgen Sonntagsbilder aus unserer Hofgartenidylle.

Schnecke an was für einer Blume, Heiner?Das "Skelett" eines großen Blattes vor Efeu

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Fotos: C.E.

Donnerstag, 16. August 2012

Brainfood

Haben Sie sich schon mal einen Arbeitstag lang in einer zwei Quadratmeter kleinen Box (mit Lüftung) aufgehalten? Wenn nicht, dann haben Sie vermutlich im Beruf nicht intensiv mit Sprachen zu tun ... Wir Dolmetscher arbeiten in solchen Kabinen und ich schreibe dort oft Texte für dieses Blog oder am (großen) Übersetzerschreibtisch. Hier können Sie Einblick nehmen in unseren wechselvollen, spannenden und anstrengenden Alltag. Viel Spaß beim Lesen!

Neulich in Frankreich: Entkräftet schleppten wir Dolmetscher uns vom Arbeitsort. Es war später Nachmittag, es lagen einige lange, anstrengende Tage mit viel Sprachwirrwar hinter uns. Mittags hatten wir wie alle vom Buffet essen können (Hinterkopf fragt: Seit wann steht das Essen auf den Warmhalteplatten?), nachmittags gab's Kuchen, Tee und Kaffee à volonté. Ich habe dann immer Obst in der Tasche und Fruchtschnitten oder das "Assistentenfutter", denn diese Weißmehlkekse ... ach, Schwamm drüber!

Weil ich noch für das verlängerte Wochenende in Frankreich blieb, bezog ich kurz darauf eine kleine Ferienwohnung. Den Bioladen hatte ich auf dem Weg dorthin gesichtet (repérer, Achtung, das dazugehörige Nomen, le repérage, kennen Filmleute eher als "Motivsuche").

Nach dem Abwerfen der Reisetasche in der Wohnung ging's erst in ein schickes Restaurant, dann in den Bioladen, schließlich kaufte ich noch Walnüsse beim "Späti" an der Ecke. Das Mahl war gar kulinarisch: Frischer Seeteufel (la lotte) mit Reis und Salat, danach eine winzige mousse au chocolat. Nach Einkäufen und Essen war ich reif für den Spätnachmittagsschlaf.

Blauer Tisch, ziegelrote Fliesen und das beschriebene Essen darauf im Abendlicht.
Am Abend genoss ich (im Uhrzeigersinn): "auf ein Uhr" frischen Orangensaft, auf zwei bis drei die Banane (die dann doch noch das samstägliche Müsli sah) und Pfirsiche (einer von den beiden wurde auch älter), Ziegenkäse auf halb sechs, auf acht Walnüsse, auf zehn Alfalfa-Sprossen, die schon im Reisegepäck waren, und Vollkornzwieback.

Auf elf liegt der Deckel meines kleinen "Gewächshauses", so nannte 1996 Kameramann Pierre Bouchez bei einem Arte-Dreh mein Keimgerät. Das Teil löst nicht nur bei den Kontrollen am Röntgengerät des Flughafens immer wieder Rufe der Überraschung aus, es hilft mir auch, wenn es mich im Winter nach Berlin verschlägt.

Ich bin keine Ökotrophologin, aber ich glaube, dass ich mich für eine fischessende Vegetarierin mit geistigem Hochleistungsjob recht ausgewogen ernähre: viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Gehirnnahrung sind vor allem Nüsse (mit viel Vitamin E), ich achte auch darauf, regelmäßig viel gutes Wasser zu trinken.

An diesem Abend aß ich schweigend, langsam und genüsslich. Erst lauschte ich den Vögeln auf Mückenjagd, dann klassischer Musik, dann einem franzsösischen Hörbuch. Ich ließ mir Zeit, um das gehäuft auftretende Vitamin C zu verarbeiten, denn es kommt auch in den Sprossen vor, die mich außerdem mit B-Vitaminen, Magnesium, Eisen und Aminosäuren beliefern. Alles zusammen schmeckte gar bonfortionös. Und ab Samstag konnte ich frisch gestärkt mein Wochende genießen!

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Foto: C.E.
Links: zu Nüssen, Hülsenfrüchten,
Brainfood
Filmtipp: "Erbsen auf halb sechs". Die
Zeitangaben helfen Blinden beim Essen.

Mittwoch, 15. August 2012

Geometrie

Hallo, Sie haben (absichtlich oder zufällig) das Weblog einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache angesteuert. Hier denke ich über unseren Berufsalltag nach. Heute geht es (nicht) über die Grundlagen der Geometrie.

Manche Übersetzerkunden wollen alles: express, billig und perfekt. Andere Kunden kennen das Bild vom magischen Dreieck, dessen Spitzen "schnell", "günstig" und "gut" heißen. Magisch deshalb, weil's das so nicht gibt. Entweder sind die Übersetzungen schnell und günstig, dann sind sie nicht gut, oder aber sie sind günstig und gut, dann sind sie nicht schnell, oder, naja, die dritte Variante können Sie selbst fertigdenken.

Manche Kunden hören nicht richtig zu, wenn wir Spracharbeiter sowas erklären. Meine Frage ist dann immer: "Bei welchem der drei Punkte möchten Sie Abstriche machen?" Mitunter schallt mir dann eine kleine Wunschtirade aus dem Telefonhörer entgegen wie das "Mehr!, mehr!", des kleinen Häwelmanns. Und so gibt es Momente, an denen sich unsereiner dann doch zähneknirschend dazu breitschlagen lässt, die Quadratur des Kreises mal wieder zu versuchen, schnell gute und günstige Arbeit zu liefern.

Ein Flechtkorb mit alten europäischen Münzen und Geldscheinen darin
Also: Arbeit Ende Mai, die Rechnung am Tag drauf, 1. Nachfrage Ende Juni, 2. Mitte Juli, Mahnung im August. Stellt sich die Frage, wann das Geld angewiesen wird.
Unsereiner wird jetzt nicht selten als Bank missbraucht, wo so manches Geldinstitut zu einem Casino geworden ist. Gemein, denn wir haben auch unsere Verpflichtungen.

Immerhin kam heute schon mal eine Antwort vom Kunden: "Ihre Rechnung ist zunächst wegen Urlaubs der Buchhaltung geschoben und dann vergessen worden, das tut mir echt leid. Die Buchhaltung hat mir aber versichert, dass sie jetzt sofort bearbeitet wird."

Na supi. Ich dämpfe in mir aufkommende, kleine Gewaltphantasien. (Wie war das gleich noch, wer bearbeitet jetzt den Buchhalter?) Aus dem magischen wurde ein Bermudadreieck oder so. (Wenn das mal ein Einzelfall wäre.)

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Foto:  C.E. (Archiv)

Dienstag, 14. August 2012

Frei für neue Abenteuer

Ganz herzlich begrüße ich Sie auf meinem Weblog. Es ist das erste virtuelle Arbeitstagebuch Deutschlands, das direkt in der zwei Quadratmeter kleinen Dolmetscherkabine entsteht ... oder am Übersetzerschreibtisch.

In Berlin riecht es schon nach Herbst. Morgens jedenfalls, die vielen (seit letzter Woche) zur Schule strebenden Kinderlein verstärken diesen Eindruck.

In Frankreich steht der Schulanfang, la rentrée, noch bevor. La rentrée bezeichnet den Wiederbeginn des schulischen, sozialen und kulturellen Lebens und geht etwa von Anfang September bis Mitte Oktober. Diese Unterschiede im Kalender wirken sich sehr deutlich auf meinem Alltag aus.
Bis dahin ist es ruhig in meinem Büro, viel zu ruhig wie ich finde.

Eine Schulklasse in denn 1950-er Jahren mit Lehrer und Schulbänken.
la rentrée, mehr als nur "der Schulanfang",
prägt das französische soziale Leben
Auch Spracharbeiter kennen das Sommerloch, eine Kollegin nennt das, in was wir fallen, sogar "Augustkoma". Am liebsten würde ich jetzt gerne einen Dreh vorbereiten ... aber Pustekuchen! Leider ist ein Star des französischen Kinos in Terminprobleme für den Spätsommer geraten. Die Person sollte knapp hintereinander an zwei Filmen mitwirken, die sich sogar leicht überschneiden. Der erste Dreh wurde aufgrund der Erkrankung eines Gegenspielers nämlichen Stars verschoben, was nun zur Umbesetzung des zweiten, "unseres" Films, geführt hat. Der neue Schauspieler wird aller Wahrscheinlichkeit nach keine Kommunikationsprobleme mit dem deutschen Team haben. Künstlerpech für mich, die ich schon in den Startlöchern saß.

Zeit für Däumchendrehen ist trotzdem nicht. Mein Büro bietet mir viel Beschäftigung mit der "Selbstverwaltung", wie Tobias neulich sagte. Außerdem steht noch Sommerbesuch ins Haus.

Seit Montag versuche ich mich täglich eine Stunde lang mit der Akquise von neuen Projekten, doch auch bei der Suche über die neuen sozialen Netzwerke (twitter, facebook) merke ich, dass halb Frankreich noch im Urlaub ist. Auch meine XING-, Linkedin- und crew united-Profile sind aktualisiert. Mal sehen, was ich mir da noch einfallen lasse. Ich werde davon berichten.

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Foto: privat (Archiv)

Montag, 13. August 2012

Filmdolmetscher, die 99.

Welcome, bienvenue, Sie sind auf der Logbuchseite einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache gelandet! Hier berichte ich von der Arbeit in der Kabine, vom Schreibtisch oder vom Set bzw. aus dem Funkhaus.

Nein, ich hab nicht mitgezählt, ob es wirklich die Neunundneunzigste ist oder nicht, weiß selbst ich nicht (... aber bei über 1250 Blognotizen in etwas mehr als fünf Jahren ist es durchaus möglich.)

Die Welt schrieb letzte Woche über die Nöte deutscher Schauspieler. Nur ca. 2 % können von ihrer Arbeit leben, auch viele hervorragende Leute finden ihr Auskommen längst nicht mehr. Trotzdem werfen private und staatliche Ausbildungsstätten jährlich bis zu 600 Nachwuchskräfte auf den Markt. Und während die Privatsender kräftig Dividende machen und die Öffentlich-Rechtlichen Milliardenbudgets verwalten, der deutsche TV-Markt weiter als finanziell bestausgestattete AV-Branche Europas zählt, verarmen auch andere Berufsgruppen, die mit Medien zu tun haben.

Link zum Artikel: "Leider kein Geld, dafür lecker Catering"

Dabei war "was mit Medien machen" lange für viele junge Leute Berufsziel Nummer eins. Zum Glück scheint sich die Misere rumzusprechen: Dem Vernehmen nach sinken an den Filmhochschulen die Bewerberzahle auf bislang unbekannte Tiefzahlen. Und der Tross |zieht| sucht weiter. Mancher (oder manche), der (bzw. die) mit den Schulfremdsprachen leidlich zurande kommt, stellt sich jetzt vor, die Nähe zum glanzvollen Mediensektor übers Dolmetschen und Übersetzen zu bekommen. (Wöchentlich bekomme ich jedenfalls viele Anfragen in diese Richtung.)

Vor dieser massenhaften "Umorientierung" kann ich nur entschieden warnen. Dolmetschen und Übersetzen für Film und Medien ist die Kirsche auf dem Sahnekuchen. Nur wer den Sahnekuchen so backen kann, dass alle ihn lecker finden, der darf am Ende auch die Kirsche oben draufdrücken. Wer in den Grundlagen nicht ausgezeichnet ist, dem bereitet bereits das Sahneschlagen (hier noch immer von Hand) Mühen. Und es gibt heute schon ausgezeichnete Kolleginnen und Kollegen, die nicht für die Medien arbeiten können, weil ihnen die Kontakte, das Glück oder die räumliche Nähe für spontane Einsätze fehlen.

"Klappe! Umbaupause, dann gleich die nächste Einstellung!"

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Illustration: Die Welt

Sonntag, 12. August 2012

Mauer

Bienvenue beim Weblog aus der Dolmetscherkabine für die französische Sprache! Oft schreibe ich meine Einträge aber auch am Übersetzerschreibtisch. Hier denke ich über unseren Berufsalltag nach ... und über mein persönliches Sprachwirrwar, das ich durch die Spracharbeit "entfitzen" (*) konnte.

Morgen vor 51. Jahren ... Wer mich kennt (oder dieses Blog ab und zu liest), weiß, dass mir die jüngste deutsche Geschichte sehr wichtig ist. Frühere Einträge dazu hier, hier und hier. Und der politischste Eintrag zum Thema ist der da.

Mein Foto entstammt einer Bilderserie vom Spätsommer 1989. Für den 55. Jahrestag (oder vielleicht früher) plane ich, den Weg mit der Kamera nochmal abzuschreiten und die Vorher-Nachherserie vergrößern zu lassen. Ich habe deshalb noch ein wenig gewartet, weil ich gern den angeliebten Nachwuchs mit einbeziehen möchte, der auch schon fotografiert (inzwischen wie ich auch mit hinfallsicherer und wasserdichter Kamera) ...


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Foto: C.E. (Archiv)
(*): Sächsisch für "entwirren"

Donnerstag, 9. August 2012

Übersetzer bei der EU

Bonjour, Hello, guten Tag! Sie lesen Zeilen des ersten deutschen Blogs, der auf den beengten zwei Quadratmetern einer Dolmetscherkabine entsteht oder im großzügiger bemessenen Übersetzerbüro. Hier beschreibe ich, was mir bei unserem Arbeitsalltag auffällt ... und berichte über den Berufsstand der Sprachmittler auch in der Presse.

SZ/Karriere: Es fehlt an der Sprache
In der Süddeutschen Zeitung von gestern schrieb Martin Winter einen längeren Artikel mit dem Titel "Übersetzer bei der Europäischen Union", der mit "Es fehlt an der Sprache" unterschrieben ist. Tenor des Artikels: Der EU fehlen gute Übersetzer für die 23 Amtssprachen. Vor allem Englisch-Muttersprachler seien rar. Zudem gebe es ein deutsches Sprachproblem.

2500 Spracharbeiter übersetzten allein für die EU-Kommission, 2011 hätten diese 2,2 Millionen Seiten übersetzt. Es sei inzwischen schwierig geworden, Englisch-Übersetzer anzuheuern. Da in England Sprachunterricht nicht mehr Pflicht sei, gebe es kaum noch Sprachkundige. Der Übersetzerdienst der EU stelle aber nur ein, wer zwei fremde Sprachen perfekt beherrscht. Die großen Sprachen seien noch recht gut vertreten, Sorgen machten die kleinen Sprachen.

Die deutschen Bewerber (und offenbar auch aktiven Übersetzer) fielen zudem durch unzureichende Kenntnisse der (ach so komplizierten!) deutschen Sprache auf. Das sei "sogar den Bundestagsabgeordneten aufgefallen, die sich kürzlich darüber beschwerten, dass ihnen aus Brüssel ziemlich schlechte Übersetzungen europäischer Vorlagen zugingen." Nicht zuletzt sei die hohe Konkurrenz um gute Kräfte zu beklagen, die durch die Wirtschaft entstehe. Brüssel bezahle seine Übersetzer nicht so gut wie diese, könne dafür aber langfristige, sichere Beschäftigungsverhältnisse anbieten.

Interessant sind auch die ersten Kommentare. So berichtet ein Chinesisch-Übersetzer und Inhaber einer Übersetzungsagentur: "Mittlerweile ist es so, dass die EU bei ihren Ausschreibungen gern auf den günstigsten Anbieter zurückgreift — trotz aller Beteuerungen, bevorzugt an kleine und mittlere Übersetzungeagenturen auszusourcen. Bei den günstigsten Anbietern wird man aber lange auf ausreichende Qualität warten müssen, das zeigt die Erfahrung."

Außerdem seien im Zuge der Globalisierung die Honorare für Übersetzer in den letzten zehn Jahren um ca. 10-20 % |gefallen| gesenkt worden. In Kaufkraft übersetzt bedeute dies, so der Kommentator, dass ein schriftlich arbeitender Sprachmittler 2012 "für die selbe Arbeit nur halb so viel einkaufen kann wie im Jahr 2000." Bei Chinesisch sei die Lage weitaus dramatischer: "Für Chinesisch hat sich der mir angebotene Preis auf ein Drittel bis Viertel dessen verringert, was damals möglich war."
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Mittwoch, 8. August 2012

Mal wieder: Machine Translation

Bienvenue im digitalen Arbeitstagebuch einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite, Film meine "dritte" und Englisch meine "passive" Sprache. Hier schreibe ich über unseren Arbeitsalltag ... und darüber, was mir in Sprachendingen sonst noch so auffällt. Heute gibt's eine "Werbepause".

Manche Werbung ist nicht nur inhaltlich einfach plemplem, sondern auch noch krottenschlecht übersetzt, sicher wieder von der beliebten Übersetzungssoftware (auch Machine Translation genannt).

Beispiel gefällig? Hier: "Mutter entdeckt einfacher Trick für den Sieg gegen Falten, die Schönheitschirurgen wütend hat." Die Webseite des Produkts, Zitat: "die Feuchtigkeitsspendenne Behandlungscreme gegen Falten", liest sich gar schauerlich. Ich frage mich, wer diese |Leute| "besonderen ausgewählten Pakete" sind, die solch zweifelhaft übersetzte Panschereien auf die beste Haut schmieren, "die Sie jemals benutzt haben"? Und offenbar forschen zu neuen Cremes hier die Journalisten ("weil sie [die Presse] festgestellt hat ...")

Ach, lasst uns lieber philosophisch werden und zur "reifen alten Zeit leben". Und wenn mich ein noch so gut dotierter Übersetzungsauftrag für solch ein Mittelchen ereilte, ich würde ihn nicht annehmen.


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Fotomontage ausgehend von der
Webseite: C.E.

Dienstag, 7. August 2012

Flüsterübersetzer

« Bienvenue !» Absichtlich oder zufällig sind Sie auf den Arbeitstagebuchseiten einer unter anderem in Berlin lebenden Übersetzerin für die französische Sprache gelandet, die daneben auch als Dolmetscherin für Kino, Filmwirtschaft, Medien, Politik und Wirtschaft tätig ist. Regelmäßig werden wir nach unterschiedlichen Dolmetscharten gefragt.

Dolmetscherin mit Mikrofon inmitten einer diskutierenden Gruppe, die auf Stühlen im Kreis sitzt.
Simultan dolmetschen und sich dabei schnell
Notizen für die Lexik machen
Neue Anfrage: "Würden Sie überhaupt für uns auch als Flüsterübersetzerin arbeiten?" Ich muss grinsen: So viele "Üs" in einem Satz. Außerdem stelle ich mir einen Übersetzer vor, der vor sich hinflüstert, während er oder sie übersetzt. Denn "Flüsterübersetzer" gibt es nicht, geschenkt! Das Wissen um den Unterschied zwischen Übersetzen und Dolmetschen ist kaum verbreitet.

Der oder die Flüsterer sind Dolmetscher, denn dieser Beruf wird mündlich ausgeübt, Übersetzer arbeiten schriftlich. Noch zwei Unterschiede: Hier die Hektik der Dolmetscherei, dort die (mitunter relative) Ruhe und das Kämpfen mit deadlines der Dienstleister des geschriebenen Worts.

Die unterschiedlichen Aufgabenfelder der Dolmetscher und Übersetzer lassen sich auf ein- und denselben Gestus zurückführen: mit Sprache Inhalte und kulturelle Unterschiede zu vermitteln. Doch nehmen die Unterschiede mit den Spezialisierungen zu. Heute ist es nicht falsch, von unterschiedlichen Berufen zu sprechen. Mancher, wie ich, bezeichnet sich als "Übersetzer und Dolmetscher". Aber Obacht, nicht alle Übersetzer dolmetschen auch, viele schrecken vor der geforderten Schnelligkeit und der damit verbundenen Hektik zurück, nicht alle Dolmetscher übersetzen auch, etliche empfinden die Einsamkeit der Schreibstube als belastend.

Ich stimme mit Jürgen Stähle überein, dass Dolmetscher regelmäßig auch übersetzen sollten, damit die Neuronen möglichst vielfältig arbeiten und täglich die Geläufigkeit im Umgang mit den Idiomen schulen. Stähle: "Ein guter Simultandolmetscher kann nur sein, wer ein exzellenter Übersetzer ist." (Den Anfang seines famosen Buchs kann man hier lesen.)

Mit der Arbeit an Texten sind oft weitere Profile verbunden: Korrekturlesen (überwiegend formal), Lektorate (überwiegend inhaltlich), Terminologiearbeit, Lokalisierung von Webseiten, Texten, Untertitelung, Übersetzung für Voiceover, Transkribieren. Mit der Arbeit an gesprochener Sprache sind verbunden: Beratung (und Auswahl von Kollegen für Konferenzen), Begleitdolmetschen und in selteneren Fällen, im Rahmen der Festivalarbeit, auch Moderation. Naja, und nicht zu vergessen das Flüstern, das oft beim Begleiten von Gruppen anfällt, entweder mit einer Flüsteranlage für viele, oder aber mit kleinsten Delegationen.

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Foto: privat
Filmtipp: "Die Flüsterer" von David Bernet

Montag, 6. August 2012

sauer

Willkommen auf den Seiten des digitalen Logbuchs einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Französisch, Deutsch ... und Film. An dieser Stelle schreibe ich regelmäßig über den Berufsalltag.

"Limmetten" (sic!) vom Maybachufermarkt (Pappschild, Kiste 3 €)Dieses Blog lesen etliche Schüler und Studenten, die mit dem Gedanken spielen, selbst Dolmetscher oder Übersetzer zu werden. Daher beschönige ich hier nichts, wenngleich mir das schon so manche |verbale Ohrfeige| Kritik auch von Kollegen eingebracht hat.
Eigenschaften, die einen möglicherweise zum Spracharbeiter befähigen, habe ich hier immer wieder in Ansätzen aufgezählt, zum Beispiel im Beitrag "Multitasking". Eine muss ich noch nachtragen: Eine hohe Frustrationstoleranz verbunden mit Stehaufmännchenqualitäten. (Komisch, dass es das Wort Stehauffrauchen nicht gibt.)

Daher heute ein passendes Zitat:
When life gives you a lemon, make lemonade.
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Foto: C.E. (Archiv, Foto vom Maybachufer)

Sonntag, 5. August 2012

Berlinidylle

Bonjour ! Hier ist nicht alles Französisch, auch wenn Sie eine Seite des virtuellen Arbeitstagebuchs einer Französischübersetzerin und -dolmetscherin aufgeschlagen haben. Sonntags zeige ich hier immer ein Foto aus Berufs- und Alltagsleben.

Als Dolmetscherin komme ich viel rum. Und ich bin immer gern in Berlin, auch deswegen:

Vor dem zur Galerie umgebauten Ladengeschäft eines Nachbarn steht der Abendessenstisch, an dem viele Leute sitzen. Rechts am Gehwegrand parken zwei Motor- und ein Fahrrad, eine Fahrradfahrerin fährt vorbei. Und links an der alten, zum Teil stark ausgewaschenen Fassade, viele, viele Balkonblumen ...

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Foto: C.E. (zum Vergößern Bild in einem
neuen Fenster aufrufen und doppelklicken)

Samstag, 4. August 2012

Harte Realitäten

Willkommen auf den Seiten einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier berichte ich aus Berlin, Paris und Cannes oder Marseille, München und Marburg unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse — und ich weise auf relevante Texte anderer hin.

Als Übersetzerin und Dolmetscherin habe ich mich unter anderem auf Film und Medien spezialisiert, und dieses "unter anderem" ist eine sehr bewusste Entscheidung. Sich nur auf eine Branche zu spezialisieren, wäre auch vor der Krise einfach nur leichtsinnig gewesen.
Sparmaßnahmen bei Fernsehfilmen: Das ist mörderisch

Heute beobachte ich diese Branche scharf, denn ihr Zustand bestimmt auch meine Arbeitsbedingungen. Dazu heute mein Link der Woche: In der "Süddeutschen Zeitung" beschäftigt sich Jörg Seewald mit den immer kürzer werdenden Drehzeiten für TV-Filme, besonders bei Krimis. Als Teilzeitmutter eines Kindes, dessen Eltern beide beim Film sind, kann ich davon ein Lied singen.

Hier wird eine Branche vor die Wand gesetzt, eine Branche, für die eigentlich viel Geld da sein müsste, allein die öffentlich-rechtlichen Sender sollen über eine Summe zwischen sieben und acht Milliarden Euro im Jahr verfügen, das ist eine Zahl mit neun Nullen. Die Situation fängt langsam an, sich rumzusprechen. Dem Vernehmen nach gehen an den Filmhochschulen die Bewerbungen drastisch zurück. Wir als Übersetzer und Dolmetscher mit Medien- und Filmschwerpunkt hängen da wie gesagt mit dran ... und kaum einer von uns kann nur von Medien und Film leben. Bei mir macht dieser Bereich derzeit 70 % meiner Arbeitszeit, aber nur 35 % der Umsätze aus.

Was für ein Hirnschuss also, neue Studiengänge in diese Richtung aufzulegen. Leute mit einem Bachelor in Sprachen können an mancher Hochschule seit kurzer Zeit in ein oder zwei Jahren, ich bin es jetzt echt überdrüssig, nochmal genau nachzulesen, einen "Master Filmübersetzung" erwerben. Um's hart zu sagen: Hier werden die Hartz IV-Aufstocker von morgen produziert oder die schlechtverdienenden Gattinnen von Staatssekretären und Richtern, that's it. Verzeiht mir meinen galligen Kommentar heute, aber ich halte es für unverantwortlich, durch das Aufblähen eines Studienangebots eine Branche mit tonnenweise Nachwuchs zu beliefern, die so heftig leidet und die auch künftig zu kämpfen haben wird.

Nochmal: Die Beschäftigung mit Medien- und Film ist das "Sahnehäubchen" in Sachen Anerkennung und Sichtbarkeit, die wir Sprachmittler gewinnen können. Glamour ist es nur für die Blicke von außen, es handelt sich hier um einen Knochenjob. Einen Job, den niemand (ohne Kungelei) richtig und gut machen kann, der nicht im normalen Übersetzer- und Dolmetscheralltag über viele Jahre eine gewisse Qualität erworben hat. Sorry an diverse Standorte neuer Studiengänge! (By the way, in der Vorbereitung eines Studienganges war mein Blog |ein wenig ausgeschlachtet| intensiv gelesen worden, was mir eine der Verantwortlichen mal, eher aus Versehen, erzählt hat.)
 
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Weitere Beiträge zum Thema "Glamour":
hier,
hier und
hier

Mittwoch, 1. August 2012

Akademiker und Stimme

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus der Dolmetscherkabine. Regelmäßig texte ich die Blogeinträge aber auch am Übersetzerschreibtisch. Nachtrag meines Links der Woche vom letzten Samstag. Die nächsten Tage bin ich auf Klausurtagung, mein nächster Blogpost folgt in drei Tagen.

Heute gleich zwei Links. Aufgeschreckt hat mich letzte Woche der taz-Bericht über eine IG Metall-Studie, derzufolge "fast jeder fünfte Erwerbstätige in Deutschland mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Hochschulstudium unterhalb seiner erworbenen Qualifikation beschäftigt" ist. Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, beschreibt die "Risikogruppen", die "besonders stark von einer unterwertigen Beschäftigung betroffen sind. Dazu zählen unter anderem Frauen, Erwerbstätige mit Migrationshintergrund oder Teilzeitbeschäftigte."

Zu ergänzen wären wohl noch: viele Freiberufler. Auch der Dolmetschernachwuchs hat es heute schwerer als vor zehn oder zwanzig Jahren.

Seit 2008 wundern mich die Klagen besonders der jungen im Großraum Berlin lebenden Kolleginnen und Kollegen über den zum Teil sehr mühsamen Berufseinstieg nicht mehr.

(Weniger Einstiegsprobleme in den Beruf soll es dem Vernehmen nach für Dolmetscher mit Deutsch als Muttersprache bei den internationalen Behörden zum Beispiel in Brüssel geben, denn da stünde ein Generationenwechsel an. Gilt das noch?)

Dass Frauen von der deutschen Studie hervorgehoben werden (analog zur bösen Zeile: "Frauen und Behinderte werden bevorzugt eingestellt"), wundert mich nicht. Deutschland ist in Berufsfragen von echter Emanzipation weit entfernt. Verglichen mit Frankreich erlebe ich sogar noch als Sprachmittlerin zu viele komische Momente, die zuende gedacht nichts anderes als Geschlechtsdiskriminierungen sind. Über Frauenerwerbstätigkeit und Familie habe ich neulich erst Lise Jolly, einer Journalistin von Radio France, ein Interview gegeben. (Sendetermin sommerbedingt noch offen, Link folgt.)

Oft mag die Situation auch das mangelnden Selbstbewusstsein von Frauen spiegeln. Aufholbedarf(*) konstatiert jedenfalls Stimmtrainerin Alexandra von der Weth, die in der "Zeit" feststellt: "Zu mir kommen sehr viele Managerinnen. Vermutlich, weil sie oft nicht gern im Mittelpunkt stehen. Da muss ich erst mal das Selbstvertrauen stärken — viele Frauen in unserer Gesellschaft haben davon immer noch zu wenig."

Was macht eine gute Rede aus? Die Wissenschaft ist sich dem Artikel zufolge einig, Inhalte sind es nur zu 20 %, Stimme und Körpersprache tragen 80 % bei. Wir Dolmetscher können das in vielen Fällen bestätigen ... und arbeiten weiter an Inhalt und Stimme, denn Körpersprache fällt bei unsereinem nur auf der Festivalbühne ins Gewicht.
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Fotos: C.E.
(*) und auf Ostdeutsch: Aufholebedarf. An kleinen Worten
(wie auch den Größenordnungen) merken Profisprecher
auch heute noch, wer aus welchem Landesteil stammt