Donnerstag, 29. November 2012

Bretagne!

Bonjour! Sie haben eine Seite meines digitalen Arbeitstagebuchs angesteuert. Als Dolmetscherin und Übersetzerin bin ich in Berlin, Paris und überall dort tätig, wo ich gebraucht werde. Ich arbeite für die Politik, Medien, Wirtschaft und in der Kultur. Heute geht's auf eine kleine Reise, was sicher am grauen Novemberwetter liegt.

Möven,, Meer und ein zerzauster HaarschopfAch, die Bretagne! Meine alte Heimat! Gewissermaßen ... Wenn mich Bretonen kennenlernen, freuen sie sich immer, denn der Name Elias klingt so, als stamme er vom bretonischen Familiennamen Helias ab. Aber darum geht's jetzt eigentlich nicht.

Heute folgt mal wieder eine Schnurre zum Thema "Dolmetschwerdung". Ich weiß, derlei interessiert nicht jeden. Also: Wir reisen zurück ins 20. Jahrhundert.

Tschüss und bis morgen an jene, die nur an Aktuellem interessiert sind!

Schön, jetzt sind wir unter uns. Also: Es war einmal eine blondbezopfte Göre, die mit ihrer Mutter in die Bretagne fuhr. Da die Mutter Lehrerin war und viele gute Freunde hatte, fuhren an die 20 Erwachsenen mit den dazugehörigen Minis in den großen Ferien in den Urlaub. Wir waren gefühlte sechs Wochen weg. Hinzu ging es sehr langsam, wir tourten in Frankreich von Loireschloss zu Loireschloss, so wurde ich früh (weiter) für Geschichte begeistert.

Und dann waren wir eine kleine Ewigkeit in Quiberon. Heißt es "in Quiberon" oder "auf"? Quiberon ist eine Halbinsel, auf Französisch presqu'île, was Fast-Insel heißt. Und da unter den 20 Lehrern auch eine Französischlehrerin war, wanderte so manche Info bis zu meinen Ohren weiter. Fast-Insel fand ich klasse und hatte gleich zwei Worte gelernt.

Steiniger Strand, Äste ragen ins Bild
Wir waren auf dem Zeltplatz. Morgens durfte ich zum Bäckerwagen, zwei Hörnchen und ein Stangenweißbot kaufen. Macht vier Vokabeln, un, deux, croissants, baguette.
Wir spielten im Sand, schwammen, segelten, lasen, tobten durch die Zelte, eine Horde von Kindern, ich die Älteste. Und dann hatten wir Taschengeld, das war unter die Leute zu bringen. Ein Eis, Vanille und Erdbeere: une, glace, vanille, fraise.

Aha, es gibt also "ein" und "eine" ... und dann noch citron, chocolat, caramel, das klang alles bekannt.

Die kleinen Kinder konnten sich nicht immer so gut merken, was nun was jeweils heißt. Also entstand automatisch eine Kommunikationssituation, die damals niemand Kommunikationssituation genannt hätte, wo ich, die Älteste, mir immer versucht habe, neue Vokabeln gut zu merken und oft, wenn ich was vergessen hatte, nochmal bei der Französischlehrerin nachfragte und dann meinerseits von den anderen Kindern gefragt wurde und die Wörter wieder in Umlauf brachte. Sehr schnell hat sich ein Sprachhandel auf Gegenseitigkeit eingestellt: Ich erhielt neue Begriffe von den anderen gebracht, prüfte sie mit der Fachfrau, gab sie bei Bedarf weiter.

Menschen auf einem Ausflugsschiff, Kleidung und Farben der 1970-er Jahre
Le camping, la libellule, le sable, c'est à moi!, je m'appelle ... offenbar hatten wir Kontakt mit kleinen Franzosen.

Und dann kam der magische Moment, indem ich durch Ausprobieren selbst lernte und erfuhr, dass eine Vokabel mehrere Bedeutungen haben konnte. Wir waren Obélix' Hinkelsteine ansehen gegangen, ich musste mal aufs Klo, als ich wiederkam, war meine Gruppe ganz vorne.

Vor mir eine dichte Wand aus Menschen. Und was tat ich in meiner Not? Ich trat den Wartenden auf die Füße, entschudigte mich dafür, wie es sich gehört, pardon!, das sagte ich wohl recht laut, so dass sich andere Touristen umdrehten und dann den Platz frei machten. Ich merkte erstaunt: Pardon geht zum Durch-eine-Menge-Kommen auch ohne vorheriges Auf-die-Füße-Treten. 

Abends habe ich meine Entdeckung mit der Lehrerin besprochen. Ich war sehr stolz auf meine Erfahrung. Und ich wurde sehr gelobt.

Das geschah im Sommer, als ich acht Jahre und vier Monate alt war. Ja, ich denke, auch solche Erfahrungen können Grundsteine für künftige Lebensformen legen (denn der Dolmetscherberuf kommt mir oft mehr wie eine Lebensform als wie ein Beruf vor).
Auch die anderen wurden damals für ihr Leben geprägt. Mein Patchworkbruder Joachim (so nannte man das damals auch noch nicht) fährt gerne und oft mit seiner Familie in den Urlaub ... am liebsten nach Frankreich.

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Fotos: Uta Elias, Natascha Firl

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Auf dem unteren Bild erkenne ich die Fehmarnsundbruecke. hat die einen Doppelgaenger in der Bretagne?

Ulrich Schol

caro_berlin hat gesagt…

Lieber Ulrich Schol,

bravo für Ihren Blick! Ja, das ist die genannte Brücke! Mein Problem: Die Bretagnefotos lagern bei meinen Eltern. Fehmarn war ein Jahr zuvor ...

Dieser kleine Bildschmuggel war die einzige Möglichkeit, den Eintrag zu illustrieren. Ich hoffe, er ist verzeihlich.

Am Monatsende forsche ich dann nach dem richtigen Album!

Herzlich,
Ihre
Caroline Elias

caro_berlin hat gesagt…

Leider waren im Elternhaus aus dem Bretagne-Urlaub keine Fotos zu finden. Ob überhaupt jemand fotografiert hat? Ich werde frühere Mitreisende anfragen. Solange muss Fehmarn den Platzhalter geben.