Donnerstag, 18. Oktober 2012

rascherchieren

Hallo! Sie haben eine Seite meines Blogs angesteuert, dem ersten deutschen Weblog aus dem Inneren einer Dolmetscherkabine. Manchmal entsteht er auch am Übersetzer- oder Küchentisch. Kommunikationsprofis wie wir Dolmetscher machen sich natürlich auch Gedanken über die sich verändernde Medienlandschaft und wie das Phänomen verbal abgebildet werden kann.

Einstmals ging jemandem beim Kochen was schief — und heraus kam ein neues Rezept.

Wir Spracharbeiter schauen bekanntlich bei allem Geschriebenen einmal mehr hin ... und erkennen plötzlich in einem Vertipper einen neuen Begriff. Ob es meiner Kollegin Gabriele Zöttl auch so ergangen ist? Die vermeldete neulich auf Twitter, das ist dieser "Kurznachrichtendienst", sie habe eine eine erste Gelegenheit für die Verwendung des neuen Wortes "rascherchieren" ausgemacht. Und fragte sogleich: "Oder ist das ein zu schwaches Wort für Journalisten, die sich von Lobbyisten instrumentalisieren lassen?"

Leider nimmt unter dem Druck sinkender Honorare die Neigung so mancher Vertreter der schreibenden Zunft zu, eilig auf die Vorarbeit jener zurückzugreifen, die wie ihre Auftraggeber wünschen, dass bestimmte Ideen und Meinungen am besten eins zu eins in die Medien eingehen mögen. Bei "rascherchieren" fällt schon mal die Eile auf, das Instrumentalisieren ist allerdings nicht implizit. Ich würde den Neologismus in Verbindung mit dem leider immer häufiger anzutreffenden "PR-Journalisten" verwenden.

PR und Journalismus hatten nach landläufiger Auffassung so viel miteinander zu tun, wie der Teufel mit dem Weihwasser. Nun ändern sich seit einigen Jahren die Gebräuche (nur die Gebräuche, nicht die Sitten) ... und auf so manche Kritik, die ich mir als einstige Journalistin erlaubte, setzte es verschnupfte Kommentare.

Die kamen gar nicht einmal von den/der/dem Betreffenden selbst, sondern von einigen anderen Medienvertretern. Da durfte ich mir anhören, ich wohnte offenbar hinter dem Mond, so gehe "Pressearbeit" eben heute nun mal.

I am still not amused. (Sorry an die treuen Leser, die mein feed back zum Thema bereits kennen, aber ich habe gerade viele neue Leser gewonnen und es war garantiert der einzige Eintrag zu diesem Thema ... dieses Quartal.)

Die Reaktionen der Pressearbeiter konnten mich nicht überzeugen, denn echte Argumente wurden nicht vorgebracht. Ich denke, es wird sich in diesem Bereich ähnlich entwickeln wie in anderen, wo angeblich Moral, Überzeugung, Engagement mit Herz und Hirn als "altmodisch" abgekanzelt werden. Und journalistische Freiheit muss auch Freiheit von anderen Interessen bedeuten. Geht gar nicht anders. Wenn das altmodisch ist, bin ich's gerne. Oder anders gesagt: Wir Altmodischen von heute sind Trendsetter von morgen.

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Foto: C.E. (Archiv)

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