Donnerstag, 12. Juli 2012

Film mitsprechen

Hello, guten Tag, bonjour ... beim Dolmetscherweblog, dem ersten virtuellen Arbeitstagebuch Deutschlands über Dolmetschen und Übersetzen aus dem Inneren der Kabine bzw. vom Übersetzerschreibtisch. Hier denke ich über unseren Arbeitsalltag nach ...

Südfranzösischer Zeitungskiosk mit Plakat von "Je me suis fait tout petit"
Was macht die Dolmetscherin nach der Arbeit? Das Marseiller Seminar ist zu Ende, Adressen sind ausgetauscht, spätere Treffen vereinbart, Abschiedskaffees getrunken. Was ich mache? Erstmal schlafen. Ich wohne nicht am Seminarort, sondern mit Sängern und Schauspielern in einer Künstlerwohnung ... und alle sind auf Ruhe eingeschworen, damit "die Sprachakrobatin" schlafen kann. Das klappt auch. Nach dem Mittagsschlaf eile ich ins Kino, frühe Abendaufführung eines Films, den ich vor einiger Zeit ins Deutsche übersetzt hatte, da der Produzent (leider erfolglos) in Deutschland Fördergelder und/oder Sender gesucht hatte.

Filme zu sehen, mit denen ich drei Wochen "gelebt" habe, ist immer sehr merkwürdig. Ich könnte mitsprechen, freue mich über alle Bilder die so aussehen, wie ich sie mir vorgestellt hatte, bin irritiert, wenn (nach meinem Empfinden) wichtige Repliken fehlen, hadere manchmal mit dem Casting.

Subjektive Einstellung einer Kinozuschauerin: Ende der Titelsequenz von "Je me suis fait tout petit"
Dieses Mal gar nicht. Ich bin zufrieden und kann mich sogar zwischendurch auf den Film einlassen. Dennoch poppen mitunter Erinnerungen an die Zeit des Übersetzens hoch, vermischen sich mit der Erschöpfung einer gut zuende gebrachten Veranstaltung, dem Knistern des Popcorns einige Reihen vor mir, dem Duft der Sonnenmilch ...

Am nächsten Vormittag sitze ich am späten Vormittag im begrünten Innenhof mit blauem Himmel, in der Nachbarschaft übt jemand sehr begabt Geige und erfreut uns alle. Die Melodien vermischen sich mit dem Ruf der Möwen, ab und zu ist ein verspäteter Mauersegler zu hören. Ich sitze am Rechner und arbeite, Kostenvoranschläge, Neues von der Berliner Mitbewohnerin, den Balkonpflanzen gehe es gut. So, auf in den Buchladen, dann noch einen früheren Studienkollegen treffen, anschließend ans Meer ...


P.S.: Hier noch der Trailer zum Film Je me suis fait tout petit von Cecilia Rouaud ("Ich habe mich ganz klein gemacht") sowie der Link zu den Kritiken des Films in "Le Monde" und im "Nouvel Obs".

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Fotos: C.E.

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