Donnerstag, 31. Mai 2012

Interdependenzen

Bienvenue auf der Seite einer Spracharbeiterin. Ich biete an: Dolmetschen und Übersetzen — und da ich nebenberuflich Autorin bin, auch Rewriting und Moderation. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, Englisch meine "passive" Sprache. Im Erstberuf war ich Journalistin, deshalb verfolge ich auch weiterhin besonders wach das Zeitgeschehen, was für Dolmetscher, die in der Politik arbeiten, ohnehin selbstverständlich sein sollte. Denn bei Ein- und Überleitungen werden tagesaktuelle Meldungen gerne direkt oder indirekt zitiert.

Schulwanddeko: Viele bunte und phantasievolle Fische aus Kinderhand ...
Le Monde brachte in seiner Ausgabe vom 29. Mai eine Nachricht über eine Folge des Unfalls in Fukushima: Roter Thunfisch, der schon letzten August vor der Küste der kalifornischen Stadt San Diego gefangen wurde, sei durch die Kernschmelze in Japan strahlenbelastet. Professor Nicholas Fisher, Professor an der New Yorker Stony Brook-Universität, wird von Le Monde zitiert: "Wir müssen hier, was die Verbindungen der einzelnen Ökoregionen untereinander angeht, unsere Lehren ziehen, selbst wenn Lebenwesen tausende Kilometer voneinander entfernt sind". Die französiche Abendzeitung gibt in ihrer Meldung Informationen der offen zugänglichen Online-Fachzeitischrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) wieder, die the importance of migratory animals as transport vectors of radionuclides hervorhebt. (Hier ein abstract sowie der ganze Text als PDF).

Mich wundert manchmal, worüber sich Forscher so wundern. Analog zum Energieerhaltungssatz geht auf diesem Globus doch kein Dreck verloren ... und alles hängt mit allem zusammen, die berühmte Interdependenz. Der Artikel gibt übrigens auch gleich Entwarnung, die Wissenschaftler hätten befunden, dass der Grad der Kontaminierun beim Verzehr für den Menschen nicht gefährlich sei, weil er unterhalb der japanischen Sicherheitsstandards liege, zudem unterhalb dessen, was sonst |als natürliche Strahlung| an vorhandener Stahlung durch frühere atomare Versuche an Fischen nachgewiesen werden könne. Trotzdem seien die Ergebnisse eindeutig, denn man habe das künstliche Isotop Cäsium-134 gefunden, dessen "Lebensdauer" (*) nur zwei Jahre betrage.

Die französische Nachrichtenagentur AFP brachte diese Nachricht auch vor drei Tagen, heute und morgen steht sie sicher in der deutschen gedruckten Presse, ich habe aus Zeitgründen bislang nur die französische gelesen.

Regal im Supermarkt mit Thunfischdosen
Der Bestand an weißem Thun sei nur "gering gefährdet" (hier),
aber oft mit Schwermetallen belastet (dort)
Roter Thunfisch ist akut vom Aussterben bedroht. Nicht die Einsicht des Menschen, dass dieser Spezies etwas "Ruhe" vergönnt sein muss, damit sie nicht erlischt, könnte den Thunfisch retten, sondern die Angst vieler um das eigene Leben.

Selbst wenn die gefundenen Mengen gering sein sollen, etwas Furcht wird sicher bei vielen hängenbleiben.

Es sei denn, diese Nachricht gerät schnell durch noch schlimmere/für den Einzelnen wichtigere Informationen wieder in Vergessenheit. Wie so vieles. Das Hirn des Menschen ist leider auf das Naheliegende, das Hier und Heute, das große Raubtier, das plötzlich vor einem stehen könnte, ausgelegt, und nicht auf das angesammelte Wissen ...

... ein Ergebnis der Evolution, das sich jetzt als Nachteil auswirken könnte. (Wer denkt heute noch an die Belastung von Wildschwein und Pilzen?)

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Foto: C.E.
(*) Nachlesen muss ich später, wie das französische durée de vie
mit der deutschen "Halbwertszeit" ins Verhältnis zu setzen ist.

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