Dienstag, 1. Mai 2012

Arbeit feiern

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Manchmal texte ich meine Einträge aber auch am Übersetzerschreibtisch. Übersetzen und Dolmetschen wird manchmal selbst an Feiertagen nachgefragt.

Erster Mai mit Sonnenschein — juhu! Und in den Lüften die spitzen Schreie der Mauersegler (les martinets), die in Sachsen (wie es sich gehört) am 27. April und einen Tag später in Berlin eintrafen und die bis um den 6. August bleiben (meine Eselsbrücken sind hier natürlich Geburtstage). Die Mauersegler sind in meiner Familie so etwas wie Fetischtiere, ihre Rufe gehören zweifelsfrei zum Sommer, und in gewisser Weise waren wir Westverwandtschaft in den Jahren der deutschen Teilung selbst so etwas wie Mauersegler.

Bon appétit ! 1.-Mai-Foto von 2009
Erster Mai mit Sonnenschein — gleich geht's ans Licht, ansonsten begehe ich mal wieder den Tag der Arbeit mit Arbeit und habe deshalb (fast) Stubenarrest. Eine meiner angestammten Pariser Produktionsfirmen hat ein Low budget-Filmprojekt vor, möchte dazu noch vor Beginn der Filmfestspiele in Cannes einen berühmten deutschen Schauspieler gewinnen.

So haue ich in die Tasten. Zum Glück kam die Zusage für den Übersetzungsauftrag gleich gestern Morgen, so dass ich die ganze Woche nutzen kann. Das Korrektorat darf dann abschnittweise rödeln ... normalerweise bearbeiten wir bei den jeweiligen Korrekturstufen stets das ganze Buch auf einmal, was jetzt aus zeitlichen Gründen nicht klappen wird. Ich fürchte, mein eigenes Schlusslektorat wird entsprechend länger dauern, wenn's ums Vereinheitlichen geht.

Eilaufträge, die (sonnige) Feiertage blockieren, kosten normalerweise 25 % mehr, ist ja ein Eilauftrag, logisch. Hier aber merkte ich beim Verhandlungsgespräch, dass durch die Kumulation verschiedener Krisen (u.a. wegen des schon erwähnten Degeto-Ausfalls) mindestens eine andere Koproduktion mit Deutschland nicht geklappt hat. Das passt zu meinen Beobachtungen: Es laufen derzeit einige international tätige französische Firmen untertourig. Und so tritt das Paradox ein: Eilauftrag und 25 % Krisenrabatt. Was tun wir nicht alles für unsere Stammkundschaft! Ich rechne es mir rasch schön. Der Text kommt fertig formatiert in der Drehbuchsoftware Final Draft (FD) ins Haus, eine Software, die ich erst vor anderthalb Jahren erneuert habe. Dieser Erwerb ist längst amortisiert, und im Vergleich zu manchem WORD-Drehbuch fällt der ganze Formatierungsärger weg, ich gewinne Zeit und der Kunde muss keinen FD-Aufschlag mehr zahlen.

Außerdem wünschen wir uns ja nichts sehnlicher, als dass der Motor wieder anspringt. So feiere ich heute meinen ganz privaten Tag der Arbeit ... sitze im Sommerkleidchen im Arbeitszimmer und lausche den Rufen der Mauersegler auf Mückenfang — später geht's an die Sonne.

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Foto: C.E. (Archiv)

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