Samstag, 10. März 2012

2. Übersetzerportrait

Doppelagentin? Die Frau mit der Maske? Kunstrestauratorin oder doch nur eine Schauspielerin, die etwas Fremdes interpretiert? Mit diesen Möglichkeiten lässt sich die Bandbreite der Selbstbeschreibungen zusammenfassen, die sich die französische Übersetzerin Josée Kamoun selbst gibt.

Die Übersetzerin von Philip Roth, John Irving und Jonathan Coe wird heute hier auf Englisch portraitiert: www.worldcrunch.com. Der Beitrag geht auf einen in "Le Temps" erschienen französischsprachigen Artikel zurück. Nachdem ich vorhin den deutschen Übersetzer von Rabelais und Co. vorgestellt habe, folgt hier also eine französische Übersetzerin zeitgenössischer amerikanischer Literatur.

Was machen Sie genau, Frau Kamoun? "Ein Übersetzer tanzt mit dem Text. Wenn der Text mit dem linken Fuß nach vorne geht, bewegt sich der Übersetzer mit dem rechten zurück. Das Ganze in einer sehr engen Umarmung und graziös, wenn möglich ..." (Le traducteur danse le tango avec le texte. Quand le texte avance le pied gauche, le traducteur recule le pied droit. C’est une étreinte extrêmement étroite et, si possible, esthétique.)

Aber, so die Übersetzerin weiter: "Ich mag es, im Schatten meiner Autoren zu stehen. Einer der Gründe für diesen Beruf ist, nicht selbst schreiben zu müssen, so ist es einfach viel weniger gefährlich." (Je suis bien dans l’ombre de mes auteurs. Une des raisons pour lesquelles je fais ce métier est sans doute qu’il m’évite d’écrire moi-même. C’est tellement moins dangereux.)

Das Übersetzerleben sei mönchisch, einsam und entbehrungsreich: "Fürs Sozialleben gibt's Besseres”, fasst Kamoun die Situation zusammen. (Pour la vie sociale, il y a mieux.) Außer, wenn der Verleger sie für eine Woche in die USA schickt, Philip Roth zu besuchen, damit sie seine Werke anschließend besser übersetzen kann ...

Jetzt schiele ich einmal runter zum Eintrag von vorhin ... Herr Tschöke, möchten Sie eigentlich auch eine Woche Rabelais besuchen fahren? Sie wissen sicher genau, wo die Reise hingehen und was
es abends zu essen geben wird, oder?


P.S.: Am Rande weist der französischsprachige Artikel darauf hin, dass dieses Wochenende im Schweizerischen Vevey mit 4+1 Traduire ein Literaturfestival stattfindet, bei dem Übersetzer im Vordergrund stehen und nicht Autoren.
______________________________
Bild: Archiv

Keine Kommentare: