Mittwoch, 30. März 2011

Schnelltippen

Bonjour! Sie lesen im Blog einer Übersetzerin und Dolmetscherin.

Hier meldet sich die Teilzeit-Sekretärin der Dolmetscherin und Übersetzerin Ca­ro­li­ne Elias. Ich habe mich doch sehr gewundert, als Montag hier insinuiert wurde, dass durch die Teilzeitsituation im Büro angeblich manches nicht völlig pro­fes­sion­ell abläuft. Daher werde ich die Frauenbeauftragte unserer Firma ansprechen, das kommt mir doch ziemlich diskriminierend vor ... und es ist nicht klar, ob es mich als Person oder als Frau meint!

Außerdem habe ich Spitzenwerte aufzuweisen, hier das Ergebnis eines Tests:
Bei einer Mio. Zeichen jährlich allein für Drehbuchübersetzungen passt das!

Link: schnell-schreiben.de
Spaß beiseite, als ich mit 17 in der schwäbischen Provinz nach der Schule vom Gymnasium oben am Hügel zur Realschule auf halber Berghöhe auf­brach, um in der Freizeit Ma­schi­nen­schrei­ben zu lernen, pflaumte mich ein Mitschüler an: "Na, willste mal Sek­re­tä­rin werden?" Offenbar schon damals nicht auf den Mund gefallen, ant­wor­te­te ich kühn: "Nee, später meine Dissertation selbst tippen können." (*) Anschließend ging ich in die Hauptschule im Tal, zum Erste-Hilfe-Kurs.

Da kommt auch die Zeit für den Blog her, ich tippe schnell und weiß, was ich gegen Sehnenscheidenentzündung machen muss. Kurz: Es ist ja gar nicht so viel, sondern geht fast alles aufs Konto Tipp- und Textroutine.


(*) Die Doktorarbeit zu einem medienwirtschaftlichen Thema muss ich diesen Spät­som­mer wieder aufnehmen, sie lag wegen der Krise auf Eis.
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Bild: Speedtest

Dienstag, 29. März 2011

C'est kult !

So ein Dreh bringt viele Schnacks mit sich. Der erste bezog sich gleich auf mich. Bevor ich am Set eintraf, galt die bange Frage von Tonmann Hyacinthe meinen Sprachkenntnissen: Elle parle bien français, la traductrice ? Durch das Phänomen "Stille Post", das auf Französisch übrigens le téléphone arabe heißt (wobei die französische Sprache hier ein Vorurteil offenbart), wurde aus des Tonmanns Satz "Spricht die Übersetzerin gut Französisch?" — sogar die zum am Set geflügelten Wort avancierte Frage Elle parle français, la traductrice ? ... "Spricht die Übersetzerin Französisch?"

Ein anderer Begriff ist "kult". Produktionsleiterin Amel stellt uns den libanesischen Snack, in dem wir einmal Schawarma mittagbroten, als c'est kult! vor, zwei Stunden später folgt wieder etwas, das als kultig eingestuft wird, irgendwann ist fast alles kult. 

Oder als Ohnmachtshappen werden uns von der Produktion immer wieder einige Großpackungen "Balisto" angepriesen (Ob die weggehen? Eher nicht.) Da wird dann rasch le balisto schawarma est kult draus, wobei das letzte Wort in An- und Auslaut betont hart (= deutsch) ausgesprochen wird.

Und was dergleichen nonsense mehr ist ... Dieses Mal habe ich übrigens nicht persönlich zu derlei Blödelei oder private jokes beigetragen, mein "super" (*) höre ich nur allenthalben um uns herum, die anderen sind wohl zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu merken, dass super in Berlin derzeit kult ist. Zum Glück.

Einen vermeintlich deutschen Begriff haben sie übrigens aus Paris mitgebracht: uber, was sich, französisch gelesen, "über" ausspricht. Also war etliches uber-hype, uber-beau (für "zu schön", klingt, als würde ein Franzose "Überbau" lesen), uber-kitsch (le kitsch ist schon länger in die französische Sprache eingegangen) ...

Die geflügelten Worte am Set sind ein Moment, aus dem Zugehörigkeit entsteht. Wir verbringen eine intensive, arbeitsreiche Woche miteinander (früher hätte man für ein solches Projekt eher zehn bis zwölf Tage veranschlagt); nach den kurzen Nächten stellt sich mancher morgens die Frage: "Dusche oder Frühstück?" Die Zeit fürs Abschalten und Runterkommen ist zu gering bemessen. Da geht es mir als Dolmetscherin nicht anders als dem technischen Team, das immer noch arbeiten muss, wenn ich schon gehen darf: Auf dem Nachhauseweg und zu Hause dolmetscht der Kopf fröhlich weiter, Werbebotschaften auf Plakatwänden, Geschwätz der Leute in der U-Bahn, Nachrichten, Privatgespräche.

Wird Zeit, dass ich mir endlich einen MP3-Player kaufe, um sofort gleich ab Drehschluss das Gehirn zu beschäftigen. Da kann ich ja gleich meine Vorlesungen von Canal U draufpacken oder das letzte ungelesene Buch des jeweiligen Schriftstellers, der am Folgetag befragt wird, als Hörbuch. Et oui, so ein technisches objet sonore für die Tasche, c'est kult, n'est-ce pas ?!


(*) mehr zu "super": hier, letzter Absatz
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Foto: C. Elias (im Tacheles)

Humor

Ein Netzfund ...

Was arbeiten Sie?”
“Ich bin Übersetzer.”
“Schön! Ich meinte, was machen Sie denn beruflich?”
“Beruflich? Sie meinen arbeiten? Ich verdiene sooo viel mit Übersetzen, da brauche ich gar nicht mehr zu arbeiten.”
.

Montag, 28. März 2011

la cinquième roue du carosse

Schreiben ist nur bei völliger Ehrlichkeit sich selbst und den anderen gegenüber möglich. — Dieser Satz fiel bei den von mir soeben verdolmetschten Dreharbeiten für den Arte-Film über deutsche Literaten regelmäßig. Ich halte mich dran.

Mein nächster Mitarbeiter beim Dreh ist oft der Tonmann. Er zeichnet auf, was ich dolmetschend von mir gebe. Ansonsten hänge ich oft mit der Interviewerin und bei diesem Dreh mit der Leiterin der Filmreihe zusammen: Wir diskutieren Inhalte, stellen Überschneidungen oder Widersprüche fest, gehen Lesenotizen und Fragen durch, suchen nach verbindenden Momenten, denn sie sind im Schnitt später mögliche Übergänge. Viele Fragen werden mir zu den Vitae der Schriftsteller gestellt, offenbar steht da auf französischen Webseiten nicht so viel. Es ist also mein ureigenes Interesse, bestmöglich informiert zu sein ... (Von den 24 Büchern, die den Gesprächen zugrundegelegt wurden, habe ich am Ende 19 gelesen; etliche kannte ich auch schon, die habe ich nur intensiv durchgeblättert.)

Jedes Gewerk hält sich am Set für das Allerwichtigste. Das ist normal. Einmal, beim Einpacken, sagt Tonmann Hyacinthe beiläufig, dass die Tonleute immer la cinquième roue du carosse seien, das fünfte Rad am Wagen, man vergesse ihn immer, es sei eine anstrengende Notwendigkeit, auch noch guten Ton aufnehmen lassen zu müssen. Eigentlich bekäme er nur dann feed back, wenn was schiefgelaufen ist.

Was soll denn ich erst sagen als Vertreterin meines "Gewerks", das übrigens nicht als solches wahrgenommen wird. Ich stehe zwischen den Technikern und den Inhaltsarbeitern, und ich werde niemandem richtig zugerechnet. Wenn's ums Geld geht, schlägt man mich gern dem allgemeinen Team zu mit Einheitstarifgage ... und vergisst dabei, dass ich je Arbeitstag auf mindestens einen Vorbereitungstag
komme, bei diesem Dreh über deutsche Literatur ist es 1:2,5. Kurz: Verhandlungsspielraum gab es bei den Honorarverhandlungen wohl nicht, ich bekomme also ein Drittel dessen, was die Technikkollegen bekommen, und davon geht noch das Geld für die Bücher ab, von denen ich doch etliche gekauft hatte (Stichwort: Randnotizen).

Wenn dann nach einem halbtägigen Intervieweinsatz alle in Richtung Restaurant aufbrechen, bekomme ich freundlich signalisiert, dass meine Arbeitszeit zuende sei, da bin ich dann plötzlich wieder die Externe. Ich entgegne dann immer ebenso freundlich wie bestimmt, dass ich jetzt auch als Privatmensch nichts anderes tun würde als eine Mahlzeit einzunehmen, und garantiert nicht erst zu Hause angesichts der anstrengenden Arbeit.

Ich denke nicht, dass das Ganze böswillig gemeint ist, es ist nur einfach gedankenlos.

Und es spiegelt eine gewisse Nichtbeachtung von Intellektuellen wider, die offenbar hoffähig geworden ist, selbst in Frankreich. Wer vier, fünf Stunden lang Technik auf- und abbaut und zwischendurch auch bedient, arbeitet ganz offensichtlich hart; dass ich in den meist ein- bis eineinhalbstündigen Interviews als Dolmetscherin die gleiche Menge Kilokalorien verbrenne wie "die Jungs von der Technik" am halben Tag, ist auf den ersten Blick auch nicht zu sehen.

Bin ich jetzt das sechste Rad am Wagen? Ist ein Filmdreh dann ein Sportwagen mit sechs Rädern?

Und natürlich bin ich als Dolmetscherin die Allerwichtigste, ist doch klar, oder?!
;-)

Im Ernst, ohne meine Verdolmetschungen, mein Nachfragen, meine Zuarbeit und mein Mitdenken wären wohl keine sinnvollen Interviews möglich. Das bildet meine Position am Set (und manchmal auch leider mein Honorar) nicht ab.


P.S.:
1. Darf ich so eindeutig über meine Jobs schreiben? Ja, ich darf. Ich klage nicht an, ich beschreibe nur Trends, letztendlich auch Berufsanfängern zur Warnung, die meist falsche Vorstellungen haben. Und meine lieben Franzosen können es auch nicht lesen, die automatische Übersetzung bringt's nicht. Allein der erste Satz: Aus "Tonmann" wird ein Mann aus Ton (nicht zu verwechseln mit dem Mann aus Marmor). Super! Für den Restzweifel: Siehe einleitende Sätze.
2. Mir hat die Arbeit große Freude gemacht, und ein bis zwei Drehs im Jahr muss ich 'machen', sonst bin ich unzufrieden. Aber TV-Produktionen im Kulturbereich haben jedes Jahr weniger Geld.
3. Für den Dolmetscherenergieverbrauch gibt es über das hinaus, was unsere Dozenten an der Uni verlautbarten, leider keine Quellen, oder aber ich fand sie nicht im Netz. Wer hier mehr weiß (oder erforschen möchte), bitte melden! Das gleiche betrifft die vielzitierte Stressstatistik der WHO, der zufolge wir nach Jetpiloten und Fluglotsen den drittstressigsten Beruf innehätten.
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Foto: C.E.

teilweise

Newsticker, eben (14.45 Uhr): In Reaktor 2 des beschädigten Atomkraftwerks Fukushima-Daiichi hat es nach Einschätzung der japanischen Regierung eine teilweise Kernschmelze gegeben.

Das ist schrecklich, vor allem im erdbeben- und tsunamizerstörten Land. Was ich genauso schrecklich finde, ist die damit einhergehende Informationspolitik. Was bitte ist eine "teilweise Kernschmelze", die darüber hinaus auch "nur vorübergehend" sein soll? Grammatisch verstehe ich das nicht. Macht der Satz wenigstens technisch Sinn?

Für mich klingt es wie eine verbale Beruhigungspille: Ist ja nur ein Teil, nicht richtig, keine große Katastrophe und eigentlich gar keine richtige Kernschmelze. Oder gehe ich jetzt zu weit?  Wer kann mir's erklären?

Und da ich erst vorhin über Versicherungen sprach: Wussten Sie, dass deutsche Atombetreiber keine ausreichend hohe Schadensdeckung haben für den Fall eines großen Atomunfalls? Deshalb ist Atomstrom so billig, weil die Grundsätze kaufmännischer Kakulation außer Kraft gesetzt wurden!

Hier geht es zu einer Petition für eine Haftpflicht, die nicht nur 300 deutsche Professoren zeichneten, sondern vier ehemalige Bundesminister, darunter Dr. Norbert Blüm.

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Die Kampagne wird getragen von der Ärzteorganisation
IPPNW,der Neuen Richtervereinigung NRV, dem Bund
Naturschutz in Bayern und dem BUND

Bürotag

Hier sitze ich nun, die Dolmetscherin und Übersetzerin, an der Schreibmaschine oder ihrem Nach-Nachfolgemodell. Die daneben stehen, bin ich auch: Chefin (schneller! Höhere Umsätze! Du kannst es besser!), Buchhalterin (Wo sind Belege und Fahrtenbuch?) und die nicht abgebildete Krisenmanagerin, Planerin, Marketingbeauftragte, Coach, Karriereberaterin, Sekretärin ...




Mich belastet oft diese Vielfalt der Aufgaben, das Hin- und Herschalten macht Mühe, weil ich nicht selten das Gefühl habe, die Dinge kaum richtig beeinflussen zu können. Denn alle Jobs sind nur Teilzeit-Jobs: Teilzeit-Buchhalterin, Teilzeit-Chefin, Teilzeit-Marketingbeauftragte ...

Zum Beispiel montags. An Montagen finden selten Kongresse oder Delegationsbesuche statt. Daher ist es mein Bürotag: ich muss Rechnungen schreiben, Zahlungen prüfen, Belege und Mahnungen bearbeiten, das stresst mich. Ein Hauptgrund für diesen Stress ist ein Kunde, der vor zwei Jahren pleiteging, sowie einige notorische Mahnkunden ... Die Pleite erfolgte übrigens, nachdem wir (mein Team und ich, siehe oben, aber auch die anderen Dolmetscher- und Übersetzerkollegen und -kolleginnen) ein Großprojekt abgewickelt hatten. Wollte ich nicht im Dominoeffekt selbst umfallen, musste ich die Ärmel aufkrempeln.

Das sind Dinge, die ich als Dolmetscherin auch managen muss, obwohl ich nicht im Land der Zahlen zuhause bin. Im Pleitefall waren wir im Team zu siebt tätig geworden, und ich durfte in den letzten Jahren sechs Kolleginnen und Kollegen ausbezahlen. Nur eine, die halbtags in Festanstellung ist, wollte nichts von meinem bei anderen Jobs verdienten Geld wissen (wofür ich ihr noch heute zutiefst dankbar bin!)

Eine solche Krisensituation hat Sonderschichten und doppelte Arbeit zur Folge gehabt. Letzten Sommer bin ich dann auch knapp an einem Burnout vorbeigeschrammt ... Kurz: Ich trete gerade in die Phase der Normalisierung ein und muss jetzt mit dem Finanzamt verhandeln, damit dieses mir meine Fristen weiter verlängert.

Denn mir widerfuhr Glück im Unglück: Fünf Multiplikatoren hatte ich von dem Pleitekunden erzählt, und schon rissen die Aufträge nicht ab. Ich arbeitete hübsch einen Auftrag nach dem anderen ab, es entstand nur wenig Leerlauf, und regelmäßig wurde ich mal durch ein Buchpräsent, mal durch einen Blumenstrauß oder eine Essenseinladung aufgemuntert. Diese Solidarität gespürt zu haben, ist mir in der Rückschau das Wichtigste.

Was sonst noch ansteht: Der nächste deutsch-französische Austausch zum Thema Jugend- und Integrationspolitik in Problem(vor)orten. Dazu habe ich schon Freitag drei Wortlisten von verschiedenen Aufträgen zusammengeführt und nach Fehlern, Dubletten und Leerstellen durchsucht. Es sind acht Seiten Fachvokabular geworden ... Am Sonntag, beim Chillen in der Sonne, habe ich angefangen, Schul- und Erziehungsvokabular aufzuarbeiten. Ich widmete mich einem letzten Herbst erschienenen Glossar mit dem Titel "Kindergarten und Grundschule", das Interessierte im Westentaschenformat beim deutsch-französischen Jugendwerk (dfjw) beziehen können. Das dfjw hat auch eine online abrufbare Lexik zum Thema "Integration und Chancengleichheit" veröffentlicht.


P.S. noch zum Pleitefall: Eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung griff dabei übrigens nicht, die Teilzeit-Risikoberaterin meines Ein-Frau-Unternehmens, die ich bin, ist darin halt kein Profi ...
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Foto: C.E., Büroszene vom "Mont Klamott"

Sonntag, 27. März 2011

Überbleibsel

Wer in Berlin lebt, betreibt mitunter täglich Stadtarchäologie. Und sei es auch nur, weil mal wieder ein Straßenname verändert wurde.

"Was ist von der DDR geblieben?", werden Zeitzeugen wie ich gelegentlich gefragt. Die Kindergarten-Karre, wie sie hier auf dem Fries am "Mont Klamott" (*) abgebildet ist, einem Volkspark in Prenzlauer Berg mit Erhöhungen aus Bombenschutt des zweiten Weltkriegs, sah ich neulich sogar im Westteil der Stadt.


Die Karre ist praktisch und hat sich bewährt, ebenso die zweistöckigen Vorortzüge der Bahn (die ich als Teenager sonst nur aus Frankreich kannte). Dann sind da noch der Rechtsabbiegepfeil an mancher Ampel, an der das Ost-Ampelmännchen leuchtet, seit einigen Jahren auch in Westberlin.
Es ist ja auch so viel niedlicher ...

Bis hierhin führt meine Liste nur Dinge auf, die mit Fortbewegung zu tun haben. Machen wir mit Stichwort "niedlich" weiter: Der Sandmann Ost hat auch überlebt, der Zwerg, der, wie einst manche mutmaßten, Ulbricht ähnlich sähe (wegen des Spitzbärtchens). Aber den Sandmann gibt's nur wegen seiner nach der Wende nun auch im Westen wachsenden Fangemeinde weiter; der Westsandmann, Held meiner Kindheit, war damals schon längst abgeschafft.

Und dann sind da noch die anderen Filme, die DEFA-Filme, darunter Die Legende von Paul und Paula, von denen eine Szene auf dem "Mont Klamott" gedreht worden ist.

Wie hieß die Kinderkarre offiziell? Und was gibt's noch aus der "Eh'malchen"?


P.S.: Dem Berg setzte 1983 die Band Silly ein musikalisches Denkmal, das die Trümmerfrauen würdigt: "Die Mütter dieser Stadt hab'n den Berg zusamm'gekarrt".
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Foto: C.E.

Samstag, 26. März 2011

CineClic

Einen echten Lieb-Link möchte ich heute präsentieren: CineClic stellt regelmäßig die neuen frankophonen Filme vor, die in Deutschland im Kino starten. Aber nicht nur das, über alle DVD-Neuerscheinungen, französischsprachiges Kino im TV und "Filmereignisse" können sich die Leser hier ständig aktuell informieren.

Hinter der Seite steht die Französische Botschaft; sie geht auf Julien Lamy zurück, den früheren Leiter des Filmbüros des französischen Kulturinstituts von Berlin, bevor es aufgelöst und die Aufgabe dem Medienbüro der Botschaft zugeordnet wurde.

Dieses Verschwinden des bureau du cinéma ist sehr bedauerlich. Einst war das Münchener Institut Français (west-)deutschlandweit für Filmarbeit zuständig und das bureau du cinéma hat als "CICIM" nicht nur Filmreihen veranstaltet, sondern auch Bücher herausgegeben, die noch heute Grundlagenliteratur der deutsch-französischen Filmarbeit darstellen, stellvertretend sei nur erwähnt: "Kameradschaft - Querelle. Kino zwischen Deutschland und Frankreich", Hg. Heiner Gassen und Heike Hurst, München 1991.

Freitag, 25. März 2011

GTSB III

Hier verbinde ich zwei Untugenden der deutschen Sprache: Aküfi und willkürliche GE TRENNT SCHREI BUNG ... Und greife auf, was mir als Reaktion auf meinen gestrigen Blogtext ein Leser zuschickte! Merci beaucoup, Thomas !
Dienstag gibt's hier noch eine Nachlese zu den letzten von mir verdolmetschten Dreharbeiten. Schönes Wochenende wünscht: Caroline


Das ist mir doch zu gelacht, was hier von einem Schulabriss berichtet wird ...

Wobei die Mitarbeit am asbestverseuchten Gebäudeabriss
freiwillig anstelle sucht ...

Weitere Interessierte an den Abrisstätigkeiten werden gebeten,
Besser als Kontakt ab zu nehmen, oder?


P.S.: Aküfi bedeutet Abkürzungsfimmel, einer Spezialität der Staaten DDR, BRD, Frankreich und Neu'schland.
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Bilder: unbenannte Quelle

Donnerstag, 24. März 2011

GE TRENNT SCHREI BUNG die Zweite

Neulich erst schrieb ich über die Verwirrung, die offenbar durch die Getrenntschreibung viele gute Geister befallen hat und die nun gar nicht mehr wissen, was wie geschrieben werden soll. In einer Uniarbeit las ich — und ich gebe hier nur einen fotografischen Ausschnitt wieder, um den/die Studierende(n) zu schützen, wie's auf Neudeutsch heißt:
Der "Beruf Übersetzen und Dolmetschen" kommt als Klopper hinzu. Übersetzen und Dolmetschen beschreibt noch immer die Vorgänge, Übersetzer und Dolmetscher sind die Berufsbezeichnungen.

Später im Text ist als Einstellungsvoraussetzung bei EU-Institutionen die perfekte Beherrschung seiner Muttersprache aufgeführt. Die Botschaft kam wohl an, aber der Inhalt macht noch Probleme.

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Textausschnitt: unbenannt

Mittwoch, 23. März 2011

meubler le silence ...

Technikkisten als Stehhilfen
... nennen es die Franzosen, wenn Stille (le silence) zu füllen ist. Sie haben richtig gelesen, sie wird "möbliert".

Als Dolmetscherin beim Dreh eines Dokumentarfilms wie diesen März für ein französisches Arte-Team ist auch das oft mein Job. Eine Stunde vor dem P.A.T. komme ich an. P.A.T. bedeutet prêt à tourner, drehfertig, im Printbereich bedeutet es prêt à tirer, druckfertig, im Radio P.A.D., also prêt à diffuser, sendefertig.

Maskenbildnerin im Werk
Wenn ich am Set aufschlage, bauen die anderen meist schon seit einer Stunde auf. Ich richte mich schnell ein und bespreche mit Interviewerin und Redakteurin die Themen des anstehenden Interviews. Währenddessen wird eingeleuchtet.

Kurz darauf bekommen die Diskutanten ihre Ohrstecker (une oreillette) 'eingebaut', ich spreche dann Probe. Manchmal dauert es, bis die Leitung steht. Ich muss trotzdem weitersprechen. Nach freundlichen Grußworten suche ich nach Themen.

Es gilt also Stille zu füllen ... Das fällt mir meistens leicht, aber nicht immer. Als Dolmetscherin bin ich darauf spezialisiert, der gedanklichen Spur der anderen zu folgen. Ad hoc eigene Themen zu finden, die zu den Gesprächspartnern passen, ist knifflig, zumal ich mitunter wirklich lieber mein Vorbereitungsmaterial des jeweiligen Interviews nochmal durchgehen würde ...

Dolmetscherarbeitsplatz mit Wasserhahn ...
Passt, ich spreche ja fließend Französisch!
Bei Julia Franck, wir drehen in einer fast leeren Wohnung, fange ich an Steckdosen zu zählen, während die Funkstrecke aufgebaut wird, denn mein Arbeitsplatz wurde in einer nahezu leeren Küche aufgebaut. Ich komme auf elf Stück und höre dabei dem Echo zu, das sich an den Wänden bricht.

Dann darf ich nochmal kurz unter die Leute. Die Gesprächspartner haben immer viele Fragen über den Ablauf, ich antworte, so gut es geht; manchmal kommt die Maskenbildnerin erneut vorbei. Oft bin ich die einzige neben dem deutschen Aufnahmeleiter/Fahrer, die perfekt Deutsch spricht. Ich halte also den Interviewpartner nach Kräften bei Laune.

Küchendolmetschen
mit
Rückkanal (weißes Kabel)
Das führe ich fort, sollte wenig später die Warterei am Set wegen irgendeines Problems andauern. Meubler le silence wie gesagt, dabei hock ich wieder in meinem wie auch immer gearteten Kabuff.

Gerne reiße ich Witze, was indes nicht mit jedem Gesprächspartner geht. Ich muss stets schnell erspüren, was zum jeweiligen Gegenüber passt. Bei den Literaten, die wir diese Woche drehen, ist das meist kein Problem, ich hab mich ja zuvor wochenlang in ihre Literatur vertieft. Aber ich will auch nicht stets und in allen Situationen meinen esprit beweisen müssen.

la feuille de présence/de route - die Tagesdispo(-sition)
Kurz vor dem Dreh gibt's noch ein Tonproblem auf dem französischen Kanal, ich mach mir's einfach: Je reconte les prises de courant de la cuisine: une, deux, trois, quatre, cinq ... (Wie gesagt, elf Steckdosen in der neuen Küche von Frau Franck.)

In anderen Momenten genießen alle gemeinsam die Stille. Dann hören wir:

—  Moteur !
— Tourne !

Los geht's! Und kaum ist das Interview im Kasten, eilen wir weiter ....

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Foto: C. Elias
(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken.)

Dienstag, 22. März 2011

Rückkanal *Aktualisiert*

Merci beaucoup, Hyacinthe, für diese Anordnung!
Hier mein Arbeitsplatz, wie er optimiert aussieht, zum Beispiel letzten Freitag im Schwimmbad. (Der Monitor ist gerade noch fürs Einleuchten am Set. Auf ihm sehe ich das Mundbild des Interviewten, was mir beim Dolmetschen hilft.) Am Mittwoch im Café, es war das Interview von Christoph Hein, hatte ich Mühen, mir selbst beim Sprechen zuzuhören, denn der Ort war zu laut.

Aber ich muss mir selbst zuhören können, auf Logik und Verständlichkeit meines Outputs achten und darauf, ob ich am Ende des Satzes wirklich mit der Stimme runtergehe.

Arbeit noch ohne Rückkanal
Tonmann Hyacinthe, dem ich nach einem Testlauf (Foto rechts) von meinen Schwierigkeiten vom Hein-Interview berichtete, baute mir gleich einen Rückkanal ein. Mit meinem Mikro lieferte ich ja Input für den "Knopf im Ohr", den die Interviewpartner und die Redakteurin tragen. Zum Glück hatte der Tonmann noch so ein Empfangsgerät in petto, so dass ich jetzt mit einem Ohr das Interview und im anderen Ohr meinen Output hören kann.

So dolmetscht es sich viel bequemer, vor allem an lärmigen Plätzen!

Von sechs Intervieworten war übrigens nur einer optimal, also ohne erhebliche Einschränkungen wie Lärm oder Kälte.


P.S.: Ich merke gerade, ich war bei meiner Benamsung der Gerätschaften leider nicht so streng, wie ich hätte sein müssen. Also: Empfangsgerät (ist fast) = Endgerät. Die Logik dahinter: Das Endgerät ist für den Endverbraucher, der Empfang der Töne findet im Arbeitsprozess statt ;-) Also ein (nahezu) baugleiches technisches Teil mit zwei Funktionen, denn auf meinem könnte ich noch mehr verstellen. Alles klar ? — oder hab ich jetzt endgültig alle verwirrt? Und der "Kanalumschalter" hat sicher auch offiziell einen anderen Namen ... Judith, hilf!
(Zu pädagogischen Zwecken darf das Bild in kleiner Seminarauflagengröße vervielfältigt werden, jedoch nur nach schriftlicher Genehmigung.)
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Fotos: Caroline Elias, Hyacinthe Lapin
(zum Vergrößern anklicken)

Montag, 21. März 2011

Tag der Frankophonie

Gestern war der Tag der Frankophonie. In Berlin veranstalteten die das Fest dieses Jahr ausrichtenden französischsprachigen Länder ein großes Konzert im Haus der Kulturen der Welt.

Leider war auf der Seite des Veranstaltungsortes nur ein Hinweis zum gleichen Event des Vorjahres zu entdecken, und die Webseite der fête de la frankophonie war auch wenig aussagekräftig, die Info zu gut versteckt, fast nichts ohne längeres Suchen anklickbar. Soit!, sei's drum! Also kein Konzert für uns am Sonntagabend!

Dieser 20. März wird seit Jahren weltweit begangen, denn es gibt auf unserem Globus 200 Millionen Menschen, die Französisch sprechen: Damit hat Französisch erst die neunte Stelle im Ranking der Muttersprachen inne. Das Idiom stünde aber auf Platz zwei, wenn die Zahl der Menschen in der EU betrachtet werden, finde ich auf entsprechenden Webseiten. Deutsch ist am meisten verbreitet, habe ich in Erinnerung. Englisch wirklich erst auf Platz drei?

Die Farben wurden nach Vorgaben gemalt
Etwa 900 000 Französischlehrer gebe es weltweit, auch diese Zahl wurde gestern oft erwähnt, wir Dolmetscher nicht mal mitgerechnet, die ihr Umfeld die ganze Zeit mit Hintergrundwissen |nerven| bereichern oder Privatschüler haben. "Meiner" ist gerade mal sieben Lenze jung und kann seit letzter Woche La tomate est rouge schreiben. Anfänge müssen nicht schwer sein: Wir spielen die halbe Zeit Kaufladen, den Rest der Zeit sammeln wir Vokabeln, sortieren Begriffe und lösen Aufgaben, wobei es dem jeune homme immer wieder gefällt, mich mit Extrarunden mit dem Stift zu erschrecken.

Kurz: Wir haben einmal in der Woche unseren jour de la francophonie ...

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Illustrationen: http://www.francophonie-berlin.de/ | C. Elias und MJO

Sonntag, 20. März 2011

Programmtipp

Heute um 16:30 Uhr "Luc Bondy — Mein Leben / Ma vie", ARTE

Today "Luc Bondy — My Life / Ma vie" 4:30 pm, ARTE

... ein Film, bei dessen Herstellung ich übersetzt habe.


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Foto: Medea Film / ZDF / arte

Samstag, 19. März 2011

Arbeitsort Schwimmbad

Freitag habe ich im Schwimmbad gedolmetscht. Über die dort herrschenden Temperaturen habe ich mich hier schon ausgelassen. Mein Arbeitsplatz im Schwimmbad ist hier.

Heute folgen noch einige Bilder vom Drehort. Das stillgelegte Schwimmbad hat alle fasziniert, es wurde viel fotografiert. Am Ende blieben wir trotz der Kälte noch zwanzig Minuten und haben Portraits aller Teammitglieder für den Abspann gemacht ...


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Fotos: Caroline Elias

Uni für die Hosentasche

Themen wie "Die Farben im Kino", das aktuelle iranische Kino oder was das Internet für Filmkritik bedeutet — das sind Themen, die ich vor kurzem als Vorträge oder Vorlesung auf Französisch gehört habe. Das konnte ich ganz bequem in meiner Küche oder im Büro tun. Denn ich höre sie online auf einer Webseite, die ich seit Jahren liebe. "Canal U" nennt sich selbst die digitale Videothek der höheren Bildungseinrichtungen.

Aber auch die Bereiche Stadtgeschichte, Verfassungsrecht oder Soziale Arbeit habe ich hier schon im Vorfeld von Dolmetscheinsätzen nach Informationsmaterial durchsucht. Die Programmauswahl ist auch über Veranstalter oder Autorennamen möglich. Letzteres ist wichtig, wenn ich mich als Dolmetscherin auf die jeweiligen Sprechweisen von zu Verdolmetschenden einhören möchte.

Über 5000 Programme werden hier online als Video- und Audiodatei angeboten, wozu sich verschiedene Universitäten und kulturelle Einrichtungen zusammengetan haben. Andere Bereiche: Wirtschaft und Handel, Verwaltung, Medizin, Sprache und Kultur, Kunst im Allgemeinen, Landeskunde, Sport- und Gesundheitswissenschaft, Sozialwissenschaften, Grundlagenforschung, Ingenieurwissenschaft.

Diese Woche wird zur Woche der französischen Sprache und der Frankophonie besonders empfohlen: Die gesprochenen Sprachen im Film, ein Vortrag aus der Cinémathèque Française, mit dem Theoretiker und Kritiker Michel Chion sowie den Regisseuren Catherine Breillat, Pascal Bonitzer und Jacques Doillon (Aufnahme vom 04.07.2008).

Etliches kann auch als MP3 heruntergeladen werden, als Hochschule für die Hosentasche gewissermaßen ...

Donnerstag, 17. März 2011

Kalt!

Beim Film dolmetschen bedeutet, das Leben der Filmcrew zu teilen, meistens jedenfalls. Und zwar auch dann, wenn nach einigen Tagen mit 15 bis 17 ° Celsius die Außenwerte wieder in den unteren einstelligen Bereich rutschen, Nieselregen inbegriffen.

Außerdem drehen wir an Orten, die sich nicht immer heizen lassen. Also sitze ich beim Interview von Ingo Schulze im Nebengelass umgeben von Wein- und Gläserkisten, kalter Heizung, Feuerlöscher, gelber Postkiste und Stapelstühlen. Dafür ist die Aussicht grandios: Mit einem derart schönen Blick auf die Französische Botschaft habe ich noch nie gedolmetscht.

Oder aber ich sitze in einer Halle, in der Kunstobjekte ausgestellt werden. Das Team hat sich in den etwas wärmeren Gang verschanzt mit seinen Graffiti und einem unangenehmen Muff; ich aber sitze unweit eines riesigen Fensters und bibbere. Letzter Ort: Ein Räumchen zwischen Bademeisterkabuff und Personalklo mit gelb flimmerndem Neonlicht. Meine Stimme bricht sich an den engen Kachelwänden. Als ich ankam, sah ich beim Ausatmen die berühmten kleinen Wölkchen vor dem Mund.

Nur gut, dass ich die Felljacke noch nicht in die Reinigung gegeben habe! Auch die vier Schichten Kopfbedeckungen helfen sehr: Fleece, Luft, Wolle, Kopfhörer. Nur Handschuhe kann ich keine anziehen, ich muss ja immer die Kanäle hin- und herschalten und auch die Lautstärke dessen pegeln, was ich höre. Feridun Zaimoglu (im Tacheles interviewt) bewegt sich manchmal in unerwarteter Weise, dann raschelt sein Mikrophon und ich muss Vokabeln raten bzw. pegle den Ton entsprechend rauf und runter. Dafür spricht er mir aus dem Herzen. Sein Schreiben sei eine Art Übersetzen, er hätte Bilder vor Augen, und mithilfe der Sprache übertrüge er diese nur.

Reinhard Jirgl (im Stadtbad Wedding befragt) meint am Ende, er habe während des Gesprächs die Kälte gar nicht gespürt. Ging uns fast genauso.

Nachmittags bin ich immer richtig fertig: Ich 'habe drehfertig' und bin müde von der Arbeit und der Kälte. Schnell noch die Dispo eingesackt — ich fange immer als letzte an zu arbeiten — und super!, manchmal darf ich sogar ausschlafen. Die anderen müssen noch Stadtbilder einfangen und einmal sogar Nachtleben. Da bin ich doch froh, nicht immer den ganzen Tag mit der Filmcrew teilen zu müssen!


P.S.: Am Sonntag bringe ich hier noch ein paar Seteindrücke in der Rubrik "Sonntagsfotos".
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Fotos: C.E.

Geräuschkulisse

Wir drehen in einem Café: Französisches Team, deutscher Gesprächspartner, Dolmetscherin. Das Hinterzimmer dieser Lokalität ist den ganzen Vormittag für uns reserviert. Zwei Stunden vor Drehbeginn geht's mit dem Aufbau los — immer wieder erstaunlich, wie viel Unordnung zehn Erwachsene in kurzer Zeit anrichten können.

Dann kommt Christoph Hein, der gleich interviewt wird. Mein Arbeitsplatz wird im Vorraum aufgebaut, damit die Gesprächsbestandteile ohne reinquasselnde Dolmetscherin aufgenommen werden können.

Der Vorraum ist der Übergang zwischen Café und Hinterzimmer.

Hier sitze ich an einer kleinen Bar. Ich schnuppere ... und räume erstmal den grünen Mülleimer aus dem Weg. Hier wird sonst offenbar geraucht.

Direkt daneben, hinter einer dünnen Wand (und ohne Tür): Kaffeemaschine, Milchschäumer und Abstellfläche fürs gebrauchte Geschirr.

Damit muss ich leben.

Während die Gesprächspartner mit dem berühmten Knopf im Ohr ausgestattet werden, durch den ich ihnen das Gesagte in der jeweils anderen Sprache zuflüstere, überlege ich, was ich mit meinen Beinen machen kann. Die Türen der Bar lassen sich öffnen, was die Bequemlichkeit immens steigert. Richtig gemütlich werden die folgenden 1,5 Stunden aber nicht.

Während des Interviews füllt sich der Hauptraum des Cafés. Die Kaffeemaschine wird oft benutzt. Irgendwann suchen Gäste auch Plätze im Nebenraum. Der Klassiker: Ich muss beim Sprechen böse dreinschauen und abwinken, damit ich nicht gleich weitere störende Geräuschquellen habe. Nur der Leser darf sich hinsetzen.

Ja, die akustische Situation beeinträchtigt meine Arbeit, aber das spüre vor allem ich. Die danach befragten Franzosen haben gar nichts mitbekommen.

Nur Christoph Hein guckt einmal komisch drein, als ich auf Deutsch kurz was sagen muss, um Gäste zu verscheuchen — ich war grad auf dem deutschen Kanal.

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Fotos: C.E. (zum Vergrößern anklicken)

Dienstag, 15. März 2011

Interview dolmetschen

Jetzt sitze ich also im Wintergarten der Wolfs. Drei Zimmer weiter hat das fran­zö­si­sche Team drei Kameras aufgebaut, die Maskenbildnerin geht ans Werk, let­zte Kabel werden versteckt. Noch nie habe ich bei einem Dokumentardreh mit so vielen Leuten gearbeitet. Rasch über­flie­ge ich zwanzig Seiten Notizen und Fragen.

Es ist das Material der Interviewerin, das mir die Leiterin der Arte-Reihe, die Au­to­ren verschiedener Länder vorstellt, zögerlich geliehen hat. Ich tippe Zitate ab, krame in den Hirnwindungen, Ab­tei­lung Abiturzeit: Was hat Thomas Mann nochmal über Talent gesagt?
(Ach, wenn ich dieses Papier 24 Stunden vorher bekommen hätte! Aber keine Zeit für Selbstmitleid.)

Eben noch hatte ich als Lichtdouble in Christa Wolfs Arbeitszimmer gesessen. Viel Aufwand für fünf Minuten, die am Ende übrigbleiben, befand denn auch augenzwinkernd die Grande Dame der deutschen Literatur. — Schnell wei­ter­le­sen, noch ein Originalbuchtitel raus­ge­sucht, mit den Zitaten ist das schon schwie­riger, dennoch: es lebe das In­ter­net! Dann geht's los.

Anderthalb Stunden Fragen und Ant­wor­ten ... leider sitze ich hier ohne Kol­le­gin, dafür ist es das einzige Interview des Tages. (Im Schnitt sind es drei In­ter­views täglich.) Zwi­schen­durch muss ich husten — und das Gerät zum Umschalten der Kanäle, übder das mich Autorin und Interviewerin hören, hat be­dau­er­li­cher­wei­se keine Räuspertaste.

Die Schriftstellerin bewegt sich ... und hinter ihr rutscht das Kabel vom "Knopf im Ohr" in den sichtbaren Bereich. Wie sag' ich's meinem Team? Und ist das nicht der Job der Kameraleute? Die sind ja so zahlreich ... Muss ich denn alles machen?, der Hinterkopf rödelt und ver­liert unnötig Energie. Ich halte erstmal die Klappe — in sehr beredter (dol­met­scher­ty­pischer) Weise.

Irgendwann merkt das Team die Sache mit dem verrutschten Kabel dann doch. Mit Gaffer-Band wird es Madame auf den Rücken geklebt.

Und noch am Abend soll ich die Fragen der nächsten Interviews zugemailt be­kom­men.
Geht doch.


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Fotos: C. Elias (zum Vergrößern Bilder anklicken)

Montag, 14. März 2011

Aktuell

Entsorgung, nennenswerte Freisetzung, kontrollierte Kernspaltung als Brückentechnologie, Störfallszenarien, Betroffenheitsblockade, Abklingbecken, Moratorium ...

Dann lese ich, die Ereignisse bewegten sich "irgendwo zwischen GAU und Super-GAU". Moment: GAU heißt größter anzunehmender Unfall. Das Wort Super-Gau ist falsch, "größt" nicht steigerbar, oder reden wir hier über den größtgrößten Unfall? Komische Worte sind das, Inhaltsvernebelungen auf Super-Illu-Niveau.

Meine Gedanken gelten den Opfern und ihren Angehörigen, auch Beispiel den Dolmetscherinnen aus Japan, die dieser Tage fern der Heimat stundenlang japanische Fernsehprogramme zum Beispiel ins Deutsche oder Englische übertragen und die oft dabei nicht wissen, wie es um ihre Angehörigen und Freunde steht. (Was für ein Horrorjob!)


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Foto: Screenshot

Kreuzkölln liegt nicht am Mittelmeer

Wieder ein Neologismus: Kreuzkölln, wie das an Kreuzberg grenzende Gebiet des Berliner Bezirks Neukölln seit zwei, drei Jahren immer öfter genannt wird.
Seit langem lebe ich im Kiez und beobachte, dass jene, die hier wohnen, den neuen Begriff nur selten bis nie verwenden.


Auch ich mag das ranschmeißerische "Kreuzkölln" nicht. Neukölln ist auch ohne die Vorsilbe "Kreuz" spitze!

Besonders in Geografie!
Außerdem sind wir lernfähig in meinem Kiez. Das ist in Deutschland nicht überall so. Hier die gleiche Stelle im Dezember 2010:

Damals fragte ich mich noch, wo genau Deutschland ans Mittelmeer stößt.

Oder hat ein Betreiberwechsel stattgefunden?









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Fotos: Caroline Elias

Sonntag, 13. März 2011

Freunde

Wenn du nicht all deine Bücher lesen kannst, dann nehme sie wenigstens zur Hand, streichle ein wenig über sie, schau etwas hinein, lasse sie irgendwo auffallen, lese die ersten Sätze, auf die dein Auge fällt, stelle sie selbst aufs Bord zurück, ordne sie nach deinen Vorstellungen so, daß du wenigstens weißt, wo sie sind. Lass sie deine Freunde sein - lass sie auf alle Fälle deine Bekannten sein.

Winston Churchill
Weiter geht's im Text. Dolmetscher dürfen keine Angst vor Bildung und dem Lernen haben. Dieser Tage lese ich stapelweise Bücher ... und fühle mich wie vor einer bedeutenden Prüfung von der Größenordnung eines Staatsexamens.

Und dann muss ich mich nach einer Bibliotheksleiter umsehen, ich habe ganz oben noch zwei Reihen neuer Regalbretter, an die ich aber nicht drankomme ...



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Foto: Netzfunde