Montag, 7. November 2011

Verbalprokrastinierer

Manchmal fürchten Sie uns zurecht. In der Kabine fallen mitunter herbe Worte.

Neulich, zweitägige Arbeitssitzung für ein größeres Projekt, wir im Kaschderl und alles flott vertont. Draußen einer, der erstmal sein mea culpa vorbringt, er hätte zu viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen gehabt vor den Herbstferien und aufgrund der Überlastung am Ende in totaler Urlaubsreife nur noch prokrastiniert. Wer anfängt, leer zu laufen und seine Arbeit eher vermehrt, als sie sich vom Tisch zu schaffen, wird gemeinhin Prokrastinierer genannt; warum dieser mittelhochrangige Mitarbeiter diese Strategie fuhr, wird uns erst später klar: Er steht zwei Jahre vor der Rente und wünscht rasch bald einen Mitarbeiter an seiner Seite vorzufinden, der später auch sein Nachfolger wird. Inoffizielle Altersteilzeit in einer Struktur, die das nicht vorsieht, nun gut, sind ja nur öffentliche Gelder, aber das Aufgabenfeld ist so wichtig, dass dem guten Manne (oder ist es eine Frau?) am Ende alle Wünsche erfüllt werden.

Ehe ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe: Nein, Sie haben keine Chance, auch nur im Ansatz zu erahnen, um welche Struktur es sich handelt. Indes: Unsere Arbeitsbedingungen sind dieses Mal nicht wirklich rosig zu nennen. Bei der nächsten Honorarverhandlung werden wir nicht mehr auf niederer Ebene derart mit uns handeln lassen, wenn dem Personaler offensichtlich das Geld locker sitzt. Und es betrifft uns doppelt, denn keine(r) von uns ist oder war jemals irgendwo festangestellt.

Aber ich will auf was anderes hinaus. Über zwei Tage sondert der gute Mann (oder ist es eine gute Frau?) immer wieder mehr oder weniger Relevantes ab, vermischt mit zündenden Infos, die immer wieder eine Diskussion vom Fleck bringen, die sich ständig festzufahren droht. Und dann kommt wieder so ein blubberiger Wortbeitrag, bei dem irgendwie auch nur im Entferntesten kein Punkt, kein Komma und auch keine Aussage auszumachen ist. Man/frau hört sich gern sprechen. Und aufgrund der kleinen Initialzündungen, zu denen jene Person eben auch fähig ist, hören alle stets aufmerksam zu.

Die Honorarsache juckt uns in den Kabinen. Wir stauen Energie an, negative Energien, die ihre Entladung suchen. In der Kaffeepause, in der Gasse hinter den Kabinen an Tag eins, fällt der durch die Zähne gepresste Satz: "Das ist ja ein Verbalprokrastinierer!" Alle lachen. Gemäß der Logik deutscher AKüFi-DIN (oder auch: Abkürzungsindustrienorm) wird daraus schnell VPK. Das wird für zwei Tage unser geheimes geflügeltes Wort (das es bis zum Erscheinen dieses Eintrags bei Google nicht gegeben hat).

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Um 21:06 bei google gefunden ...UE

caro_berlin hat gesagt…

Erst 20:54 hochgeladen, wenn ich mich nicht verguckt habe. Da ist Mister Gugl aber schnell.
Kind schläft. Ouf, langer Tag. Gruß! ... CE

vega hat gesagt…

Hi Caro,

Du hast da was missverstanden! Weil sie sich seit langem diesen Spezi leisten und jetzt auch vorfristig die Ablösung ins Haus kommt, müssen sie Euch schlecht bezahlen, denn das Geld ist gebunden ;-)

Du machst Dir keine Vorstellung, wie so mancher Rest der Abteilung aussieht, die schicken ja nur die Spitze in Sitzungen. Bei uns wimmelt es nur von Schnarchern, deren Ableben am Arbeitsplatz vor Freitag nicht auffallen würde. Klingt bitter, nach Klischee, ist aber in so mancher Behörde wahr.

Haltet weiter die Ohren steif und seid froh, dass ihr keine "verbeamteten Intelligenzen" seit ...
Bis Samstag beim Sport, viele Grüße,
Bine