Montag, 31. Oktober 2011

Die spinnen, die Bänker!

Willkommen auf den Seiten des digitalen Logbuchs einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Französisch, Deutsch ... und Film. Hier berichte ich in möglichst kurzweiliger Form und unter Wahrung von Dienstgeheimnissen vom Arbeitsalltag in Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Köln, Paris, Marseille, Cannes und anderswo. Die letzten Wochen haben wir viel Korrektur gelesen ...

Mein heutiger Aufschrei darf recht allgemein verstanden werden. Eigentlich meint er aber die Mätzchen, die sich die Banker und PR-Leute gemeinsam einfallen ließen, um das jeweilige Kreditinstitut aus der Masse hervorzuheben: Da gibt es in Bayern die "LfA Förderbank", die sich allen ernstes und sehr modern (wir anglifizieren uns erstmal weiter) ohne Bindestrich schreibt. Die InvestitionsBank des Landes Brandenburg schreibt das Bank-Binnen-B groß, das sind Moden aus den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts, und wenn ich die Abkürzung der Bank ansehe, verschwindet das "B" auch gleich wieder, es heißt ILB und nicht IBLB. Superneumodisch ist die Beeinflussung durch Mailanschriften bei der Schreibung der NRW.Bank, logo, Vorname "NRW", Punkt, Nachname "Bank". Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Aber es fühlt sich so an, als würde in Sachen nachvollziehbarer Schreibung jedes dritte Bankhaus machen, was es will.
Doof beim Korrekturlesen: Der Nachschlageaufwand explodiert exponentiell.

NRW, auf Französisch ausgesprochen, erinnert übrigens fatal an énervé, und in der Tat, leicht enerviert bin ich.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Leipziger Allerlei

... in Schriftform aus den verschiedensten Epochen. Meine Sonntagsbilder passen zu diesem Eintrag (bzw. Bild): Mit vollem Mund.


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Fotos: C.E.

Freitag, 28. Oktober 2011

Wo waren wir?

... schon vor einiger Zeit mit Journalisten von Radio Canada? In welchem Teil Deutschlands?

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Foto: C.E.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Manusha

Willkommen auf den Logbuchseiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache mit Wohnsitz in Berlin. Hier können Sie miterleben, wie wir bei glanzvollen und weniger glanzvollen Ereignissen fremden Menschen unsere Sprache leihen ... und das am besten stets treffend, trotz Wortfindungsstörungen infolge nicht optimaler Belüftung oder ausgefallener Mahlzeiten (bei der letzten Car Clinic wurden wir schlicht vergessen) ... oder mit was für Widrigkeiten wir sonst noch so zu tun haben. Indes, meistens läuft alles prima, und da ich meinen Beruf liebe (er ist nicht nur ein "Job"), berichte ich hier für Schüler und Studenten, die sich überlegen, was sie gerne später mal machen möchten, und für (potentielle) Kunden und Kollegen.


Crowdfunding ist das neue Zauberwort der Filmszene, die Menge tut sich zusammen, spendet und finanziert kulturelle Projekte vor. Der Begriff entstand im Zusammenhang mit dem Neologismus "Crowdsourcing". Der Begriff ist von 2006 und geht laut Wikipedia auf Jeff Howe und Mark Robinson (Wired Magazine) zurück. Dabei geht es darum, "im Schwarm" gemeinsam oder auf der Basis eines Wettbewerbs viele künftige Nutzer zur Erstellung von Produkten oder Dienstleistungen zu mobilisieren.

Beim Crowdfunding geht es eindeutig um die finanziellen Ressourcen eines Projekts. Crowdsourcing reicht weiter, hier kann jeder nach den individuellen Möglichkeiten, dem Bedarf, den er oder sie wahrnimmt, entsprechend eigener Zeitvorgaben an einem großen Projekt mitarbeiten. Beispiele sind Wikipedia selbst, aber auch Software wie "Linux" wächst weiter, indem die Intelligenz des Schwarms (die Gesamtheit aller Beteiligten) optimal und frei zum Zuge kommen kann.

Manusha vermisst ihre Oma sehr
Eines der Projekte, an denen wir letztes Jahr beteiligt waren, nutzt nun erstmals Crowdsourcing, und zwar um die deutsche Fassung eines Kinderfilms zu finanzieren. Wir haben den Film durch Übersetzungen und Schleifarbeit am Drehbuch unterstützt. Ein erklecklicher Teil war davon pro bono, weil wir das Projekt so bezaubernd fanden.
"Zauber" ist das Stichwort: Auf kluge Art und Weise, die der Kultur des Alten Kontinents entspricht, erzählt der Film "Manusha, die kleine Romahexe" kindgerecht vom Träumen, von Trauer, Hexerei, Ausgrenzung, Solidarität und Liebe ... und ist dann auch noch frech UND poetisch! Die ersten Bilder, die ich vom Film sah, haben diesen Eindruck bestätigt. (Als Teil des Schwarms komm' ich ins Schwärmen!)

Hier der Link zum österreichischen Produzenten Knut und seiner Assistentin Nina, die sich über jede Form von Unterstützung sehr freuen ... und ich mich gleich mit!

Schauen Sie sich/schaut Euch den Aufruf an! Wer kann und will, möge spenden — aber auch schon die Weiterleitung dieser Informationen ist eine "Geste" des Schwarms. Denn "Manusha, die kleine Romahexe" soll auch in Deutschland ins Kino kommen!

Wenn ich mir das Leben des weltbesten Patensohns ansehe, der in einer Großstadt mit Multikulti und kulturellen Einflüssen voller Widersprüche und irritierender Momente aufwächst, dann ist das Europa der Kulturen, das heute wichtiger ist denn je, für die jungen Generationen längst Alltag.

Ein Film wie "Manusha" liefert dazu poetische Unterfütterung. Wir wünschen ihm viele (weitere) Unterstützer!

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Foto: Knut Ogris Films

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Zu viele Filme

Spezialisiert müssen wir sein ... und zugleich Allrounder. Das ist das Résumé, das ich als Fachdolmetscherin und -übersetzerin für Film, Politik und Medien derzeit für mich ziehen muss. Denn mit Film und Medien läuft gerade nicht viel. Ein Grund dafür ist der sich verschärfende Wettbewerb auch mit exponierten Kollegen angrenzender Berufe. Da wird dann schon mal ein öffentlich-rechtlicher Stammautor in Erinnerung an sein Abitur in einem französischsprachigen Land zum improvisierten Dolmetscher, macht den Sprachmittlerjob so einigermaßen bis schlecht und meint, der Verpflichtung zur Unvoreingenommenheit als öffentlich-rechtlicher Journalist durch People-Stücke oder Berichte über die Dreharbeiten zu entsprechen, auch wenn er vorab für seine Mitarbeit bei der PR von ein- und demselben Filmverleih Honorar kassiert hat. (Das Thema Vermischung von Lobbyarbeit und Journalismus stand hier schon mehrfach, denn es prägt unseren Alltag.)

Der einzige Grund, weshalb eine eigentlich qulitätsbewusste Branche derlei zulässt, ist das Überangebot an Filmen: Bei 15 neuen Werken, die wöchentlich ins Kino kommen, kann nicht jedes von den Medien aufgegriffen werden.

Der andere Bereich unseres Büros: Drehbuchübersetzungen. Und auch hier gibt es, salopp gesagt, gerade zu viele Filme. Üblicherweise finden deutlich mehr TV- als Kinokoproduktionen zwischen europäischen Ländern statt. Damit nicht alle fiktionalen ARD-Redaktionen international arbeiten müssen, haben diese Sender dazu eine gemeinsame Agentur bzw. Produktionsfirma mit dem Namen Degeto (Deutsche Gesellschaft für Ton und Film). Diese geriet in den letzten Jahren aufgrund so manchen Films für die prime time mit der Anmutung von Vorabendprogramm in die Kritik. Aber auch Anspruchsvolles entstand in Zusammenarbeit mit dieser ARD-Tochter.

Jetzt macht sie aber Schlagzeilen mit der unerfreulichen Nachricht, dass von ihr bis 2014 nur noch wenig kofinanziert wird.
Wie kam es dazu? Einerseits werde die Degeto den Zeitpunkt der Ausschüttung ihres finanziellen Anteils verändern, so heißt es jedenfalls übereinstimmend in Produzentenkreisen, von einer nachträglichen Überweisung abrücken, künftig also vorab zahlen. Dann gab es in den Auftrags- und Ankaufbüchern der Degeto über viele Jahre produktionsbedingte Überhänge: Es wurde mehr bestellt, als eigentlich gebraucht wurde, weil ja beim Film immer auch was schiefgehen kann und schiefgeht, was sich auf die Liefertermine auswirkt. Insgesamt, so die Süddeutsche Zeitung, solle die Degeto zwischen bis zu 30 Millionen für Produktionen über den eigenen Etat hinaus vergeben haben. An anderer Stelle ist die Summe von 25 Millionen zu lesen. Bei einer jährlichen Investitionssumme von 260 Millionen Euro sind das Überschreitungen in den Bereichen zwischen 9,6 und 11,5 %, wobei sich der Millionenüberhang über mehrere Jahre angesammelt haben soll.

Ende September jedenfalls äußerte sich die ARD-Tochter zu den Zahlen und bedauerte öffentlich, dass "die Produzenten in naher Zukunft mit einem Produktionsrückgang rechnen müssen"(*). Die Branche rechnet sogar mit einer "Pause" bis Anfang 2014, wobei sich die ARD jetzt laut SZ zu einem Darlehen für die Deckung laufender Verpflichtungen bereiterklärt haben soll.

Ergebnis der misslichen Lage hier im Büro: Rückgang der Drehbuchübersetzungen um 50 % und viele Anfragen nach Leider-leider-Honorarsätzen, denn natürlich mindern nicht zustandgekommene Projekte auch das vorhandene Budget zur Vorfinanzierung von Anschlussvorhaben.


(*) Mehr zum Thema:
"Eine derart verschwurbelte Pressemitteilung [PM] gibt es nicht alle Tage", schrieb dazu die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und auch ich musste diese Zeilen dreimal lesen, um sie am Ende ahnungshalber zu verstehen. Weniger ist mehr oder ist was? Hier der Absatz aus der PM: Die ARD Degeto hat in den Jahren 2010 und 2011 ihr Engagement sowohl im Lizenzerwerb als auch in der Produktion intensiviert. Sie verfügt aktuell dadurch über ein Programmvorratsvolumen für die Jahre 2012 und 2013, das angesichts perspektivisch verringerter finanzieller Rahmenvorgaben und der Übernahme zusätzlicher Aufgaben zunächst im Programm ausgestrahlt werden soll.
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Illustration: ARD

Dienstag, 25. Oktober 2011

Handschrift

Willkommen auf den Logbuchseiten einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier berichte ich aus Berlin, Paris, Cannes, Marseille, München, Hamburg oder Leipzig unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Meine gewählte Perspektive: entweder aus dem Inneren der Dolmetschkabine oder direkt vom Schreibtisch. Dieses Blog gibt mir die Möglichkeit, über das Material nachzudenken, die Sprache, und die Formen unseres Schaffens.

So richtig schön mit der Hand schreibe ich nur noch selten. Das ist schade. Die meisten meiner Briefe sind Mails, oder aber es handelt sich um Texte fürs Büro oder Wortlisten, die werden rasch ausgedruckt. Privat ist der Weg zum Telefon dem Weg zum Briefkasten eindeutig überlegen. Bleiben nur noch die Postkarten aus aller Welt ...

So viel zu den Auswirkungen des digitalen Alltags aufs Schreiben. Über die Jahre hinweg hat sich meine Handschrift weiterentwickelt, leider in Richtung Unleserlichkeit, sie hat fast wieder etwas Schülerhaftes. Auch die handschriftlichen Notizen fürs konsekutive Dolmetschen haben nichts mit Kalligraphie zu tun. Vokabelnotizen im Kino oder Stichworte aus der Zeitung, Einkaufslisten oder Bonmots landen im Notizenheft, mit dem ebenfalls kein Schönschreibwettbewerb zu gewinnen ist.

Mein tägliches Arbeitspensum organisiere ich im Kalender, der ist noch auf Papier, auch hier kommen Kürzel aus der Notizentechnik der Dolmetscher vor. Bleiben noch Vokabelheft und Wortkärtchen. Hier nötige ich mich zur Schönschrift, auch, um mich selbst mit optischer Ruhe und Klarheit zum besseren Lernen zu konditionieren.

Und so, wie mir in der Grundschule Lehrer kleine Grinsegesichter unten auf die Schularbeiten malten, kann es vorkommen, dass ich auf der Vokabelkartei etwas grafisch kommentiere. Zum ersten Mal wanderte nun ein augenzwinkerndes Smiley in der Art und Weise, wie es getippt vorgekommen wäre, auf eine Vokabellernkarte ... um Ironie anzuzeigen, die bei einem Begriff mitschwingt. Das ist qualitativ ein Fortschritt bzw. ein Wechsel eines Symbols aus der Computerwelt, das im ASCII-Code geboren wurde, in die alte Welt des Papierlebens, kurz: Der Sprung über eine Gattungsgrenze hinweg.

Die Franzosen nennen diese Art Smileys übrigens émoticônes (f); die für Sprachpflege zuständige Académie française zieht dem Vernehmen nach das Wort frimousse (Gesichtchen) vor. Online ist die Aufnahme des Begriffs leider nicht überprüfbar, hier stehen nur Beispiele.

... eine bekannte Suchmaschine

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Illustration: Alte Kinowerbung
(Flohmarktfund) und das WWW

Montag, 24. Oktober 2011

On mange !

On mange, wir essen. Derzeit häufen sich die Arbeitsessen ... und daher betreten wir mit Dolmetschkunden eine Gaststätte ... und wundern uns in den kurzen Pausen, in denen wir mal nicht sprachmitteln müssen. Unauffällig lasse ich den kleinen Zettel in die Tasche gleiten, auf dem unser Spezialmenü des Tages aufgeführt ist. Nach dem Dolmetscheinsatz kann ich in Ruhe darüber nachdenken, was ich da so in kleinen Häppchen zwischen zwei Sätzen aß. Oder auch nicht.

Für alle, die jetzt eine Pauke sehen:
Eingeschliffenes Weißweinglas vor Herbstlaub
Einst waren Speisekarten redlich und beschrieben den Kaffee als komplett und das Gedeck zwei als Gabelfrühstück mit Ei und Petersilie. Da wusste man, was man bekam.

Dann wurden Speisekarten pragmatisch, zählten die Gifte und dubiose Bestandteile nach Buchstaben und Zahlen sortiert auf, nur wurde einem leider keine Tafel zur Entzifferung dessen mitgereicht, was E150c und 160b bedeuten soll.

Jetzt sind Speisekarten poetisch und philosophisch und prahlen mit vermeintlich eindeutigen Besitzverhältnissen. Beim "Dialog von Frühjahrsgemüse" sehe ich die Zuckerschötchen miteinander im Zwiegespräch, bis sich die jungen Möhren zankend einmischen. Wer spricht am Ende das Machtwort? Die in Essigreduktion mit Waldhonig gebeizten Peperoncini, das Fluggemüse, das sich hier eingeschummelt hat? Anschließend werden "Meeresfrüchte an pikantem Zitronensoufflé auf ihrem Salatbett" kredenzt. Wissen die das? Ich meine, wissen die Meeresfrüchte, dass sie nun, da sie dem Jenseits angehören, ein eigenes Bett aus Salat besitzen? Und warum sind sie "am" Soufflé? Liegen sie daneben? Das Soufflé also auch auf dem Salat? Und warum gehört der Salat nicht auch dem Sofflé? Sorry, dass ich jetzt philosophisch werde, aber setzt der Genuss von Besitz nicht Bewusstsein voraus, also eine aktive (oder kürzlich ausgehauchte) Seele? Und wussten die Meeresfrüchte, dass sie Meeresfrüchte waren?

Einer der Mitesser am Tisch genießt "Zweierlei vom Rind", genauer haben wir's nicht. Ist es die Zunge und die Leber oder hat der Koch heute Ochsenschwanz und Steak serviert? Ja, richtig, Ochse ist kein Rind, geschenkt! Aber die Speisekartenpoesie ist hier dann doch wieder ungemein praktisch, weil der Koch erstmal nachgucken kann, was vom ollen Wiederkäuer noch übrig ist, bevor er loskocht. Hier entwickelt sich die Poesie also zurück in Richtung Pragmatik. Wird nicht mehr lange dauern, dann ist wieder Speisekartenredlichkeit angesagt.

Jetzt kommt erstmal die Rechnung, aber die ist weder redlich noch pragmatisch noch poetisch. Das haben die Beteiligten aber vorher gewusst.

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Foto: C.E.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Attrappe


Dafür ist die Filmdolmetscherin echt. (Der Tippfehler auch.)

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Foto: C.E.

Samstag, 22. Oktober 2011

Une Berline ...

... ist eine Limousine mit vielen Türen. Und das hier Renaults Antwort auf französische Opel-Werbung (*), die auf "deutsche Qualität" abhob. [Sère loustige !]




(*) ... und eine englischsprachige Person die "deutsche Frau" verkörpern ließ.
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Film: YouTube

Freitag, 21. Oktober 2011

Mit vollem Mund ...

Willkommen auf den Seiten meines Logbuchs aus dem Dolmetscher- und Übersetzerleben! Hier berichte ich (unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse) über unseren Arbeitsalltag. Dieser in der Allgemeinheit kaum bekannte Beruf birgt so manche Überraschung. Einerseits verbraucht so ein Dolmetscherhirn bei der Sprachmittlerei sehr viel Energie, anderseits kommt unsereiner manchmal kaum zur Nahrungsaufnahme ...

Früher eine Schule, heute ein Restaurant, dazwischen ...
Mit vollem Mund spricht man nicht, denn es könnte auf Kosten der Verständlichkeit gehen!

Diese Woche in Leipzig: Wir sitzen in der Alten Nikolaischule an der Nikolaikirche beim Pressegespräch zusammen. Die Vorgespräche zu diesem Termin haben auf Englisch stattgefunden, aber ich kenne meine Pappenheimer, räusper, also Luc aus Paris kenne ich, und das immerhin schon seit 19 Jahren, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Journalisten sind bereits da, wir schreiten erstmal zum Buffet. Ich lasse die Vorspeisen aus, probiere gleich ein bisschen die Hauptgänge, ich weiß, warum. Denn nach den hors d'oeuvres geht's auch schon los mit dem "lockeren Pressegespräch". Nach wenigen Sätzen ist Luc zurück in seiner Muttersprache. Ich war gerade beim 2. Teller angelangt, bei einem Hauch Vorspeisen, einem Hauch Obst. Aber das ist jetzt egal, jetzt wird gesprochen. Die Kaffeebestellung bekomme ich nicht mit, von den anderen Essensgästen ebensowenig, auch wenn ich weiß, dass ich etliche freundliche Zunicker erwidert habe, denn gerade findet das Festival DOK Leipzig statt und die Stadt ist voller Filmleute.

Als plötzlich alle aufstehen und gehen, bin ich noch hungrig. Aber schnell die Siebensachen eingesammelt und mit. Wie gut, dass ich noch mein Pausenbrot vom Frühstücksbuffet in der Tasche habe!

Arbeitsplatz Restaurant
Macht man nicht, das mit der "Bemme" vom Hotelfrühstück, weiß ich. Morgens bekomme ich aber nie so viel runter, dafür kommt mittags der Hunger. Zu Hause esse ich ja genauso, zu Hause schmiere ich dem Knaben und mir auch immer Pausenbrote. Warum soll ich es an dem Ort, der mit etwas à la "Ihr Zuhause auf Reisen" wirbt, anders halten? Zeit, um mir schnell was zwischendurch zu kaufen, habe ich nicht. Bleibt noch das Restaurant: Ich stelle mir vor, wie mir eine aufmerksame Bedienung zum Abschied diskret ein lunch package reicht. Naja, ich werde doch mal träumen dürfen! Die Werktätigen müssen sich heute halt selber schützen!


Andere Arbeitsessen hier.
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Fotos: C.E., Alte Nikolaischule Leipzig

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Sch...

Will­­kom­­men auf der Sei­­te des di­­gi­­ta­­len Ar­­beits­­ta­­ge­­buchs ei­ner Fran­­zö­­sisch-Fach­frau. Ich bin Über­­setzerin und Dol­­met­­scherin und ar­beite in Berlin und anderswo. Da ich aber nicht nur durch die Arbeitstage hetzen möchte, sondern feed back und Informationen geben möchte, schreibe ich hier stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse über lustige und stressige Momente unseres Berufslebens.  

Nein, ich mache keine eigene Kategorie "Final Draft-Hasstiraden" auf. Aber diese Software, die für Drehbuchautoren und Produktionsfirmen entwickelt wurde, macht uns Übersetzern und Kor­rek­toren das Leben schwerer als nötig. Mir gefällt nicht, dass hier ein Softwarehersteller offenbar mehr Geld und Zeit in die Ver­schlüsselung seines Programms investiert, um sich vor Dieben zu schützen, als in die Behebung von Fehlern, Verbesserung der Nutzbarkeit und die Entwicklung neuer "Tools". Damit geht der Anbieter am Trend vorbei: Koproduktionen sind immer häufiger wirtschaftlich notwendig und kulturell interessant.

Wenn ich meine Übersetzungen zum Gegenlesen nach außen gebe — meistens tausche ich mit Kolleginnen die Kor­rek­to­rate — kann ich auf einen Stamm von Leuten zurückgreifen, die über das gleiche Programm verfügen, die also alle wie ich einmal die Summe von seinerzeit 249 $ gelatzt haben (und für jedes Up­date erneut Geld hinlegen). Und ich fühle mich immer genau dann be­hin­dert, wenn keine(r) meiner Stammkolleginnen und -kollegen Zeit hat. Dann muss ich, was ich wegen der katastrophalen Recht­schreib­prü­fung der deutschsprachigen FD-Version ja ohnehin machen muss: exportieren. Über die damit verbunden Ärgernisse schrieb ich ja bereits.

Beim Exportieren geht teilweise die Formatierung, die Nummerierung der Szenen aber vollständig verloren. Nun, Szenennummern sind überbewertet, wer will, kann sie ja von Hand wieder reinfummeln. Ansonsten lassen sich auch über die Such­funk­tion und eine möglichst eindeutige Szenenbeschreibung problemlos die je­wei­li­gen Szenen ansteuern. 

Doof ist nur, dass ich die Korrekturen, die dann die Word-Kollegen im Word-Do­ku­ment machten, am Ende ebenso von Hand wieder bei meinem Text in das Final Draft-Dokument übertragen darf. Und wir lesen in mehreren Durchgängen.

Warum hab ich eigentlich so viel für den Sch...wachsinn bezahlt?

Auch doof: Eine Produktion will auf Grundlage eines FD-Exports weiterarbeiten. Bei der rtf-Version (rich text format) sind zwar ebenfalls die Szenennummern im digitalen Labyrinth verschwunden, dafür stimmt die Formatierung dort, wo die Figuren und die Dialoge eingerückt sind. Die Ränder wiederum stimmen gar nicht: Wer ohne weitere Fummelei derlei einfach ausdrucken will, bekommt viel vom Text überhaupt nicht zu Gesicht, denn der landet rechts vom Blattrand.

Aber alles weitere Fluchen über die Inkompatiblität der unterschiedlichen Dreh­buch­sof­tware nützt nichts. Einmal Joggen gehen hilft mehr.

Und ich suche weiter nach Alternativen. Hallo, Nachwuchsprogrammierer, hier ist ein Markt. Ich prüfe eine andere Software, Celtx, die aber auch nicht mit FD kom­bi­nier­bar zu sein scheint. Über Acrobate Pro solle man auch zu halbwegs or­dent­li­chen Ergebnissen kommen, steht unter Wiki.Celtx.com. Irgendwo im Netz soll sogar ein Progrämmle sein, das eine Brücke baut, nur wo?

Und so wundert es mich nicht, wenn immer mehr Produktionsfirmen, die FD be­sitzen, ihre Bücher in der Entwicklungsphase von Hand formatieren lassen.
Dafür gibt es wenigstens ein Hilfmittel: PlotPot. Aber am Ende, wenn's dann weiter geht in Richtung Drehvorbereitung, und die ganzen drehplanpraktischen Funk­tio­nen von FD gebraucht werden, muss irgendwo ein armer Praktikant dran glauben. Und dann folgt, was ich in einer Newsgroup und beim Celtx-Wiki so wie unten beschrieben fand (sorry für die Stammleser, ich hatte das Zitat schon mal, aber es ist einfach zu schön ...)

(... nervtötend ... 90 Minuten ... machbar ... Leg' passende Musik auf. Hau richtig rein. Bring's hinter dich.)

In Sachen guter Drehbuchsoftware suche und berichte ich weiter.

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Illus: Wiki.Celtx.com, eigene Aufnahme
von FD (Archiv)

"Word hassle"

Wer A sagt, muss auch B sagen, jamais deux sans trois.

Nicht nur Final Draft nervt, auch Word. Offenbar scheint keiner der Entwickler an die verschiedenen Arbeitsstufen gedacht zu haben, und schon gar nicht an die Übersetzer, die am Ende der Kette mancher Buchentwicklung sitzen.

Durch die vielen verschiedenen Wordfassungen erhalten wir immer wieder verkorkste Dateien. Sie führen zu einem großen Moment des Schreckens: Erst merken wir, dass Änderungen nicht gespeichert worden sind, dann suchen wir eine bestimmte Stelle und die Word-Datei macht sich 'selbständig': Als wäre der Cursor von Geisterhand geführt, rast er nach oben rechts, dann nach unten links, dann im Zickzack in der Mitte rum usw.

Anschließend stürzt das System in 50 % der Fälle ab, oder aber es lässt sich gerade nochmal speichern und zeigt beim nächsten Öffnen der Datei trotzdem keine Änderung an. Wir hatten das einige Male bei dringenden Abgaben mit deadline. Das Problem mussten wir unter höherer Gewalt abbuchen und parallel dazu Aufklärungsarbeit leisten, denn in den Büros glaubt einem das oft erstmal niemand. Ein befragter Informatiker benannte den Kern des Problems so: Die verschiedenen Fassungen von Word seien an manchen Stellen inkompatibel, das kann einem mit Word für Windows aus verschiedenen Jahren so gehen, das geht uns potenziert so mit Word für Apple, für Linux und für Windows. Die Inkompatibilität bestünde darin, dass die im Hintergrund unsichtbaren Befehle sich von Generation zu Generation (oder von System zu System) schlichtweg widersprächen. Und da im Ablauf nun einmal Änderungen vorgenommen werden, worauf das Dokument mit einer anderen Word-Fassung geöffnet und bearbeitet wird ...

So eindeutig die Sache ist, praktisch hilft die Erklärung nicht weiter. Für uns entsteht nämlich erheblicher Mehraufwand, wenn wir eine saubere Datei liefern sollen, aber nur Murks erhalten haben. Der Word-Ärger hat mich auch hier im Blog schon manche |Tinte| Bits and bites in Sachen Word-Hasstiraden |fließen| verschwenden lassen.

Nach einigen schlechten Erfahrungen in diesem Bereich erstellen wir jetzt, sobald das Problem erneut auftaucht, eine Änderungskalkulation für die zusätzliche Arbeit bzw. bieten dem Kunden an, die |Flickschusterei| Reparaturarbeiten im eigenen Unternehmen oder von einem Schreibbüro erledigen zu lassen. So gehen wir ab jetzt mit dem hassle (englisch für "Arger") um, damit auf Dauer kein Hass entsteht.

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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Wind und Luft

Bonjour auf den Seiten eines Logbuchs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Heute schreibe ich darüber, wie ich mich 'laufend' auf dem Laufen halte.

Wirtschaft entwickelt sich gerade zu meinem alt-neuen Fachgebiet. Alt deshalb, weil ich mich 20 Lenzen beim Studium in Paris mehr im Vorbeigehen als sonstwas ein IHK-Diplom für Fachübersetzer im Bereich Wirtschaft und Handel abgeschossen habe. (Okay, die Chose bestand aus Büffeln und mehr Seminarpflichten, als wenn ich nur Sprache und Literatur studiert hätte, aber als Studienanfängerin mit süd­west­deutschem Abi hab ich in Frankreich eben weitergepaukt und nicht das "süße Studentenleben" entdeckt.) Neu ist das Fachgebiet deshalb, weil bislang 60 % der Aufträge vor allem aus den Bereichen Film- und Kulturwirtschaft stammten. Ich erweitere also. Habe mir Fachbücher gekauft, erwäge nächstes Jahr noch Se­mi­na­re an der Fernuni zu belegen.

Aber zunächst integriere ich neue Radioprogramme in alte Gewohnheiten. Am Wochenende höre ich gern Radio, zum Beispiel samstags ab 12.00 Uhr das Film­ma­ga­zin "12 Uhr mittags" auf Radio Eins, das mich ein wenig nervt mit seiner Werbung und einer Sendezeit, die perfekt zwischen der ersten und zweiten Einkäuferwelle in den Geschäften liegt. Die Lösung: Podcast! Musik- und werbelos schrumpft das Programm auf die Dauer einer Küchenaufräumung zusammen.

Da einige der neu anfragenden In­dustrie­kun­den aus dem Bereich der Um­welt­tech­nik stammen, höre ich jetzt auch das Umweltmagazin von RFI (Radio France Internationale), das ich in Berlin auf UKW empfangen kann. (Das ist auch in Zeiten von Internetradio und Podcast eine wichtige Info, denn ich höre Radio immer gern beim Erledigen des Haus­halts, und wenn dann die lieben Mit­men­schen zum Aufbruch drängen, läuft das gleiche Programm im (von ihnen be­rufs­be­dingt angeschafften) Auto weiter.)

Die Umweltsendung kann ich empfehlen. Sie heißt C'est pas du vent, was sich am ehesten durch "Das ist keine heiße Luft" übersetzen lässt. Jetzt kommt der Clou. Wenn die Moderatorin sich am Ende der Sendung mit den Worten Rendez-vous la semaine prochaine, même planète, même heure verabschiedet — "Wir hören uns in einer Woche wieder, gleiche Erde, gleiche Zeit" —, denkt die deutsch-französische Dolmetscherin mit erstem Fachgebiet Medien und Kultur natürlich an Friedrich Luft, den berühmten Rias-Theaterkritiker und sein "Wir sprechen uns wieder, in einer Woche. Wie immer — gleiche Zeit, gleiche Stelle, gleiche Welle", den sie Ende der 1980-er Jahre noch in Berliner Theatern erleben durfte. (Aber einmal ist er eingeschlafen, Heiner, das war bei einem Peymann-Stück, aber bei welchem?)

Allez!, mal halblang, diese krumme Verbindung fällt sicher nur Dir auf!, bekomme ich zu hören. Stimmt, und deshalb habe ich sie auch hier notiert ;-)

Dieser Eintrag kann getrost als private joke abgebucht werden. Schon komisch, welches zumeist unnötiges Faktenwissen sich in einem Dolmetscherhirn so an­sam­melt und stets untergründig damit beschäftigt ist, in der anderen Sprache, den anderen Kulturen ihre Entsprechungen zu finden. Ein Wissen, das bis zu dem Mo­ment unnütz ist, indem irgendjemand in unmittelbarer Nähe einer Dol­met­scher­ka­bine anfängt, ohne Vorwarnung über kaum bekannte, nahezu unmögliche Ver­bin­dungen zu sprechen ...

So, los geht's, eine Runde Laufen. Wichtig: Der MP3-Player muss mit.

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Illustration: RFI (bearbeitet)

Dienstag, 18. Oktober 2011

Filmkritik

Bonjour beim Logbuch einer Sprachmittlerin aus dem Inneren der Dolmetscherkabine! Wenn ich nicht in dem rund zwei Quadratmeter kleinen Kabuff hocke, sitze ich am Schreibtisch und übersetze aus der französischen Sprache. Oder aber ich bin im Kino, denn ich habe mich unter anderem auf Film und Medien spezialisiert. Ab und zu veröffentliche ich hier in loser Folge Filmkritiken und -gespräche, vor allem in Zeiten, in denen immer mehr Stars Englisch sprechen und mancher Filmkritiker wegen sinkender Honorare Pressehefte übersetzt und/oder Interviews dolmetscht.


Die Liebesfälscher (Copie conforme)
Eine Frau, ein Mann, eine Landschaft, so lässt sich der neue Film des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami zusammenfassen. In Cannes, auf dessen Festival dieser Film im letzten Mai im Wettbewerb lief, hat der iranische Regisseur die Ausgangsidee benannt: Einen Film in drei Sprachen wollte er drehen, bei denen sich die Betreffenden auch ohne Übersetzung verstünden.

Analog zum Sprichwort, dass jeder Mensch, der zwei Sprachen spricht, auch zwei Leben hat, ist dieser dreisprachige Film sogar drei Filme auf einmal: Ein Original, eine Kopie und ein Vexierbild. Um Original, Kopie und Fälschung geht es in der ersten Hälfte des Films. Ein englischer Buchautor (William Shimell) reist in die Toscana, um sein Buch “Copie conforme” vorzustellen. Dort trifft er auf eine Frau (Juliette Binoche), eine erfolgreiche Galeristin. Die beiden sympathisieren und brechen zu einem gemeinsamen Sonntagsausflug auf.

Kiarostami lässt nun zwei Reisende in seinem ersten Film, der nicht im Iran spielt, gemeinsam einen Ort entdecken, der mit den romantischen Erwartungen des Zuschauers spielt. (...)
Hier entlang zur Fortsetzung der Kritik auf www.franzoesischerfilm.de.

Und dort stand schon etwas zur Berliner Premiere des Films, der letzte Woche im Kino angelaufen ist und der nicht sinnvoll synchronisiert werden kann, denn die Sprachen geben viel Lokalkolorit.

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Foto: MK2 Diffusion

Montag, 17. Oktober 2011

Das Leben ist ...

"Das Leben ist ein reines Korrekturlesen."
Çürük lief am Wochenende  in Paris!
Weitere Screenings hier.
Zitat aus dem Maileingang von Ulrike Böhnisch, deren Abschlussfilm ich letztes Jahr koproduziert habe. Das hat wirklich Beweischarakter. Wenn einem Ex-Studis oder frühere Seminarteilnehmer sowas schreiben, was sollen denn erst meine Eltern dazu sagen, die Säulen meines (privaten) Lektorats? (Schöne Gelegenheit für ein herzliches Dankeschön!)

So, weiter im Text.

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Foto: C.E. (Katalogseite von achtung berlin
new film award)


Sonntag, 16. Oktober 2011

Stadtbesichtigung

Was machen Übersetzer und Dolmetscher am Wochenende? Wenn sie nicht arbeiten, genau das, was alle anderen auch machen, Beine hochlegen. Oder aber einen Ausflug in die eigene Nachbarschaft: Touristen spielen, indem man sich unter ausländische Gäste mischt.


Oder unter Einheimische, die aus fernen Ländern hinzugezogen sind. Der Verein der Auslandsfranzosen lud zu einer Kreuzbergbesichtigung.


Bei schönstem Oktoberwetter konnten Görlitzer Park, Wrangelkiez und an so mancher Stelle die Bezirksgrenze in Augenschein genommen werden, die vor früher einmal eine Systemgrenze war.


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Fotos: C.E., Kiezbegehung mit
Joëlle Bontems

Samstag, 15. Oktober 2011

Wie runterkommen?

Die Wissenschaft klärt uns darüber auf, dass große Müdigkeit die gleiche Auswirkung hat wie starker Alkoholkonsum: Der Kopf ist benebelt, der Mensch nicht ganz Herr (oder Herrin) der eigenen Sinne.

Unkonzentriertes Sehen
nach dem Dolmetscheinsatz
Dolmetschen ist eine sehr ermüdende Tätigkeit. Für eine Studie des internationalen Dolmetscherverbands aiic von 2002 wurden Dolmetscher gebeten, die Hauptsymptome der Erschöpfung während der Arbeit zu nennen: 53 % gaben Müdigkeit an, 35 % Schläfrigkeit und 16 % erwähnten Lethargie als Ursache für Unwohlsein bei der Arbeit in der Kabine (natürlich waren Mehrfachnennungen möglich). Wenn wir dann erstmal draußen sind, folgt ein kleiner Sauerstoffschock und langsam, sehr langsam fällt der Stress von unsereinem ab.

Und genau hier liegt das Problem: In der Langsamkeit. Langsamkeit ist auch das Stichwort für den Antagonisten dieser Müdigkeit, den hohen Adrenalinpegel im Blut, der nicht so schnell abgebaut wird. Ergebnis dieser Mischung: Eine anhaltende, müde, mitunter an totale Erschöpfung grenzende Überreiztheit. Es ist komisch, sich völlig ausgepowert zu fühlen und trotzdem hellwach und einen Tick benebelt zu sein. Das unterscheidet die Müdigkeit nach dem Dolmetscheinsatz von der Müdigkeit nach Alkoholkonsum.

müde und schlaflos
Manche erleben später im Bett Beinezucken, oder aber es kommt ihnen im Moment des Hinübergleitens in den Schlaf vor, als stürzten sie, was sie ins Wachsein zurückreißt. Nicht selten erzählen sich Kolleginnen und Kollegen von stundenlangem Wachliegen oder durchlesenen Nächten.

Hier nun meine Frage an die Dolmetschercommunity zum Wochenende: Wie gehen Sie/wie gehst Du damit um? Gibt es Tricks, Kniffe, Ideen oder Hinweise, die zu teilen sich lohnt?

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1. Foto: Nach dem Einsatz (Archiv, von 2007)
2. Foto: Gesehen im Hüttenpalast
Zahlen/Link: zitiert nach "Qualitätskriterien und
-strukturen des Marktes – eine Diskussion der
Standards von Verdolmetschungen", Diplomarbeit
von Andrea Wilming, Heidelberg, ohne Jahr

Freitag, 14. Oktober 2011

Schmetterlingslaune

Heute ist wieder so ein Tag. Ich sortiere Aufgaben der nächsten Woche vor, bereite Arbeit der nächsten Mo­na­te nach — und dauernd schweift der Blick raus ins Freie. Ich sitze im Arbeitszimmer in der Wohnung, nicht draußen im Büro, Fenster stößt hier fast an Fester mit der Küche.
Ich sehe Licht, die Sonne steht hoch und malt Flecken auf die gelbe Fassade. Darüber Himmelblau, unten die noch so angenehm grünen Bäume (weil der Wind alles Welke bereits rausgeweht hat aus dem Geäst). Ich brau­che Welt in der Denkerklause; das einsame Ar­bei­ten will mir heute nicht recht bekommen. 

Radio. Zu viele Wortunterbrechungen. Musik: Vivaldi, Bach, am Ende höre ich Musik der Renaissance. Dann lese ich in der Küche Zeitung. Zeitunglesen gehört zu meinem Beruf, also das aktive Lesen mit der Wort­feld­ar­beit und dem Blättern zurück an die Anfänge der Beschäftigung mit einem Thema.

Trinke grünen Tee, Sencha. Stille. Dann, plötzlich, ein leises Klatschen. Das flackernde Klatschen wird immer lauter. Ich rette Leben. Dann landet ein Link in meinem Briefkasten, der passt wie die Faust aufs Auge. So flat­ter­haft wie der Schmetterling ist meine Laune jetzt. Ich muss ans Licht. Schluss.


Fotos: C.E. (und ja, es ist ein Pfauenauge, le paon du jour)

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Mitfühlende Politik

Wieso gibt's in Deutschland eigentlich einen "mitfühlenden Liberalismus", während das Wort "mitfühlend" in Frankreich von der Linken belegt wird: la gauche compassionnelle ?

Jetzt steht ein Buch mehr auf der Bestellliste aus Paris: "Der mitfühlende Mensch" von Myriam Revault d'Allonnes erschien 2008 und es geht um Politik.

(Ich komme hier später auf das Thema zurück. Denn eine meiner Hauptlesezeiten ist zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar, da ist es im Büro ruhig, da habe ich meinen aktiven "Winterleseschlaf".)

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Laufmaschendienst

Willkommen auf den Seiten des Arbeitsjournals einer Französisch sprechenden Dolmetscherin aus Berlin. Neben dem Dolmetschen biete ich Übersetzungen an, und hier ist der Ort, an dem ich über das, was oft in Hektik geschieht, in Ruhe nachdenken kann.

Sprachmittler sind Wortarchäologen und -konservatoren, das merke ich als Übersetzerin täglich. Wir müssen aber auch sprachliche Trends erspüren, sobald sie entstehen, und wenn's sich nur umso einfache Dinge wie Trinkgewohnheiten handelt. An meinem Schreibtisch reise ich durch die Zeit: Letzte Woche las ich ein Drehbuch, das im Jahr 2012 in Berlin spielen soll; bald folgt das Buch für die Verfilmung eines französischen Werkes aus dem 17. Jahrhundert. Und vor der Berlinale werde ich mit einem anderen Buch in die 1920-er Jahre eintauchen, die ja ein unerhört modernes Zeitalter waren, was durch die Jahre der braunen Barbarei in Vergessenheit geriet.

Zum Glück kann ich auf viele historische Bücher zurückgreifen, die ich von meinen französischsprachigen Ahnen geerbt habe, darunter auch Wörterbücher und Lexika. Auch Briefe sind interessante Quellen ... aber wie in früheren Epochen wirklich gesprochen wurde, lässt sich meist nur erahnen oder rekonstruieren. Umso wichtiger ist es, seltene Vokabeln vergangener Zeiten zu bewahren. Laufmaschendienst, Puppendoktor, Bettenklinik sind die neuen Exponate meines Sprachmuseums.

Einen Laufmaschendienst gab's zum Beispiel in der HO-Strumpfboutique in der Friedrichstraße oder in der U-Bahn am Bahnhof Alexanderplatz. Das war praktisch für die werktätige Frau und Mutter, die im Vorbeigehen auf dem Weg zur Arbeit noch schnell etwas für sich selbst erledigen konnte. (Leider habe ich davon damals keine Fotos gemacht.)

Puppendoktores und Bettenkliniken finden wir heute nur noch im Internet, weil die Laufkundschaft fehlt. Dabei bräuchten wir gerade dringend Hilfe für einen Petzibären! Angesichts unfroher Botschaften über lebendgerupfte Daunen in neuen Kissen würde ich gerne die alten aufarbeiten lassen ... in einer Betten- oder Bettfederklinik, das Wort ist mir noch vertraut, auf meinem Schulweg kam ich einst an einer solchen vorbei.

Alles Dinge, die wir in dieser überaus langen Epoche der Wegwerfmentalität nicht haben. Nun, ich denke, das kommt wieder. Die Worte dafür sind jedenfalls noch da.

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Illustration: Kinowerbung aus den
Zwanziger Jahren (vom Flohmarkt)

Dienstag, 11. Oktober 2011

Dolmetscher|abstell|kabuff

Verhandlungen am Rande
Warum der Einsatz gestern Vormittag denn ein Konsekutivtermin gewesen sei, wurde ich gestern Nachmittag wiederholt gefragt. Nun, Platz ist da für Dolmetscher im Nebengelass hinter der Scheibe, das richtig als Kabine erkannt wurde. Allein, eine Anlage für simultanes Dolmetschen wurde dort nie installiert. Die meisten Termine, die wir oder ich dort zu dolmetschen hatte(n), fanden im kleinen Kreis statt, das geht prima mit Flüsterdolmetschen.

Gestern war ich allein, die Gruppe größer. Und da waren anderthalb Stunden konsekutives Dolmetschen für das Gehirn leichter zu bewältigen als ein Solo-Simultaneinsatz (der bei dieser Dauer gar nicht möglich gewesen wäre).
Und die Wahl der Dolmetschart passte bestens zur Menge des zu Verhandelnden.

Dolmetscher|k|ab|ine|stellkammer
Auf meine vorsichtige Anregung hin, man könnte doch vielleicht eines Tages auch Technik in die Kabine einbauen, erhielt ich übrigens von gleich zwei Verantwortlichen dieser politischen Institution die erfrischende Antwort, dass es doch etwas unmenschlich sei, die Dolmetscher dorthin abzuschieben und dass unsere/meine Anwesenheit im Raum als viel unmittelbarer empfunden werde.

Ich liebe es, wenn jene, für die wir arbeiten, uns nicht als Sprachmaschinen wahrnehmen!

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Fotos: C.E.

Montag, 10. Oktober 2011

Vorher - nachher

Bienvenue auf der Seite einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Französisch ist meine zweite Arbeitssprache, und hier gebe ich Einblicke in den Berufsalltag in Berlin und Paris, denke über die Grundlage unserer Arbeit nach, die Sprache, und über das, was sich an Schrägem auch auf ganz privater Ebene so ereignen mag, wenn wir Politikern, Künstlern und Normalmenschen die Sprache leihen.

Vorher:


Nachher:

Was für ein wunderbares Kreislauftonikum mein Beruf doch ist! Ich komme vom Einsatz, habe den Vormittag mit knapp 30 Teilehmern um einen Tisch herumgesessen und konsekutiv ein nicht gerade einfaches Thema gewuppt. Anschließend, zum Ausklingenlassen, noch das kleine Käffchen nachgeholt, das ich vorher nicht hatte (ich war wach genug). Dann im Niesel nach Hause, der Bus übervoll, in der U-Bahn steckt noch die Hitze der letzten Wochen, der Spätsommer im Herbst ging ja erst Donnerstag zu Ende.

Und jetzt sitze ich in der kühlen Wohnung im T-Shirt und schwitze. Nein, kein Fieber, keine "Frauensache", einfach nur Hitze, Energie, Worte in den Blutbahnen, Hirnnebel umschwirrt den Kopf und kühlt nicht mal. Was für ein Cocktail biochemischer Botenstoffe das wohl bewirkt? Zum Glück war es kein Abendtermin, sonst bräuchte ich sicher wieder Stunden, um anschließend in den Nachtschlaf zu finden.

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Foto: C.E.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Apotheke die Zwote

Neulich hatte ich es hier von Apotheken. In Frankreich sieht das Logo der Apotheken anders aus als in Deutschland, nämlich so:


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Foto: C.E. (in Straßburg aufgenommen)

Samstag, 8. Oktober 2011

Neusprech

So spricht der Duden heute:
Nach dem duden.de-Relaunch mit dem neuen Contentangebot sei die Seite besser gerankt... 

Quelle: Deutsche Sprachwelt (via twitter)

Freitag, 7. Oktober 2011

Rhabarber

Willkommen beim Logbuch einer Französischdolmetscherin aus dem Inneren der Dolmetschkabine. Wir arbeiten in Berlin, Paris, Cannes, Marseille, München, Hamburg usw. und gewähren hier Einblicke in unseren Alltag. Hier denke ich über unser Material nach, die Sprache(n), über das, was wir machen und über unsere Rolle als Teil von Arbeitsprozessen, das Ganze stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse. Gegen Ende der Woche nehmen private Momente zu. 

Barbarabarbarabarhabarbaraschorle
Es war das Szenegetränk dieses nassen Sommers, der (trocken) im Herbst stattfand: Rhabarberschorle! Einer der Gründe dafür, dass sie Bionade in Berlin damit (fast) abgelöst hat, mag sein, dass die Bio-Limo vor einiger Zeit an die Oetker-Gruppe verkauft wurde.
Der andere ist die Rückbesinnung auf Ländliches: Es ist Zeigeist, auf den Markt zu gehen, einen Kleingarten zu haben, Marmelade einzukochen und die einfachen Dinge zu genießen.

Oder, um es mit einem Trendausdruck zu sagen, "Rhabarberschorle ist die neue Bionade!" Und weil jenseits aller Moden Sprach- und Wortspiele Teil des Sprachenlernens sind, üben der weltbeste Patensohn und ich weiter auf dem Weg vom Biomarkt: "Barbarabarbarabarbarabarba" oder das schöne "Apotheke"-Spiel, dem bei jeder Wiederholung ein Buchstabe fehlt:
Apotheke
  potheke
    otheke
      theke
       heke
         eke
           ke
             e

Und jetzt nochmal, aber ganz schnell: Apotheke-potheke-otheke-theke-heke-eke-ke-e. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Genuss und gesunde Lebensmittel sind wie Medizin. Für manche geht das so weit, dass sie den Oktober 2011 zum Monat der unbehandelten Lebensmittel ausgerufen haben. (Wir profitieren da nur von einigen Rezepten, die uns mitsamt der Einladung zugingen.)

Und ein französisches Drehbuch, das gerade einen deutschen Koproduzenten sucht und 2012 in Berlin spielen soll, konnten wir diese Woche wunschgemäß korrekt "lokalisieren" und das (zumindest zur Zeit aktuelle) alkoholfreie Szenegetränk reinschreiben. Auch und gerade, weil Schorle in Frankreich bislang kaum bekannt ist. Wir, das sind jetzt eine Übersetzerkollegin und ich, die ich als Lektorin fungierte.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Ohrenfolter

Eigentlich wollte ich hier als Beweis eine MP3-Datei hochladen, aber das Ding ist sooo schrecklich, dass ich es niemandem zumuten mag. Ich spreche von einer eben gehörten Warteschleifenmusik.

Ludwig van Beethoven (1770–1827)
von Joseph Karl Stieler von 1820



Während ich am Telefon hänge und auf den Teilnehmer warte (das klingt schön ostig: "Hallo, Teilnehmer, hören Sie?!"), dringen komische Geräusche an mein Ohr und das Hirn rattert. Um sich zu wehren, beschreibt das Zentralorgan gegen den Lärmpegel an: Werber kennen inzwischen neben Musik auch noch Muzak, letzteres ist Akustikriesel, rechtefreies Aufzug- und Kaufhausambiente, gebaut aus Abfalltönen. Wenn aber klassische Musik zu Muzak wird, tut es doppelt weh, wenn diese auch noch vor sich hin schräpt: "Für Elise" im primitiven elektronischen Sound der gefühlten Sechziger Jahre mit Höhen, die meine Lauscher schockieren. Das ist Ohrenfolter.

Wer will diesen Müll ernsthaft anderer Leute Gehörgängen antun? Oder ist das eine ganz fiese Verhandlungsmethode: Den Gegner in der Warteschleife zermürben und dann in geschwächtem Zustand ruckzuck übern Tisch ziehen? Oder beabsichtigt da jemand, den vorfristigen Verfall meines Hörsinns zu befördern? Ich halte das Ding weg vom Ohr und muss trotzdem hinhören, denn gleich meldet sich sicher mein Teilehmer. Denn näheres Hinhören hat sich so angefühlt, als würden hier eins, zwei, fix meine Flimmerhärchen abgesenst.

Nein, das hab ich nicht verdient. Beethoven auch nicht.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Vokabelliste

Demnächst dolmetsche ich Seit' an Seit' mit renommierten, festangestellten Kollegen einer großen Institution. Ich sitze acht Tage im Voraus am Schreibtisch und lese und bastele. Ziel ist eine aktualisierte Vokabelliste zum betreffenden Wortfeld. Es ist zäh, die Materie trocken.

Dann habe ich die geniale Idee: Ich könnte da anrufen und vorsichtig fragen, ob ich die Mailanschriften der betreffenden Kollegen haben kann. Dann wäre es ja möglich, deren Liste mitzunutzen ...

Der Gedanke kam blitzartig und wurde ebenso schnell verworfen. Die Trägheit hatte sich meiner ermächtigt, oh, oh, eine Todsünde! Und ich grinse vor mich hin — dieses Lesen, Vergleichen, Raussuchen ist ja die halbe Lernarbeit.

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Foto: Archiv (in Paris)

Dienstag, 4. Oktober 2011

dekonspirieren

Guten Tag, bonjour, hello! Sie lesen im ersten deutschen Weblog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. An dolmetschfreien Tagen übersetze ich nor­ma­ler­wei­se (oder auch nicht).
 
Gestern war für mich ein Ar­beits­tag wie viele andere Sonn- und Feiertage auch. Ich beging den 21. Jahrestag der deutschen Vereinigung mit der Lektüre eines Drehbuchs, das mir zur Übersetzung an­ge­bo­ten wurde.

Um mit dem Ende anzufangen: Ich werde es ablehnen. Das Buch spielt in der DDR.

Als Westspross einer sächsischen Familie kannte ich das Land gut und war sehr gespannt, als ich mit dem Le­sen anfing. Die Enttäuschung ließ leider nicht lange auf sich warten. Der Pro­ta­go­nist des Buches wandert für einen relativ un­be­deu­te­ten, kritischen Satz in den Bau zu einer Zeit, in der selbst Würdenträger in der Halböffentlichkeit heftiger vom Leder gezogen haben. Wie dann der zugreifende Staatsapparat dargestellt wird, Verhaftung, Kontrolle der Familie und Kon­se­quen­zen für dieselbe, Verhöre, Wachfolter usw. wird in einer Art und Weise dargestellt, dass Leser (und künftige Zuschauer) eher an die Methoden des "3. Reichs" denken als an die späte Phase der Arbeiter- und Bauerndiktatur.

Diese "Illustration" eines allmächtigen Staates vermag ich nicht als Kunstgriff zu lesen. Die DDR war sicher ein Unterdrückungsstaat, der Menschen bis aufs Blut quälen und auch töten konnte, aber im Alltag, zumindest in der Provinz, sah das Leben fröhlicher aus als das, was hier als vorgebliche Normalität dargestellt wer­den soll. Nein, das "Ländle", um es mit Ruth Berghaus zu sagen, war kein rot­an­ge­strichenes Groß-KZ mit einerseits freudlos und ergeben in ihr Schicksal durch die Straßen schlurfenden Insassen und andererseits übereifrigen, den ganzen Tag nur mit Orden am Revers und marxistischer Literatur unter dem Arm her­um­pa­trouil­lier­en­den Funktionären, wie es das Drehbuch glauben machen mag.

Auch das Mitmachen einer teilweise staatsferneren Funktionselite war weitaus dif­fe­ren­zier­ter, als es heute (vor allem vielen Westlern) als Ergebnis von Schwarz-Weiß-Denken erscheint. Aber je nach persönlicher Situation konnten sich viele erstaunlich effizient durchwursteln: Oft genügte in den 1980-er Jahren einfaches Dekonspirieren (oder dessen Ankündigung), um sich zum Beispiel lästigen Fragen des Apparats nach deutlich engerer Mitarbeit zu entziehen.

Ich bin aufgrund meiner Biographie niemand, der die DDR in Schutz nehmen wür­de. Ich weiß aber auch um etliche, hübsche Nischen, die Pflege der Kultur, der Musik, und dass der heutige Kapitalismus mit seinem Warenüberangebot genauso zerstörerisch ist wie die Produktionsweisen der knappen Verbrauchsgüter in der Vormaligen, die oft keinerlei Rücksicht auf die Natur oder die Gesundheit der Menschen nahmen. Natürlich waren die Grundrechte eingeschränkt und der Filz der herrschenden Kaste dicht, aber die meisten DDR-Bürger lebten einen be­schau­li­chen Alltag mit Höhen und Tiefen, Glück und Unglück, das nicht immer vom Staatsapparat bestimmt wurde.

Aber auch dramaturgisch hakelt das Buch, oder bin ich jetzt Opfer der Fort­bil­dun­gen, an denen ich teilgenommen habe? Geschrieben wurde das Buch von einem älteren Franzosen. Er ist kein unbekannter Drehbuchautor, und ich nehme an, er hat als junger Mann selbst unter der Ausgrenzung durch Salonkommunisten ge­lit­ten, da er aufgrund seiner Lebensgeschichte von dieser Gesellschaftsschicht fernblieb. Warum hat er sich um Himmels willen denn nur die DDR rausgesucht, um seinen Zorn zu verarbeiten? Ein eigener Bezug zu diesem Land wird es kaum sein, denn einige deutsche Dialogpassagen verraten mir, dass er Deutsch nicht kann. Warum hat ihm sein Produzent nicht gesagt, dass er bitte seine eigene Geschichte aus dem Paris der Nachkriegsjahre erzählen soll?

Nein, ich werde das Buch nicht übersetzen, selbst wenn ich im Oktober/November Zeit dafür hätte. Aber es geht um Lebenszeit, und die möchte ich nicht für Ge­schichts­klit­terung verwenden. Mit anderen Worten, und ich zitiere einen mir Nahestehenden: Nicht der Beruf hat, mich, ich habe einen Beruf. Und der macht nur dann Spaß, wenn er sinnvoll ist.

Auch dem Produzenten gegenüber werde ich höflich, freundlich und vorsichtig dekonspirieren. Große Namen reichen heute nicht mehr; das, was sie abliefern, muss auch noch gut sein.


P.S.: Dekonspiration ist übrigens wieder hochaktuell, in vielen Bereichen des Le­bens. Das Unbotmäßige, von dem alle so tun, als wäre es normal, einfach völlig entspannt benennen, ist auch heute eine gute Methode, um unangefochten aufrecht leben zu können.
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Foto: C.E.

Montag, 3. Oktober 2011

Unsichtbar

Einer guten Übersetzung merkt man nicht an, dass sie eine Übersetzung ist.  
Quelle: Übersetzerweisheit

Die Arbeit, die dahinter steckt, ist leider auch unsichtbar.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Blitzlichtgewitter

Letzte Woche war die französische Schauspielerin Juliette Binoche in der Stadt. Sie stellte den Film "Die Liebesfälscher" vor. Die Wand der Fotografen ist mein Sonntagsbild!


Nach der Deutschlandpremiere gibt es das traditionelle Publikumsgespräch, moderiert und ins Deutsche übertragen vom Deutschlandradio-Filmkritiker Jörg Taszman, der eine sehr gute Bühnenpräsenz hat und wunderbar mit Juliette Binoche harmoniert. Er überträgt ihre Worte, indem er sie in seinen Worten zusammenfasst, und schwankt bei der Wiedergabe zwischen der ersten und der dritten Person Singular.

"Mit dem 2. Auge sieht man besser" oder so ...
befindet das öffentlich-rechtliche ZDF
An zwei, drei Stellen vergaloppiert er sich in den Begriffen bzw. scheint etwas zu ergänzen, was er beim nachmittäglichen Interviewmarathon erfahren hat. So leitet er auch eine Frage ein: "Wie mir Juliette Binoche vorhin erzählt hat ..."

Über den Film, der in vierzehn Tagen ins deutsche Kino kommt, schreibe ich später. Derzeit bereiten die Macher einer nichtkommerziellen Webseite und ich unsere Zusammenarbeit vor. Denn als Dolmetscherin mit Medienschwerpunkt kann ich doch künftig auch als Hobby-Filmkritikerin mein Fachgebiet "französischsprachiges Kino" pflegen, oder? (Hier steht dann jeweils ein Link zur anderen Seite.)


Fotos: C.E.

Samstag, 1. Oktober 2011

"to catch up", zweiter Teil

Willkommen auf dem Blog einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache. Hier schreibe ich über unseren Berufsalltag, den viele Lernphasen strukturieren. Letzte Woche beschrieb ich, wie ich an Tagen, an denen ich nicht übersetze, morgens anfange. Heute die zweite Folge: die Meta-Ebene des Beschriebenen sowie die nötige Pause.

Was mache ich bei meinen intensiven Wortfeldarbeiten lernpsychologisch? Ich nutze die unterschiedlichsten Wahrnehmungsmöglichkeiten: ich höre, lese, schreibe selbst, provoziere mit meiner Vokabeltafel inzidentielles Lernen ... und ich wiederhole aktiv, ausgewählt und im Kontext, knüpfe dabei gezielt an Vorwissen und an frühere Situationen an (die alten Listen). Außerdem bereite ich mich mit den Vokabelkarten darauf vor, dass dekontextualisierte Begriffe abgefragt werden — im Eifer des Gefechts muss ich Stichworte auch ohne den Zusammenhang erkennen. 

Ich folge mit diesen verschiedenen Herangehensweisen ziemlich genau den Strukturen und der Arbeitsweise meines Gehirns. Ich motiviere es zum Weiterlernen durch Ausschüttungen von Serotoninen beim Wiedersehen von Altbekanntem. Dieser Neurotransmitter beruhigt und macht zufrieden, daher wird er oft (fälschlicherweise) auch als "Glückshormon" bezeichnet. Ich sorge dafür, dass sich durch häufige Wiederholungen die Verbindungsstärke der "Begriffsknoten" zwischen den Neuronen wächst, die ich miteinander in Verbindung bringe. Und hier ist die Regel einfach: "Je häufiger eine Verbindung zwischen zwei Knoten aktiviert wird, desto größer wird die Assoziationsstärke zwischen den betreffenden Inhalten." (1) Dadurch steigt die Behaltenskurve an, durch häufige Nutzung der Nervenbahnen nimmt die Durchleitungsgeschwindigkeit zu. Außerdem unterhalte ich mein Gehirn durch den häufigen methodischen Wechsel, die die unterschiedlichen Sinne ansprechen. Ziel ist die Vertiefung von Sinnzusammenhängen ebenso wie das Abrufen einzelner Begriffe, auch hier werden die unterschiedlichen Neuronen und Hirnregionen wiederholt und zum Teil (vermutlich) in leicht veränderter Art und Weise angesprochen.

Dann, nach knapp zwei Stunden Lesen und Büffeln (unterbrochen von einer kurzen Pause), erlaube ich mir maßvolles Naschen. Der Genuss von schwarzer Schokolade führte in einer Studie (zumindest bei Mäusen) zu einer erhöhten Produktion der Mitochondrien, das sind die kleinen Energiekraftwerke der Zellen. Schwarze Schokolade regt der Untersuchung zufolge außerdem die Erweiterung der Kapillaren an, was die Versorgung der Muskeln mit Sauerstoff verbessert. Ob und wie sich das in der Schokolade enthaltene Epicatechin wirklich auf die Leistungssteigerung des Körpers auswirkt, ist umstritten. Mir gefällt der Gedanke, und ein kleiner Genuss zum Apfel kann nicht schaden.

Vor allem aber lockere ich meine Hirnwindungen. Auf ARTEplus7 (Catch-up TV!) gibt es so manchen Kurzspielfilm. Auch, wenn ich Filme in der Übersetzung hasse, so bin ich froh, dort manchmal Programme mitzubekommen, die ich sonst nur aus der Literatur kenne. Hier läuft derzeit "The Saint", eine Krimireihe in Schwarz-weiß von 1960 folgende nach den Simon-Templar-Romanen aus den 1920-er bis 40-er Jahren.

Ich bin weder ein großer Science-Ficition- noch Krimifan, liebe aber historische Krimis und Zukunftsvisionen der Vergangenheit, die viel über die Zeit ihrer Herstellung erzählen. Hier lerne ich lachend, was die Moderne von einst war, wie die Geschlechter miteinander umgegangen sind, welche Ängste die Menschen umtrieb. (Und diese Liebe für historische Programme hatte ich schon als 12-jährige, da hörte ich Samstags nach der Schule gern die alten Paul Temple-Hörspiele aus den 1950-er Jahren ;-)


Jetzt also die 60-er Jahre. Bei dieser Folge von "The Saint" ist ein Mord im Spielfilmstudio aufzuklären. Ich spekuliere sogar auf Filmvokabular, eine Hoffnung, die allerdings enttäuscht wird. Dafür gefällt mir diese Szene, in der ein Inspektor vom Regisseur gefragt wird: "Vous aimez le cinéma?" (Lieben Sie Kino?), worauf er antwortet: "Mais tout ce travail pour si peu de choses (rires) ... je parle de la quantité !"

Die deutschen Übersetzer fanden (ich hoffe ausgehend vom englischen Original) diese Lösung: "Haben Sie es interessant gefunden?" Kommissar: "Erstaunlich, der Aufwand für ein so kleines Resultat, ähhh, ich meine die Quantität, nicht die Qualität!" In der französischen Version wirkt der Kommissar ein bisschen weniger dümmlich, er lacht feist, anstatt "äh" zu sagen.

Großer Aufwand, kleine Wirkung, so ließe sich die französische Antwort frei übersetzen. Das gilt nicht nur für die Filmarbeit, sondern auch fürs Übersetzen und Dolmetschen. Wir pauken viel und oft, damit alles sitzt, wenn es abgefragt wird. Wie gesagt, wir fühlen uns so wie ewige Prüflinge. In einigen Tagen wieder ... Deshalb jetzt rasch noch etwas Wirtschaftslexik gepaukt! Es gibt immer einige Vokabeln nachzuholen (to catch up)!


P.S.: Lernpsychologen empfehlen übrigens für die Pausen, in denen sich der Lernstoff "setzen" kann, lustige Programme, also alles, was einen zum Lachen bringt. Lachen sorgt für mehr Durchblutung im Gehirn, was wiederum die Bildung neuer Nervenzellenverbindungen und Blutgefäße anregt. Mehr Luft im Schädel bewirken aber auch Sport und klassische Musik. (Viele empfehlen Mozart, ich schwöre auf Chromatisches von Bach.)
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Quellen:
Foto: arte
(1) Nuissl, Ekkehard: "Vom Lernen zum Lehren:
Lern- und Lehrforschung für die Weiterbildung",
Bielefeld 2006.