Montag, 27. Juni 2011

Fünf Prozent

William Wires malt Kreuzberg
"Die letzten fünf Prozent sind immer entscheidend", sagt Maler William Wires, als er am frühen Mittag am Kottbusser Damm sein Vormittagswerk beendet. Vor jedem Pinselstrich denkt er lange nach, betrachtet sein Bild, vergleicht es mit dem Original. Er steht einfach da, und für einen unwissenden Beobachter sieht es so aus, als geschähe gar nichts.
Dann setzt er hier etwas Licht, dort vertieft er Schatten oder verbessert einer Fläche.

Interessant, dass es uns literarischen Übersetzern genauso geht. Letztens hatte ich mich ja bereits vom Pareto-Prinzip distanziert, das möglicherweise in anderen Arbeitsbereichen angewendet werden kann.

Beim Übersetzen von Drehbüchern sind die letzten Schritte immer unglaublich zeitaufwändig, und dieser Zeitaufwand ist für Außenstehende oft nicht ersichtlich. Für Mitarbeiter von Filmproduktionsfirmen: Übersetzen hat viel mit Produktionsleitung gemein. Wenn es nicht gut gemacht ist, fällt es allen auf; verläuft alles reibungslos bzw. liest sich das Buch, ohne dass Rhythmus-, Wortwahl- und Grammatikprobleme auffallen, scheint das ein Ding der Selbstverständlichkeit zu sein. Ich ergänze: Für Maler, die realistisch arbeiten, gilt das mit den aufwändigen, für Außenstehende oft nicht verständlichen, letzten Handgriffen auch.

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Foto: C.E.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke, bin immer beindruckt von Menschen, die mehr als nur den Drang zum Ausdruck verwenden.
Vi