Montag, 3. Januar 2011

Mischkulanz

Haben Sie schon einmal einen Wiener auf so richtig schön breitem Wienerisch das Wort "Mischkulanz" aussprechen hören?
(Einer meiner Lieblingsproduzenten lebt in dieser schönen Stadt. Knut, sag' mal Mischkulanz!)

Für mich ist es das österreichischste Wort schlechthin! Viele Silben, die in der 'echten' Aussprache herrlich gedehnt werden, ein nicht sofort verständlicher zweiter Wortteil, kurz: die Vokabel wirkt kompliziert  und meint im Grunde nur das gleiche wie der einfache Begriff "Mischung".

Neulich verlinkte ich hier einen Artikel über die Arbeit von Übersetzern. Dort wurde die Summe von 400 Euro genannt, die eine Übersetzerin an guten Tagen umsetzen würde. Das bedeutet natürlich, dass es auch weniger gute Tage gibt ... und im Berufsalltag von uns Dolmetschern ist das natürlich genauso. Ich liebe Berlin, hier arbeite ich gerne, und ich bin an Berlin gebunden, auch als Teil des Kulturbetriebs, für den ich übersetze und dolmetsche.

Anders wäre es, wenn ich an einem Ort wohnen würde, der wie Brüssel einen hohen Dolmetscherbedarf hat  und solide finanzierte Institutionen. Manche Kollegen wagen den Spagat und haben in Berlin offiziell ihren Hauptwohnsitz, sind dabei doch drei Viertel des Jahres in Brüssel oder München oder Genf.

Für mich als Dolmetscherin und Übersetzerin mit den Schwerpunkten Medien, Kultur, Kulturwirtschaft einerseits, Politik, Wirtschaft und Soziales andererseits ist Berlin indes nicht nur der Ort, an dem ich lebe, hier bilde ich mich auch ständig weiter. Über einige der Fortbildungen schreibe ich in den nächsten Tagen, denn das neue Jahr lässt sich ruhig an, da kann ich alte Themen abarbeiten.

Aufgrund der eigenen Arbeitssituation bin ich in der deutschen Hauptstadt zur Verfechterin der "Mischkulanz" geworden. Ich kenne Tage, an denen bereite ich mich mit der gleichen Professionalität wie für Minister auf einen Einsatz vor, der die Hälfte oder ein Viertel (oder noch weniger) dieses Umsatzes bringt. Denn die Arbeit ist immer gleich anspruchsvoll, die Projekte der unterschiedlichsten Auftraggeber aber nicht immer gleich gut dotiert.

Auch nicht so gut 'ausfinanzierte' Festivals, Konferenzen oder Filme brauchen professionelle Unterstützung. Außerdem kann das, was heute klein ist, morgen schon etwas größer und übermorgen vielleicht groß sein  und dann auch unsereinen angemessen bezahlen. Kurz: Ich engagiere mich gern auch gegen unangemessene Entlohnung eine symbolische Aufwandsentschädigung für vielversprechende Projekte, solange übers Jahr gerechnet ausreichend normal finanzierte Projekte vorhanden sind, die den Ausgleich bringen.

Das ist meine "Mischkulanz". Und mein österreichischer Lieblingsproduzent darf sogar in Raten zahlen, wenn es sein muss. Daher gehöre ich im Jänner "nur" halbtags dem Büro mit der üblichen Berlinalevorbereitung. Die andere Zeit sehe ich heuer wieder Berlinalefilme in den Pressevorführungen. Dies geschieht zur eigenen Fortbildung und eventuell zur Arbeitsvorbereitung, wir wissen ja nie lange vorab, wer wirklich kommt. In dieser Zeit lebe ich vom österreichischen Auftrag des letzten Herbsts. Die entsprechenden Tantiemen reichen fürs Brot, den Kuchen, nicht aber fürs Schlagobershauberl ...
Das verkneife ich mir jetzt ohnehin lieber – wegen der schlanken Linie.


Mehr österreichische Vokabeln hier.
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Foto: www.dict.cc

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