Dienstag, 31. August 2010

Preise für Untertitel

Heute eine Fra­­ge:
Hal­lo zu­­sam­­men,
Wir wol­len bei un­se­rem neu­en Do­­ku­­men­­tar­­film (90 Min) die eng­li­sche Über­setz­ung und Untertitelung komplett auslagern und suchen nun gute Anbieter (Preis-Leistungs-Verhältnis).
In welchem Preisrahmen würde sich Übersetzung und Un­ter­ti­te­lung bewegen?
Freu mich über Eure Hilfe, 
Marc
Und der Versuch einer Antwort:

Lieber Marc,

der Endpreis von Untertiteln ist abhängig von der Textmenge, davon wiederum ist die Anzahl der Titel abhängig, und die ist bei guten Firmen dann auch Grundlage der Rechnung. Dazu solltest Du erstmal den Umfang des Augsgangstextes vor Übersetzung ermitteln. Wir Sprach­men­schen fragen immer nach Anzahl der Anschläge inklusive Leerzeichen, das findest Du bei Word unter “Extras” und dann “Worte zählen” anklicken. Mit dieser Angabe und einem kurzen Einblick in den Text (um den Schwierigkeitsgrad einschätzen zu können), kann jede Fachfrau oder jeder Fachmann den Aufwand abschätzen und wird Dir gern einen Kostenvoranschlag schreiben. (Berechnet wird indes am Ende immer das Ergebnis.)

Ohne diese Grundinformationen ist Deine Frage nämlich genauso leicht zu be­ant­worten wie “Was kostet die Herstellung eines Dokumentarfilms, so pauschal, von ... bis?”

Zur Auswahl der Firma oder der Untertitler noch ein paar Tipps. Zur Jahrhundertwende haben leider einige große Firmen den Markt ‘übernommen’ und den Job des Untertitlers zum Studi- oder Aushilfsjob degradiert. Das regeln sie auch hier über den Preis. Sie rechnen zwar beim Kunden je Untertitel ab, zahlen aber der Übersetzerin oder dem Übersetzer nur einen Festpreis je Minute. Hier läuft leider in anderen Farben etwas Vergleichbares ab wie in der Fernsehproduktionswelt.

Daher: Am besten arbeiten selbständige Kolleginnen und Kollegen, die für einander oft auch über Kreuz Korrektur lesen - und die im Durchschnitt auch nicht teurer sind als die großen Firmen (es sei denn, jene arbeiten mal wieder mit Kampf­preisen in der Verlustzone).

Grüße und alles Gute,
Caroline

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Foto: Der erste Untertitel ist ein wenig
verunglückt ... aus einem Lektorat.

Montag, 30. August 2010

Last minute

Was verbindet Dolmetscher und Hochschulprofessoren? Wenn sie nicht zur geplanten Zeit erscheinen, fällt es auf. Und zahlreiche Zeugen gibt es obendrein. Nichts ist also schlimmer für mich als Dolmetscherin für die französische Sprache, als von höherer Gewalt am Pünktlichsein gehindert zu werden.

Dass dies in Ausnahemfällen vorkommen kann, beschrieb ich unlängst mit der Pariser Taxi-Episode. Das ist alles nichts, dessen ich mich rühmen würde. Im Normalfall komme ich äußerst zeitig zur Arbeit, um entspannt loslegen zu können, wenn die Veranstaltung beginnt. Aber es gibt Momente, da klappt das einfach nicht. Hier mehr davon. Was nach den schrägsten Ausreden klingt, sind Episoden, die das Leben spielt.

Einmal ist bei den Nachbarn morgens das kleine Kind vom Wickeltisch gefallen. Während sie mit dem Mini ins Krankenhaus geeilt sind, habe ich das größere Kleinkind beaufsichtigt. Der Kindsonkel wurde herbeidepechiert und dazu aus dem Bett telefoniert - nur, dass er in dieser Nacht ausgerechnet nicht in seinem Bett in der Nachbarschaft genächtigt hatte, sondern auswärts. Daher sah ich mit Bebs am Rockzipfel, der Zeit beim Verstreichen zu.

Ein anderes Mal ist mein Bruder sehr früh zu einem Termin in Frankfurt/Main aufgebrochen. Mein Bruder ist Anwalt und hat eines seiner drei auf Deutschland verteilten Zimmer bei mir. Wir legen nachts immer die Kette vor, damit uns keiner klaut. Als er da im Winter vor Tagesanbruch die Wohnungstür hinter sich zumachte, meinte er es nur gut, als er das Sicherheitsschloss betätigte. Einige Stunden später versuchte ich die Tür aufzuschließen - und war Gefangene in der eigenen Wohnung! Das Schloss wurde vor ewigen Zeiten verkehrt herum eingebaut - und war blockiert, als ich versuchte, von innen aufzuschließen. Bislang hatten wir das nicht gewusst ...

Nicht zu vergessen auch das Moment mit der Bahn. Ich war extra einen Zug früher gefahren, dann verkündete der Zugführer per Durchsage: "Wir haben eine Verspätung von fünfzig Minuten infolge unerwartet hoher Streckenauslastung, wir bedanken uns für Ihr Verständnis." Erstens bin ich mit meinem Bruder einer Meinung, dass man das Verständnis der anderen nicht voraussetzen kann, also besser daran täte, erst einmal darum zu bitten. Zweitens überrascht mich die unerwartet hohe Streckenauslastung der Bahn. Gibt es keinen Fahrplan? Sind alle Privateisenbahnen gleichzeitig in den Urlaub aufgebrochen und haben an der Schnellstreckenzufahrt einen Stau ausgelöst?

Wie kam ich aus den Situationen wieder raus? Das Kleinkind durfte mit zur Arbeit (wir waren zwei Minuten verspätet), der Onkel hat es dort abgeholt. Die Gäste auf der Tagung waren entzückt; auf einen Schlag hatte das Mini viel zu tun, um für die vielen Opis und Omis Bilder zu malen. Die Haustür hat einen Briefschlitz, mit dem ließ sich klappern, durch den warf ich Zettel und später den Schlüssel. Ein Nachbar hatte zum Glück auch einen Morgentermin, er konnte von außen aufschließen, ich kam fast noch pünktlich. Bei der Bahn half leider nichts. Die Kollegin verdolmetschte die Begrüßungsrunde und ich übernahm, nachdem ich drei Minuten durchgeatmet hatte, die zweite halbe Stunde.

Seither gehe ich noch früher los.

Sonntag, 29. August 2010

krass

Nach langer TV-Abstinenz habe ich gestern Abend bei Freunden mal wieder Fernsehen geschaut, ZDF, das heute-journal.

Und ich sah sofort, dass sich was verändert hat: das Wort "krass" hat es von der Jugendsprache in die Nachrichten geschafft!

Marietta Slomka: "Die Organspende von Walter Steinmeier für seine Frau hat die Diskussion über den krassen Mangel an Spenderorganen neu entfacht."


P.S.: Hier kann ein Organspenderausweis zum Selbstausdruck heruntergeladen werden.

Samstag, 28. August 2010

Strand!

Ein ruhiges Sommerbild: Das Meer leuchtet blau, der feine Sand unter den Füßen, den wir gleich betreten werden, ist fast schon spürbar. Ich denke an das Quietschen, das entsteht, wenn ich gleitend auftrete. Der Dünenstreifen ist nur dünn, der Weg davor geteert, die Wiese gepflegt. Überhaupt ist hier alles sauber und sicher. Wir sind in ...


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Foto: C. Elias

Freitag, 27. August 2010

Link der Woche: freecycle

Es war einmal ein liebendes Paar. Das bekam zu seiner Hochzeit viele praktische Dinge geschenkt, obwohl es schon eine Menge besaß. Manche Gäste hatten sich nicht abgesprochen, so gab es etliche Geschenke auch noch doppelt!

Die beiden waren gerade nach einem längeren Deut
sch­land­auf­ent­halt in die USA zu­rück­ge­kehrt und kannten noch nicht so viele Leute, denen die geschenkten Gegenstände Freude bereiten würden. So wurde der Gedanke von freecycle geboren: Übers Internet lassen sich Sachen weitergeben. Und zwar nicht nur Neues, sondern auch viele gebrauchte Gegenstände, die zu schade sind für den Sperrmüll.

Ich finde diese Art von Recycling sehr sinnvoll. Mit etwas Geduld habe ich vieles in gute Hände abgegeben und im Gegenzug einiges erhalten, darunter einen schönen neuen (gebrauchten) Bürostuhl, meine Badezimmerpalme sowie Zeit­schrif
­ten­samm­ler aus Sperrholz, die für "optische Ruhe" im Regal sorgen, lauter Dinge, über die ich mich freue. Mir kommt freecycle immer ein wenig vor wie ein phy­si­ka­li­scher Grundsatz: Keine Energie geht verloren. Und dem Gedanken, etwas von Wildfremden geschenkt zu bekommen bzw. völlig Fremden etwas zu schenken, haftet auch etwas sanft Anarchisches an :-)

Die Sache mit dem Verschenk-Netzwerk, das auf yahoo beheimatet und auch in vielen deutschen Städten vorhanden ist, läuft zwar öffentlich, die Übergabe selbst machen Schenker und Beschenkte aber unter sich aus. So dass niemand Angst haben muss vor Dieben, Ämtern oder ähnlichem.

Was das mit Dolmetschen zu tun hat? Nicht sehr viel. Aber als Dolmetscherin und Übersetzerin bin ich oft online, daher moderiere ich seit Jahren die Newsgroup. Moderieren, das bedeutet hier Spams zu löschen und auch gelegentlich Gesuche oder Angebote sprachlich zu glätten. Manche Neuberliner, der den Service nutzen, übersetzen ihre Kurztexte mit Google Translator ... Die schönsten Stilblüten daraus hier zu einem späteren Zeitpunkt.

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Foto: Was kürzlich bei freecycle Paris über den Ticker ging ...

It's teatime!

Es gibt Sachen, die ich an Deutschland liebe. Oft ist es weniger Dingliches, derlei mag ich zwar auch, die Elisabethkirche in Marburg, ein altes Haus in Sachsen, meine Wohnung am Berliner Ufer. Ganz besonders am Herzen liegen mir aber manche Worte oder Gepflogenheiten, die so richtig schön typisch deutsch sind.

Die Zwischenmahlzeit am späten Nachmittag zum Beispiel, eine schön gedeckte Kaffeetafel mit Freunden und/oder Familie: Pflaumenkuchen mit einem winzigen Schlag Sahne, Kaffee aus Meißener Porzellan, dazu angeregte Gespräche, das ist ein Genuss!

Oder einfach die Fahrt über das platte Land, das ausländische Filmteam, für das ich dolmetsche, ist müde von Dreh und Reise, wir können uns mit der Fahrt Zeit lassen, kehren in einen uns bis dato unbekannten Bauernhof ein und werden wie Freunde begrüßt. Da bin ich dann ganz stolz, neben der Sprachmittlerei auch noch Landeskunde zu vermitteln.


P.S.: Gerne pflege ich auch die britische tea time! Und den französischen goûter mit meinem Patensohn allemal!
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Foto: gesehen in Schleswig-Holstein

Donnerstag, 26. August 2010

French sells

Bien­ve­nue! Sie sind auf der Sei­te ei­ner Dol­met­scher­in und Über­setzerin für die fran­zö­si­sche Spra­che ge­lan­det. Hier schrei­be ich über mei­nen viel­sei­ti­gen Alltag.
 
Wer wie wir täglich mit der französischen Sprache zu tun hat, kennt sämtliche Vorurteile und Klischees, die Frankreich betreffen. Ein Klischee ist sicher, dass sich alle Menschen auf der anderen Seite des Rheins durch besonders guten Geschmack auszeichnen und sämtlich wie in Modezeitschriften wohnen.

So lässt sich, das zumindest meinen vermutlich deutsche Werbemenschen, sehr gut mit Französisch Eleganz und Stil verkaufen. Neulich bot ein deutscher Kaffeeröster Wohnaccessoires an — und nannte eines davon so:



 

In einer anderen Anzeige ergänzt der gleiche Anbieter den Begriff "Grandcouvre" um die Produktinformation "traumhaft provenzalisch", als würde das französisch anmutende Wort nicht reichen.

"Sofaüberwurf, Tagesdecke" schreibt denn auch zur Erklärung von "Grandcouvre" eine Dame aus Wuppertal, die per Internetanzeige ihren Einkauf dieser Tage zum Weiterverkauf anbietet. Einer Erklärung bedarf dieser Werbe-Neologismus sogar für die Franzosen, denn ohne Bild weiß niemand sofort, was gemeint ist.

Grand couvre-lit versteht indes jeder Franzose. Die deutschen Werbeleute hatten nicht gemerkt, dass der eigentliche Begriff "couvre-lit" ist, der stets immer mit "grand" verbunden wird, da die französischen Betten ja meist auch breite Betten sind.

Doch haftet dem Begriff "grand couvre-lit" etwas Altmodisches an. Er stammt aus einer Zeit, in der die Menschen in Frankreich zwischen draps schliefen: je ein Laken unter sich und über sich, darauf dann eine Wolldecke (und tags kam die große Tagesdecke oben drüber). Das war die Zeit, bevor auch in Frankreich das Federbett mit Bezug seinen Siegeszug antrat.

Die jüngeren Leute sprechen von jeté de lit, dem "Bettüberwurf", was ja auch auf Deutsch mehr nach Design klingt als "Tagesdecke" ...

Ich kann mir vorstellen, dass die Werbeleute auf dieses Grandcouvre-Dings verfallen sind, weil es so ähnlich klingt wie die Marke Granfoulard®.

Mittwoch, 25. August 2010

Oh Schreck, ein Scheck!

Hallo, Sie les­en im ersten Web­log Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Heute kön­nen Sie hier mal wieder einen Blick auf den Schreib­tisch werfen ...
Berlin Dolmetscher
Chère Françoise,
vielen Dank für die Zusendung des Schecks, der hier heute wohlbehalten eingetroffen ist. Leider war und ist diese Art von Post etwas, das mir leichte Schwierigkeiten bereitet.


Überweisungen sind deshalb vorteilhaft, weil ich keinen Scheck einreichen muss. Dazu muss ich zunächst vor Ort sein, dann zur Bank gehen, ein dreiseitiges Formular ausfüllen — danach darf ich vierzehn Tage abwarten.

Aber nicht genug — in Deutschland ist es kostenpflichtig, einen Scheck einzureichen (bei meiner Bank jedenfalls). Hier kennen wir fast keine Schecks mehr. Nur ein kurzes Beispiel: Mein letztes Scheckheft hatte ich vor ca. 15 Jahren. Kurz: Ich müsste hier 20 Euro zahlen, nur um den Scheck meinem Konto gutschreiben zu lassen.

Daher steht seit Jahren ganz unten auf meinen Rechnungen, dass ich bitte, diese per Überweisung begleichen zu wollen (nebst der dazu nötigen Angaben wie die BIC- und IBAN-Nummern).

Als ich nun aus dem Urlaub zurückkam, war nicht nur mein Konto in tiefroten Zahlen, sondern die Post lagerte bei unseren Nachbarn, und die waren unterwegs. Hier hat einmal mehr das Gesetz der Serie gegolten: aufgrund überbuchter Flüge durfte ich meinen gebuchten Flug nicht nehmen, traf hier mit einem Tag Verspätung ein — und am Morgen desselben Tages waren die Nachbarn ihrerseits aufgebrochen.

Haben Sie eine Idee, was wir jetzt machen können?
Mit den besten Grüßen von Haus zu Haus bin ich
Ihre
Caroline

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Foto: Nicht die richtige Bank

Montag, 23. August 2010

Donaudampfschifffahrtsundsoweiter

Andere Länder, andere Sitten: Manchenorts, darunter auch in Frankreich, werden Übersetzungen nach Worten berechnet, in Deutschland nach Anschlägen. Mitunter fällt es Kunden dann schwer, dass sie mit uns anders rechnen müssen. Da bedarf es schon einiger Argumente, um Verständnis für die eigene Arbeitsweise zu schaffen. Zum Beispiel verwenden wir, wenn wir unsere Abrechnung machen, nicht den Ausgangstext, sondern wir zählen das Ergebnis durch, also den Text in der Zielsprache, denn der wird je Sprache unterschiedlich lang sein.

Und zum Problem der unvergleichlich kurzen französischen Worte erzähle ich den Kunden immer gerne, dass das Deutsche nun leider mal kein Wort mit nur einem oder zwei Buchstaben kennt (à, a, y, je, il, on ...). Dafür aber so wundervolle Begriffe wie die berühmten Donaudampfschifffahrts-Endloswörter ... 



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Wie zählt man Anschläge inklusive Leerzeichen?
Im Word-Dokument befindet sich unter "Extras" 

die Funktion "Wörter zählen".

Sonntag, 22. August 2010

Alles Theater!

Gestern sah ich zwei Kinder in der U-Bahn, die hatten gerade ein Fremdwort gelernt und lachten sich darüber schief: "Kakophonie". Sie sagten es immer wieder und prusteten dann laut los. Sie vermuteten wohl, es mit einem Wort aus der Fäkalsprache zu tun zu haben, dabei geht es hier ja einfach nur um Missklänge, das Aufeinandertreffen von Tönen, oft Sprache, oder verschiedener Quellen, die ausdrücklich nicht miteinander harmonieren.

Was für ein Schauspiel! Wie sie sich an einem Wort freuten und dass sie auch noch eine Ebene bemühten, die es hier gar nicht gab!

Dreh im Filmstudio

Kaum war die Urlaubszeit zu Ende, fiel gestern gleich der "Link der Woche" aus ... 
Für die Sommerwochen hatte ich alles im Voraus geschrieben und programmiert, aber mindestens dieser Samstagseintrag sollte aktuell sein. Ab nun ist das ganze Blog wieder aktuell. Oder fast - hier meine Sonntagsfotos, für die ich mich im Archiv umschaute. 
Als Dolmetscherin habe ich mich auf die Themengebiete Kultur, Wirtschaft und Soziales spezialisiert, einer der Schwerpunkte im Berufsalltag ist Film von Exposé und Treatment über Dreharbeiten und Untertiteln bis hin zu Filmpremieren.
Regelmäßig dolmetsche ich am Set. Hier einige Fotos aus der "Berliner Straße" im Filmstudio Babelsberg aus dem Jahr 2008.
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Fotos: Dreharbeiten zu Babelsberg d'Est en Ouest (Babelsberg von Ost nach West), Frankreich 2009, 56 min, Buch/Regie/Produktion: B. Louargant, Koproduktion/wiss. Beratung/Dolmetschen: C. Elias

Donnerstag, 19. August 2010

Kleines Nixelchen

121.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, 1.164 Aussteller und 228.000 Besucher aus aller Welt, ein Ordervolumen von mehr als drei Milliarden Euro - das sind die Kennzahlen der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA), dem international wichtigsten Business–Event in Berlin ‐ Charlottenburg.
Die Ziffern stammen aus dem Jahr 2009, der Fehler mit Binde- und Gedankenstrich ist höchst aktuell.

Manches kleine Nixelchen (von nichts und gar nix) fällt nicht weiter auf, außer jenen, die sich mit Typografie auskennen ... und diese Tradition auch bewahren möchten - wir als Wortarbeiter zum Beispiel. Neulich lief gründlich was schief, als ein Kunde unsere übersetzten und nebenbei lektorierten Texte in die falsche Ausgangsform "zurückänderte" bis zum letzten Strichelchen. Es war übrigens nicht die IFA, die ich hier nur als Beispiel anführe.

Also: Es gibt einen Unterschied zwischen dem Bindestrich (‐) und dem Gedankenstrich (–). Vor und nach dem Gedankenstrich steht meistens jeweils ein Leerzeichen, außerdem ist er länger als der Bindestrich.

Offiziell heißen die Nixlelchen noch lustiger.
Bindestrich: Divis (was unlogisch klingt, weil es vom lateinischen Wort dividere stammt, und das bedeutet "teilen" ). Er heißt auch Bis-Strich, Viertelgevierts- oder Koppelungsstrich.
Gedankenstrich: Halbgeviertstrich oder Streckenstrich

Wichtig sind die Dinger auch fürs Layout: Der Bindestrich verbindet Wörter auch dann noch, wenn die Zeile endet. Er dient als Ergänzungsstrich und hält zusammengesetzte Worte (Komposita) zusammen. Manche nehmen ihn zur normierten Datumsschreibung.
i-Dötzken (Erstklässler)
Hand- und Fußball
das 3- bis 4-fache
C-Dur
Berlin-Charlottenburg
Trans-Kalahari-Fernstraße
2010-04-11 (in der amerikanischen Schreibweise)

Der Gedankenstrich hat im Gegensatz zum Bindestrich eine trennende Funktion. Er ermöglicht Gegenüberstellungen …
tiret - Gedankenstrich
Er hebt Daten ab (von ... bis): 2003–2005

… oder verdeutlich Pausen und Einschübe im Satzgefüge: Nur noch umrühren – fertig!
Ein Gedankenstrich betont – wie hier deutlich zu sehen ist – eine gesprochene Pause deutlich mehr als ein kleines Komma.

– Manche Leute nennen ihn auch Spiegelstrich.
– Wenn er am Satzanfang steht, wird durch ihn Sprecherwechsel angezeigt (in Frankreich oder im Untertitel) oder der Neuanfang einer Zeilen in einer Liste

Das kleine Nixelchen hat also Bedeutung. Und es verhält sich mit ihm ungefähr so, wie mit den drei Punkten, die ja auch gerne verwechselt werden. Kleiner Reminder: Bei der Auslassung von Worten … werden Gedankenteile und Worte übersprungen, die drei Punkte, die in der Typografie ein eigenes Zeichen sind, stehen umgeben von Leerzeichen. Anders verhält es sich mit abgebrochenen Worten, da geht das Wort direkt in die Punkte über. Schon ziemlich besch…, dass solche Feinheiten heute nur selten schon in der Schule vermittelt werden ... (wenn man bescheiden halt nicht ausschreiben mag.)


Weiterführende Lektüre und Übungen hier.

Mittwoch, 18. August 2010

Einmal Vietnam und zurück

It's summer time! In diesen Wochen berichte ich aus dem Alltag als Dolmetscherin zwischen Berlin, Paris, Marseille und Kiel. Und da urlaubsbedingt kaum jemand mitliest, kann ich hier schon mal Dinge gestehen, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen ...


Neulich, in Paris, eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn als Dolmetscherin. Ich sitze gerade schön verträumt und restaufwachend in der Métro und lasse nicht nur die nackten, dunklen Steinmauern der Pariser Untergrundbahn an mir vorüberziehen, sondern auch den Vorabend. Ich bin für zwei Arbeitstage hergekommen, der Auftraggeber stammt aus der ewig klammen Leider-leider-Fraktion, also wohne ich nicht im Hotel, sondern privat, bei Catherine und Inès. Wir sehen uns nur etwa alle fünf Monate, müssen also jedes Mal viel nachholen. Catherine, die etwas älter ist als ich, versorgt mich in der Früh wie eine zweite Mutter mit Müsli, Orangensaft, Pausenbrot und Apfel. Als guter Gast und Freundin nehme ich diese wohlwollende Aufmerksamkeit gerne an. Am Ende gehe ich nicht wie sonst mit großem Zeitpuffer aus dem Haus, sondern mit kleinem, werde demnach eher zwanzig Minuten vorher am Ort des Geschehens eintreffen als die sonst üblichen 30, 40 Minuten.

Plötzlich stoppt der Zug mitten im Tunnel. Wir sind Gefangene - und ich bin exakt zweikommafünf Stationen von meinem Ziel entfernt! Es ist stickig im Wagon, rush hour. Ich überlege kurz, ob ich jetzt klaustrophobisch reagieren soll oder nicht, da fährt nach gefühlten zwei Minuten der Zug wieder an, aber nur, damit in der nächsten Station das Ende der Reise verkündet werden kann: drei Stationen vor uns sei ein herrenloses Päckchen gefunden worden.

Zum Glück kenn' ich die Ecke. Ich rase aus dem Zug, flitze zur Bushaltestelle, sehe noch die Schlusslichter eines Busses der Linie, mit der ich einst regelmäßig zur Uni gefahren bin. Der Fahrplan vermeldet, dass der nächste Bus in fünf Minuten eintreffen solle. Das klingt gut. Indes: nach fünf Minuten biegt nichts um die Ecke, auch nach sechs und sieben nicht. Meine Kundin ruft an, ihre Anweisung ist knapp: "Nimm dir ein Taxi!" Ich winke mir das nächste heran, das nach weiteren drei Minuten hält.
Zwölf Minuten für die kurze Strecke, das sollte klargehen. Als ich mich in die Fahrgastzelle setze - die heißt unter Fahrzeugbauern wirklich so - bin ich eingehüllt in eine Wolke asiatischer Düfte. Ich schaue nach vorne - da steht rechts auf dem Armaturenbrett ein kleiner geschnitzter, vergoldeter Schrein mit einer winzigen Statue drin, ein grinsender Buddha. Am Rückspiegel baumelt eine Blumengirlande, da schaue ich genauer Richtung Fahrer. Mich fährt ein Migrant aus Asien, der sich später als Vietnamese vorstellt. Der Name der Straße, in die ich will, sagt ihm nichts, aber er fährt drauflos, als ich ihm sage, dass ich weiß, wo sie ist. Wir biegen links ab, dann sage ich: "Jetzt rechts!", er überhört es. Die nächste darf er nicht rechts abbiegen, dann muss er wieder links, wir sind rive gauche an einer Ecke mit besonders vielen Einbahnstraßen.

Fünf Minuten später fahren wir an der Bushaltestelle von eben vorbei, am Ausgangspunkt, dort, wo er mich aufgegabelt hat. Er fährt hundert Meter weiter, stoppt, blickt kurz auf die Uhr, hält sein Feuerzeug an ein Räucherstäbchen, nestelt es in einen Specksteinhalter vor dem Lächelbuddha, schaltet den Navi ein, sucht die Straße, hat offenbar Mühen mit der Rechtschreibung. Dann hupt es laut neben uns - ein Linienbus! Mein Bus! Der Taxifahrer war rechts rangefahren, indes an einer Stelle absoluten Halteverbots, weil jedes parkende Auto die Busspur, deren Streifen hier in Kreuzungsnähe durch kleine Mäuerchen vom Rest der Fahrbahn abgetrennt ist, den Bus behindert. Das Taxi ist eingekeilt. Der Fahrer manövriert uns aus der Enge und gibt die Busspur frei. Dann fährt er wieder rechts ran und sucht weiter. Ich buchstabiere. Wir haben noch drei Minuten.

Im Tiefflug folgt er dem Navi, überfährt, so schnell ist er, fast die Stelle, an der er rechts abbiegen muss, obwohl jetzt von vorne der Navi und mit ihm ich von hinten im Chor krähen: "Rechts abbiegen!" Monsieur biegt in letzter Sekunde ab, der Gegenverkehr hupt, denn er ist auf dessen Fahrbahn, Reifen quietschen, es greift sich wer an den Kopf. JETZT müsste ich eigentlich angekommen sein, ich hänge eingeklemmt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz, habe Straßen, Buddha und Navi fest im Blick, nein, auf den letzten Metern keine Einfahrstraßenregelungen mehr, das scheint klar. Dreißig Sekunden später sind wir am Ziel - Monsieur grinst feist wie seine Schnitzfigur, sagt: "Acht Eulo! Wal einfach zu finden!"

Ich habe keine Lust auf Diskussionen. Dankbar verlasse ich die Fahrgastzelle und eile ins Haus, in dem wir drehen. Das Team hat dort schon ohne mich aufgebaut, sich mit ordentlichem Schulfranzösisch beholfen. "Sorry", sag ich, "bin einen kleinen Umweg gefahren, einmal Vietnam und retour ..."

Ich hatte vielfaches Glück, entspannte, fähige Kunden, habe keinen Blechschaden provoziert, auch wenn ich mich nach dem Gesetz der langsamsten Kassenwarteschlange für das falsche Verkehrsmittel entschieden hatte. Nächstes Mal werde ich bei den Freundinnen so früh losgehen wie in Berlin oder ab Hotel üblich, auch wenn der Apfel für die Pause noch ungewaschen ist.

Und jetzt zünde ich erstmal ein Räucherstäbchen an.

Dienstag, 17. August 2010

Von der Wirkmächtigkeit mancher akademischer Diskurse

In der Kabine stöhnen wir mitunter sehr. Hier geht es weiter mit der aktiven Sommerpause und Rückblicken auf im Alltag Berliner Dolmetscher Erlebtes und Erlittenes.
"Die Möglichkeit, auf gewisse, von der Wissenschaft bislang noch vernachlässigte Erkenntnismerkmale zu rekurieren, die das Verständnis von Qualitätssicherung von sozialer Arbeit im schulischen Kontext aus der Sicht der verwalteten Subjekte rezipierbar machen könnten, ist in seiner Wirkmächtigkeit bislang weit unterschätzt, was vor allem auf die Skepsis gegenüber einem „wahren“ Diskurs über die urbane Alltagssituation und eine daraus zwingend folgende Verlagerung des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses auf mehrere, z.T. auch konfligierende objektbezogene Diskurse, die die Stadt jedoch in immer komplexitätsreduzierender Form darstellen und damit die Widersprüchlichkeit der einzelnen Stadt-/Umwelt-/Sozialisierungsdiskurse in ihrer akademischen Prägnanz mindern könnten, zurückgeführt werden kann."
Dieser (minimal veränderte) Satz befindet sich mit seinen gut 800 Anschlägen auf einem Din-A-4-Blatt. Es handelt sich um eine Seite Redemanuskript zu 60 Anschlägen inklusive Leerzeichen, davon befinden sich 30 Zeilen auf einem Blatt, dafür wäre die normale Sprechzeit zwei Minuten. Das Papier weist gut 1600 Anschläge auf - und zwei Punkte. Nochmal, es lässt sich sonst zu leicht überlesen: Zwei Mal wird hier auf einer Seite ein Satz beendet. Das Papier ist Teil eines 18-seitigen Konvoluts. Der Redner hat genau zwanzig Minuten Zeit für seinen Kongressbeitrag. Das Redemanuskript war uns in der Kaffeepause aufs Pult der Dolmetschkabine gelegt worden.

Und jetzt kommen die Preisfragen:
1° Wie lang wird der Redner in etwa sprechen? (Sie haben den Abschnitt eben gelesen und müssten auf die Frage spontan und ohne erneutes Lesen antworten können.)
2° Was hat uns der Redner damit sagen wollen? (Hier dürfen sie gerne den zitierten Satz so oft lesen, wie sie wünschen. Vielleicht finden Sie ja was.)

Der Preis ist ein Dreigangmenü bei uns zu Hause, irgendwann im Herbst. Falls die Aufgaben nicht gelöst werden können, entscheidet das Los.

Montag, 16. August 2010

Arbeitsmarktpolitik

Dolmetschen ist ganz einfach und überhaupt nicht anstrengend, außerdem kann das jeder einigermaßen sprachbegabte Student. - Das scheinen manche Menschen ernsthaft zu denken, obwohl sie mit uns indirekt zu tun haben.


Was unseren Beruf manchmal mühsam macht, sind die Anfragen, die uns aus einigen Vorzimmern erreichen. Ich will hier niemanden herabwürdigen, aber ich beobachte, dass es in den Vorzimmern ebenfalls viele gestresste Menschen gibt, für die aber - anders als für ihre Chefs - selten bis nie gedolmetscht wurde. Sie erleben uns also nicht bei Verhandlungen oder Delegationsreisen hautnah, was bei jenen, die uns über Stunden hochkonzentriert bei der Arbeit zusehen, oft Auslöser ist für Nachfragen was das werte Befinden angeht, für solidarische Bekundungen oder einfach nur für das Glas Wasser im richtigen Augenblick.

Neulich klingelt das Handy, wir sind gerade im fettesten Urlaubseinkaufstrubel. Eine Dame, die sich als Projektbeauftragte vorstellt, erkundigt sich nach meiner Verfügbarkeit Anfang Oktober sowie nach dem Preis für 3,5 Tage Begleitdolmetschen für eine staatliche Institution, die in Frankreich in Sachen Arbeitsmarktpolitik forscht, ausbildet und die Spitzen der Regierung berät.

Ich lasse mir das Programm zusenden. Zwischen Wäscheabhängen und Besuch beim Schuster schreibe ich einen Kostenvoranschlag. Laut Programmentwurf drohen es lange Tage zu werden, von morgens um neun bis ein Uhr mittags, dann wieder ab zwei Uhr bis vier oder fünf Uhr nachmittags. Außerdem noch zwei Abende mit Tischgesprächen, Toasts und Tanz, kurz: viele Inhalte für die kleine Gruppe sehr wichtiger Menschen, die von Ministerium zu Ministerium und dort von Abteilung zu Abteilung gereicht werden sollen, alles im Regierungsviertel, die Wegezeiten (gleichbedeutend mit Pausen für den Dolmetscherkopf) sind nicht sehr lang.

Ich kalkuliere zwei Kolleginnen und Sätze im oberen Preissegment sowie eine mobile Dolmetschanlage für einen simultanen Einsatz.

Die Dame aus dem Bürovorzimmer ruft nicht zurück. Am übernächsten Tag hake ich nach. Da erfahre ich, dass man die Einsätze bitte konsekutiv wünsche, "denn dann können Sie ja allein kommen!" Und nach einer Pause, die ich ihr ließ, weil ich mich tüchtig erschrocken habe, kommt ein: "Eigentlich hätten wir das hausintern gelöst, wir haben da einen begabten, deutschen Forschungsstudenten im Institut, der schreibt in der Berlin-Woche allerdings eine Prüfung."

Ich gebe vorsichtig zu bedenken, dass Dolmetschen ein Beruf ist, der zunächst gelernt werden müsse und dass die geforderte tägliche Arbeitszeit doch recht viele Stunden betrage. Und fahre, weil es nun die Dame ist, die schweigt, mit der Information fort, dass auf Dauer das konsekutive Dolmetschen ebenso anstrenge wie Simultandolmetschen. Und schließe meine Worte mit der Information, dass, wer es in unserem Beruf überspanne, seine Gesundheit riskiere.

Worauf die Dame mich streng belehrt: Man sei neulich in China gewesen, da hätte ein Dolmetscher alleine augenscheinlich problemlos sieben Tage die Woche durchgehalten - über 14 Tage hindurch.

Die Steilvorlage ist zu schön. Ich beiße mir auf die Zunge. Jaaa, die Volksrepublik China ist für Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz berühmt!, will ich sagen und schwurbele feige etwas in genau diesem Sinne, nur fünfmal zahmer. Dann sage ich, dass ich nach meinem letzten derartigen Einsatz zehn Tage lang heftige Wortfindungsstörungen gehabt hätte - es war das Dardenne-Seminar an der dffb vom letzten Herbst, das ich hier bei Gelegenheit nachtragen werde. Und dass wir ja beide nicht wüssten, ob der Kollege in China übers Jahr viele Aufträge habe, so dass er möglicherweise riskiere, die Wochen danach nicht arbeitsfähig zu sein und deshalb alleine arbeite, dafür aber mit einem größeren Gewinn ...

Ich schlage ihr vor, für die Berlinfahrt zwei Dolmetscherinnen zu engagieren, eine für die ganzen, die zweite nur für die langen halben Tage, mit halber Tagesgage also, und unterbreite ihr zugleich ein Angebot, in dem ich als Stammdolmetscherin auf einen erklecklichen Honorarprozentsatz verzichte. Im Kostenvoranschlag schreibe ich freundlich etwas über unser Engagement für optimale Arbeitsergebnisse und gedeihlichen Ablauf der langen Tage oder so, um nur ja nicht in die Was-ihr-wollt-ist-unzumutbar-Falle zu tappen.

Telefonisch ergänze ich mein Verständnis für ihre wirtschaftliche Situation, Oktober sei praktisch Jahresende und die Verwaltungen hätten überall immer weniger Geld zur Verfügung. Die Dame aus dem Vorzimmer ist plötzlich sehr freundlich, verbindlich sogar. Ich lege nach, sage, dass mir Forschung und Lehre in Sachen Arbeitsmarktpolitik sehr am Herzen lägen. Dann schalte ich wieder auf Urlaub.

Von Madame habe ich nie wieder etwas gehört.

Jetzt arbeiten wohl Chinesen als Dolmetscher in Berlin. Und ich würde gerne bei Fortbildungen mitwirken in Sachen Projektplanungsmanagement sowie Mitarbeitergewinnung und -bindung.

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Wie immer sind die Fakten hier aufgrund meiner Loyalität
auch Nichtkunden gegenüber leicht verfremdet.

Sonntag, 15. August 2010

Hände

Manche idiomatischen Redewendungen gefallen mir besonders gut - zum Beispiel le retour d'ascenseur, was wörtlich übersetzt "jemandem den Fahrstuhl zurückschicken" bedeutet. Auf Deutsch würden wir "eine Hand wäscht die andere" sagen.

Der deutsche Ausdruck klingt so einfach und ursprünglich, als wäre er sehr alt. Auf jeden Fall ist er älter als die Redewendung mit dem Fahrstuhl, die lässt sich ja fast unter Rückgriff auf die Technikgeschichte datieren. Nur wie hieß diese Sache in Frankreich vor der Verbreitung der Fahrstühle?

Das Motiv oben habe ich an einer Hauswand in Marseille entdeckt, ich glaube, es warb für eine Zeitarbeitsfirma. Ich finde, es sieht nur auf den ersten Blick aus wie Händewaschen aus, auf den zweiten wie das Logo der SED, wo sich erzwungenermaßen SPD und KPD die Hände reichten.

Das hat jetzt alles nichts mehr mit dem Fahrstuhl zu tun. Tut mir leid, ich bin über die Motivähnlichkeit abgeschweift. A propos Aufzüge: Paternoster! Derlei kannte ich aus Frankreich nicht, so dass ich beim ersten Mal in Berlin ...

Stopp! Halt! Das ist ein anderer Eintrag!

Am Meer

Sonntags am Meer ... die etwas anderen Fotos!

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Fotos: C. Elias

Freitag, 13. August 2010

Lesevorrat

Letztens durfte ich einer französischen Freundin den Unterschied zwischen Buchvorrat und Sortiment erklären. Wenn eine Buchhandlung ein gutes Sortiment hat, gibt's exzellente Auswahl und sie ist gut sortiert (selbst dann, wenn der Laden oberflächlich betrachtet zwischendurch auch mal etwas unordentlich anmuten mag).

Vorrat bezieht sich auf Speisen und Getränke, "wohnt" in der Speisekammer oder im Vorratsschrank; man kann aber auch Heizöl und derlei bevorraten.

Und der Buch- oder Lesevorrat ist der Bücherstapel, der mit in die Ferien darf. Regnet es viel, ist der Lesevorrat schnell erschöpft. Wer Glück hat, trifft dann einen anderen Leser ... oder auf einen Buchladen, der hoffentlich gut sortiert ist.

Was ich in meinem Buchladen um die Ecke nicht entdecke, wird mir von Freunden zugetragen oder ich lese oder höre medial davon. Danach bestelle ich, was mich interessiert, per Mail bei eben dieser Lieblingsbuchhandlung. Sie trägt den hübschen Namen Leseglück und ist ein sehr schöner Buchladen, ein Zwei-Frau-Betrieb; Susan und Eleni veranstalten oft Lesungen, manchmal sogar im Waschsalon nebenan.

Und genauso halte ich es mit französischsprachigen Büchern.

Was derzeit in Deutschland nicht lieferbar ist, finde ich im Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher, einem Zusammenschluss vieler Antiquare.

Small is beautiful, das gilt nicht für für leichtes Reisegepäck. Und wer in Berlin einige französische Bücher loswerden möchte, kann sie in die fliegende Bibliothek des franko-amerikanischen Cafés Heroes im 'neuen Szenekiez' Nord-Neukölln einstellen - und auch mit Vorhandenem tauschen. Aber leider erst wieder ab Anfang September.

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Foto: Heroes

Donnerstag, 12. August 2010

Glück

Was ist Glück? Ein großes Thema, zu groß für einen Freitag im August.

Was ist das Gegenteil von Glück? Für manche meiner Dolmetscherkunden mag es gemein erscheinen, dass ich mich, wenn ich zum Beispiel Delegationsreisen begleite, spätestens um 23.00 Uhr zurückziehe, um vor Mitternacht zu schlafen. Sie persönlich empfänden die Verkürzung des 'gemütlichen Teils' als Verlust, und meine Ich-muss-leider-draußen-bleiben-Haltung in Sachen verrauchter, lauter Örtlichkeiten stelle ich hier ja auch gerne als eine Art Kasteiung vor. Ich zöge mich zurück, sagte mal einer, wie er es sonst nur von einer Opernsängerin kenne.

Frank aber, mit dem ich neulich aus Nizza nach Berlin geflogen bin, Regieassistent seines Zeichens, drehte die Sache sehr klug um: "Auf was für einem Dope bist du denn, dass du diese anderen Drogen alle nicht brauchst?" Ich bin vermutlich auf Endorphinen, körpereigenen Hormonen, die auch als "natürliches Opium" bezeichnet werden, wenn ich in der Arbeit so ganz aufgehe. Wenn ich im Flow bin, selbstvergessen, mich gibt's jetzt nur als Stimme und Sprache, meinen Körper empfinde ich als gut trainiertes Instrument, während ich mich in andere Sprecher hineinversetze, sie in der anderen Sprache verkörpere. Dieses Glück habe ich als Teenager nur auf der Bühne des Schultheaters erlebt.

Jetzt sind Ferien! Wir sind unterwegs und erholen uns. Wir sind also nicht
... sondern wir wissen, warum wir genussvoll die Seele baumeln lassen.

Glück ist DAS Erfolgsrezept im Leben. Ich muss an Chabrol denken, sein Rezept scheint das Glücklichsein zu sein. Wohl dem, der glücklich sein kann - und zugleich bewusst als Mensch des 21. Jahrhunderts lebt, die Augen nicht verschließt vor Not und Ungemach von gestern und heute ... und der aus seiner im Glück geborenen eigenen Stärke das eigene Schärflein dazu beitragen kann, auf dass es um ihn herum etwas freundlicher zugehen möge. Bei mir schließt das Spenden für karitative Zwecke und kostenlose Übersetzer- und Dolmetscheinsätze für NGOs mit ein.

Und da das schönste am Urlaub die Vorfreude sei, wie der deutsche Depeschendienst zu Jahresanfang Forschungsergebnisse der niederländischen Universität Tilburg zusammenfasste, kann ich sagen, dass ich mich auch immer auf den nächsten Urlaub freue, besonders dann, wenn ich arbeite. Und während des Urlaubs freue ich mich auf die Arbeit. Ich Glückliche!

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Foto: Auf dem Designmarkt am Berliner
Maybachufer.

Mittwoch, 11. August 2010

Too short

Es gibt Menschen, die haben sich nie Gedanken darüber gemacht, warum das Übersetzen und Dolmetschen von Inhalten kompliziert sein soll. Als ließen sich Texte übertragen, indem man einfach nur die Worte aus der einen Sprache gegen Worte aus der anderen austauscht.

Geradezu Sprichwortcharakter haben unter uns Wortfachleuten daher schöne Fehlleistungen von Menschen, die sich selbst zu Dolmetschern erklärt haben oder von solchen, die meinen, auf Profis verzichten zu müssen.

Eine feierliche Ansprache. Der Redner, ein Deutscher, will es nicht zu lang machen, sagt den ersten Satz - und erntet Kichern und Gelächter. Was war geschehen? Er hatte den Satz gesagt: "Ladies and gentlemen, let me be short and pregnant."

Anstelle von kurz und prägnant, hatte er mit wörtlicher Übersetzung bzw. ähnlich klingendem Ausdruck gesagt: "Meine Damen und Herren, lassen sie mich kleingewachsen und schwanger sein". Fotolegende: Zwei Rednerpulte, eines für den Redner, ein zweites für den Dolmetscher.
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Foto: C. Elias

Dienstag, 10. August 2010

Panorama im Krebsgang

Filme sind teuer in Entwicklung und Herstellung, daher werden zu ihrer Herstellung Subventionen beantragt, auch 'Filmfördergeld' genannt. Schade, wenn im Fall von Koproduktionen für die Anträge dieser Gelder am Übersetzer gespart wird und jemand rangelassen wird, der/die nicht viel Ahnung von der Materie hat.

Kleine Fundstücke aus einem Projektförderantrag, den ich letztens korrekturlesen |durfte| musste. (Ich freu mich ja über Arbeit, aber das da war mal wieder Höchststrafe).

Hier soll die Kamera viel geschwenkt werden, und der Übersetzer wählte einmal das "seitlich schreitende Panorama", ein andermal das "seitwärts voranschreitende Panorama", was alles irgendwie ein murksiger weißer Schimmel ist (mit Holpereinlage, ich sehe den Kameramann/die Kamerafrau voller Würde schräg schreiten.)

Ganz offenbar wusste der Übersetzer nicht, was ein Panoramaschwenk ist. Befördert wird meine Annahme durch Variante drei. Kameraleute sagen zum Panorama gelegentlich auch Pan oder Pan-Bewegung. Der Übersetzer machte immerfort eine Pann-Bewegung aus der französischen Entsprechung "pano".

Echt Panne!

Montag, 9. August 2010

Stillsitzen! Flach atmen!

Wer sitzt schon freiwillig den ganzen Tag in einer Zelle, die 1,70 auf 1,70 m groß ist? Wir Dolmetscher!


Wer Pech hat, erwischt den Platz unter dem Pustefix, dem Ausgang des Klimaanlage getauften Gebläses. Im schlimmsten Falle riskieren wir hier einen steifen Hals. (Es gibt Kabinen, vor allem ältere, wo det Dingen ganz hinten angebracht ist. Das war besser.)

Angenehmer als im Windkanal zu sitzen ist sicher, ab und zu die Tür zu öffnen. Aber das geht nicht bei allen Einsätzen. Manchmal beschweren sich dann Zuhörer, zumal bei kleineren Sitzungsrunden, weil sie unser Gemurmel als leises Hintergrundgeräusch haben. Bei geschlossener Tür gibt's an den ganz heißen Tagen mitunter Sauerstoffprobleme, was der Konzentration nicht gerade förderlich ist.

Da gilt nur, Augen nach vorn und ruhig weiteratmen. Nur keine klaustrophobischen Anwandlungen entwickeln jetzt ...

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Foto: Pause! Tür auf!

Sonntag, 8. August 2010

Mann im Ohr

Manche Menschen haben einen Mann im Ohr - oder eine Frau ... Ist das eine Sonderform des Tinnitus? Oder hab' ich zu viel Erich Kästner vorgelesen, "Der kleine Mann und die Miss"? Ganz und gar nicht.
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Neulich, bei der Verabschiedung eines Unternehmers in den Ruhestand: Der Manager des einstigen Familienbetriebs lässt einige Episoden bewegter Jahrzehnte Revue passieren. Er sei viel rumgekommen, auch in Belgien, der Schweiz und Frankreich, erzählt er mit Blick auf Geschäftspartner, die zu dem Anlass eigens nach Deutschland gekommen waren. Und dafür hätte er "immer einen Dolmetscher im Ohr" gehabt.
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Da musste dann nicht nur ich grinsen.

Samstag, 7. August 2010

Erlkönig

Will­kom­men auf den Blog­sei­ten einer Sprach­mitt­ler­in. Wie wir Kon­fe­renz­dol­met­scher, Be­gleit­dol­met­scher, Flüster­dol­met­scher, Ver­hand­lungs­dol­met­scher ... und auch Über­setzer ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier, stets unter Wah­rung dienst­li­cher Ge­heim­nis­se.

Erlkönig, le roi des Aulnes, heißt eine berühmte Ballade von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahre 1782. Nach diesem Gedicht (oder nach dem gleichnamigen Roman von Michel Tournier) wurde einst ein Buchladen im 6. Arrondissement der französischen Hauptstadt benannt, in dem ich Herbst 1987 den Dramatiker Heiner Müller kennengelernt habe.

Aber hier soll's jetzt nicht um berühmte Dichter und Texte gehen, das Thema meines Sonntagsbildes sind Autos. Autos, die noch keiner kennt und die, bevor sie auf den Markt kommen, in Paris in einer Halle stehen inmitten von Wagen der gleichen Ka­te­go­rie. Ein deutscher Auto­her­stel­ler hat die Fahr­zeu­ge und uns Dolmetscherinnen ein­fli­egen lassen, um sie mög­li­chen Kunden zu zeigen. Ein Erlkönig, das ist in diesem Zusammenhang der Prototyp eines Wagens, der sich in der Entwicklung befindet.

Autos sind nicht gerade meine Spezialität. Aber wir Dolmetscher fummeln uns in so manches Themengebiet hinein. Problematisch war bei dieser Arbeit aus dem Be­reich der Marktforschung, dass wir die Autofahrer bei ihrer Besichtigung der ver­schie­denen Typen hören, aber nicht sehen konnten. So entstand über drei Tage Marktforschung das Bild meines eigenen Erlkönigs, der Vermischung aller vor­ge­stell­ten Typen mit ihren gesammelten Ausstattungsmerkmalen.

Viel Spaß beim Autogucken (Bild anklicken und damit in einem neuen Fenster öffnen, so wird es größer!) Ich habe mich da­mit im Berufsalltag zwar weit vom ersten studierten Fach entfernt, der Literatur­wis­sen­schaft, aber irgendwie hat das Ganze doch was von konkreter Poesie. Womit der Kreis geschlossen wäre.

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Foto: C.E. (In einem extra Fenster aufge-
rufen, lässt sich das Bild vergrößern)

Freitag, 6. August 2010

Gestenforschung

Hallo und Willkommen beim ersten Weblog Deutschlands, der in der Dolmetscherkabine entsteht. Hier denke ich öffentlich über die Grundlagen unserer Arbeit nach ... und über das, was mir in Sachen Sprache, Kultur und Kommunikation sonst noch so auffällt. 

Im Tagesspiegel stand vorgestern ein spannender Artikel mit dem Titel "Wenn Körper sprechen".
Es ist der Bericht über eine Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Gestikforschung (ISGS), in der sich Neurowissenschaftler, Anthropologen und Linguisten zusammenfinden. Dem Artikel von Anna-Lena Scholz zufolge wurde bei der Konferenz unter anderem darüber diskutiert, inwiefern Gesten zum integralen Bestandteil von Aussagen zählen. Prof. Cornelia Müller von der Viadrina (Frankfurt/Oder) wird mit dem Zitat vorgestellt, dass es "nach dieser Konferenz (...) schwierig für die Linguisten [sein wird] zu behaupten, dass Sprache nur aus Wörtern besteht. Vielmehr sind komplexe Körpergesten am Prozess der Bedeutungsproduktion mit beteiligt.“

Wir Dolmetscher wissen das schon lange. Deshalb brauchen wir ja aus den Dolmetscherkabinen heraus unverstellte Sicht auf "unsere Sprecher". Auch, dass zu den unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Gesten gehören, die im besten Falle beim Erlernen der Vokabeln im Land, in dem die jeweilige Sprache gesprochen wird, mit gelernt werden. Als Dolmetscher sehen wir uns ja in den Pausen auch beim Sprechen zu, und es überrascht selbst Profis wie uns manchmal noch: Beim Wechsel der Sprache wechseln zumeist auch die Gesten, so sehr gehören diese zum jeweiligen Idiom dazu.

Die nächste Konferenz der ISGS findet 2011 in Lund statt. Mal sehen, vielleicht hab ich dann ja Zeit und mache Sommer 2011 einen Kurzurlaub in Schweden.

Donnerstag, 5. August 2010

Damenwerdung

Bon­jour, bien­ve­nue, wel­come! Hier bloggt eine Über­set­zer­in und Dol­met­scher­in. Die Spra­che ist oft nur die hal­be Mie­te. Das Auf­tre­ten spielt eine gro­ße Rol­le.
 
In Sachen Zutaten und Gesten der Da­men­wer­dung bin ich nicht sehr erfahren. Mei­ne Mutter hat mir vieles bei­ge­bracht, das nicht, und eine gro­ße Schwes­ter habe ich nicht.

Privat kleide ich mich eher sportlich als be­tont feminin, aber wer eine Dol­­met­­scher­­in ein­be­stellt, gerade in der Politik, erwartet oft genug une petite dame, um's auf Fran­zö­sisch zu sagen.
(Die leicht ironi­sche Dis­tan­zie­rung, die ich hier über die Wahl der anderen Sprache vor­nehme, erleichtert es mir, das Fol­gen­de öf­fent­lich zu do­ku­men­tie­ren).

Vor wichtigen Einsätzen außerhalb der Ka­bi­ne pauke ich wie üblich, dann schnapp' ich meine Zettel und eile zum Frisör. Zuvor werden gelegentlich die Fingernägel kor­ri­giert, denn beim Kochen hab' ich manch­mal zwei linke Hände.

Auf dem Rück­weg hole ich einen Anzug von der che­mi­schen Rei­ni­gung ab, neh­me zuhause die Per­len­ket­te und das Sei­den­tuch aus der Kommode meiner Ur­groß­mut­ter ... et voilà !


Fehlen noch Täschchen, Hütchen, Schühchen ... Dann ist die art­ge­rech­te Ver­klei­dung fertig. Sehen Sie, so setze ich mich mit Haut und Haar für meine Kunden ein! Jeder Beruf hat seinen Habitus, der Dol­met­scher­be­ruf seinen ganz eigenen ... und ich bin sicher: durch das In-die-Rolle-Schlüp­fen fällt mir die Arbeit leichter.

Hat jetzt jemand PKT gesagt? Oder hab ich Per­len­ket­ten­tus­si nur gedacht?
I wo, ganz und gar nicht!

Mittwoch, 4. August 2010

Dünnhäutig!

Wortarbeiter wie ich sind, was Sprache geht, mitunter dünnhäutig. Wenn eine Mutter eindeutig deutscher Herkunft in der Gasse zwischen Süßkram und Laufband bzw. Kasse lautstark ihren Nachwuchs schilt: "Diana, Pfoten weg von das Süße, sonst haste gleich eins gewischt!" ... und wenig später (artikelfrei) ins Handy keift: "Isch kann nicht kommen, isch muss Polizei!", dann zucke nicht nur ich zusammen. Wir Menschen, die mit Sprache arbeiten, aber möglicherweise ein wenig mehr als die anderen Anwesenden, zumal Dolmetscher mit halbem Ohr irgendwie immer mithören (müssen).

Sensibilität in Sachen Sprache wird oft vererbt. Ich erinnere mich an den Ausruf einer Frau, die sich aus dem Fenster lehnte und meinen Vater, er war damals noch ein Kind, zusammenzucken ließ. Er kann das noch heute entrüstet wiedergeben, wie diese einst ihr Kind rief: "Aurora, du Dreckmensch, komm aus der Goss'n!" (Das Ganze ist auch noch in breitestem Sächsisch zu sprechen.)

Dienstag, 3. August 2010

Sommerfrische ...

... und weitere schöne deutsche Worte, als Labsal für zwischendurch:

Wir reisen in die Sommerfrische. Das Obdach, das hier unser genannt werden darf, ist ein Kleinod sondergleichen, ich hielt mich dort als Dreikäsehoch bereits auf. Damals läuteten wir beim Fräulein vom Amt an, wenn wir zu telephonieren wünschten. Als ich Backfisch war, hatte unser Fernsprechgerät im Vorsaal eine Wählscheibe; danach, als Blaustrumpf, durfte ich zuweilen das C-Netz-Telefon des Dorfschulzen nutzen, sintemal dies die einzige Möglichkeit gewesen war, bspw. meine Base von unserem baldigen Auf­bruche zu unterrichten, da die Te­le­fon­zel­le im Flecken abgebaut wor­den war.

Zumal diese dereinst, ihres schneidigen Kavaliers abhold, darob immerfort grei­nend in ihrem Vaterhause am Grammophon weilte (hernach auch am Schall­plat­ten­spie­ler. Ihr erlesenes Antlitz war vor Gram ganz wüst, welch Ungemach!) Sollte sie sich doch in unserer Bleibe einfinden! Wir mussten sie bisweilen her­bei­ho­len, allein — es bedurfte einigen Zuredens, bis sie sich dreinschickte.

Die Zeitläufte sind fürderhin andere; die Zwietracht heutigentags auch! Indes, stellen wir diese rasch hintan und rufen frisch aus: Auf zur Landpartie!

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Foto: Die Ahnfrau hätte auch ihre liebe Müh',
diese Zeilen zu verstehen ;-)

Montag, 2. August 2010

Tischkantenklopfer

Es kommt vor, dass ich dolmetsche und gleichzeitig fotografiere.

Wie hier, es war fast Notwehr, das festzuhalten: Ein Tischkantenklopfer in Aktion. Als ich ihn leise um weniger geräuschvolle Gesten bat, sagte er nur: "Na klar!"
Wenig später holte er wieder aus, um den armen Tisch zu verdreschen. Ich zückte den Apparat, knipste, sprach dabei weiter.
Angesichts der Verewigung seiner Missetat bemühte sich der Redner in der Folge um kleinräumigere, weniger laute Gesten.

Geht doch!

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Foto: Hier kommt's nun wirklich nicht auf
gute Kadrierung und Lichteinstellung an!

Sonntag, 1. August 2010

Berlin am Meer

Warum müssen eigentlich auf dem Balkon immer Blumen wachsen? Ich kehre für ein paar Tage von auswärtigem Dolmetschen, von Schreibklausur und Kurzurlaub zurück. Wir sind dieses Jahr besonders mobil. Unser Balkon ist verdorrt und wüst - kein Wunder, ich hatte im Vorfeld die schönsten Pflanzen verschenkt, andere für regelmäßiges Auftragsgießen praktisch zusammengestellt.
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Bevor ich jetzt richtig in den Urlaub fahre - wir
tauschen unsere Wohnung mit einer französischen Familie - habe ich schnell auf dem Balkon Erste Hilfe in Sachen Design geleistet und ihm, ausgehend von einer vom Meer zurückgebrachten Schiffslaterne, ein maritimes Flair verpasst. Warum müssen eigentlich immer Blumen auf dem Balkon wachsen? Zumal unser Balkon ja Blick auf den Kanal hat, unser erstes Wassergrundstück.
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Dieser "Balkonpflanztipp" passt nicht nur zu vielreisenden Dolmetschern, sondern auch für andere Berufstätige, die mit Unterbrechungen zu Hause sind, wo die lieben Mitmenschen nicht immer so zuverlässig ihren Gießaufträgen nachkommen (oder es zu gut meinen und übergießen).
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Denn wer hart arbeitet, muss sich auch intensiv erholen können - und sei es zwischendurch auf Balkonien.
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Ich kaufe morgen noch ein paar duftende Kräuter ... und dann doch noch ein paar Lobelien, vulgo: Männertreu. Die sind so schön blau ... Berlin am Meer - mit einer kleinen Prise Paris. Wo? Bild anklicken, und es wird größer! 
Fotolegende: Panoramabild der Balkonbrüstung der Berliner Dolmetscherin Caroline Elias mit Lampe, Palme, Steingarten, blauen Gefäßen, vom Meer angeschwemmtem Holz, mittendrin eine Eiffelturmminiatur.