Donnerstag, 10. Juni 2010

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt

Hallo beim Weblog aus der Dolmetscherkabine. Hier schreibe ich über meinen sehr abwechslungsreichen Alltag, aber auch über die Themen, die mich als Übersetzerin und Dolmetscherin aus dem Französischen und Englischen beschäftigen. 

Also, die Bahn ... Eigentlich wollte ich kein Bahn-bashing machen, das war mir zu einfach. Aber mein Plan von gestern ging nicht auf, und Vielreisende wissen: das ist mindestens bei jeder zweiten Reise so. Nix war's mit einem entspannten Arbeitstag in Sachen Drehbuchübersetzung! Der Stress ging schon kurz nach der Abfahrt los.

Ich fing in der Gare de l'est schön mit dem Tippen an, kurz darauf macht es flupp!, und der Bildschirm ist schwarz. Hintergrund: vorletzte Woche ging mein Akku kaputt und ich schwanke noch zwischen Ersatzteilkauf und ganz neuem Rechner; mein PowerBook kann gut und gerne ein Bürorechner werden. Der befragte Schaffner bestätigte kurz darauf: Der Strom auf den Steckdosen der Reisenden verschwindet immer mal wieder für eine halbe bis zwei Minuten, und zwar bei der Anfahrt, wenn es auf die Schnellfahrtstecke geht und dann noch ungefähr drei Mal, bis wir in Deutschland ankommen.

Also Siesta.

Hätten mich nicht diese penentranten, dreisprachigen Ansagen immer wieder aus dem Schlaf gerissen. Der Zug in Gegenrichtung ist nicht "frankreichfähig", wie sich später herausstellt, so wird in Saarbrücken gependelt: Sämtliche Insassen zweier Züge raus und wechseln! Das Chaos, das auf dem Bahnsteig entsteht, erinnert mich wie das Vorgehen selbst verschärft an den desolaten Berliner S-Bahn-Verkehr.

Da der Gegenzug Verspätung hat, haben wir jetzt auch welche. Weil Berlinreisende ihren Anschluss in Frankfurt/Main nun nicht erreichen werden, dürfen wir bereits in Mannheim in den Anschlusszug umsteigen, hier kriegen wir ihn noch, vielleicht aber nur deshalb, weil der Zug dort sechs Minuten verspätet ist. Wieder Chaos in den Zügen und auf dem Bahnhof: Kleinkinder, Geschäftsleute, gruppenreisende Rentner, eine Schülergruppe mit eidottergelben I-Dötzchen-Mützen, eine indische Großfamilie, die die denglishen Durchsagen nicht versteht: Die Dolmetscherin ist im Dauereinsatz. Dann noch eine Jugend-Fußballmannschaft, ein schreiendes Baby, Musiker mit ihren Instrumentenkoffern, das blonde Biest vom Amt, ein Gipsbein ... im tableau hat nur der Korb mit dem Huhn gefehlt!

Indes, im Zug erfahre ich, dass die Info mit dem vorfristigen Umstieg in Mannheim für mich nicht gegolten hätte, da mein Ticket eine Zugbindung hat, ich demnach für eine spätere Fahrt gebucht habe und in Frankfurt erneut umsteigen soll. Ich protestiere, wehre mich gegen dreimaligen Zugwechsel anstelle von einem, darf, weil ich das Maul aufreiße, im Zug bleiben. Zum Glück finde ich einen Sitzplatz mit Tisch.

Im Laufe der Reise wächst auch die Verspätung dieses Zuges von sechs auf fast dreißig Minuten, es gibt weitere Probleme auf der Strecke, der Zug nimmt eine andere Route und fährt Hildesheim nicht an. Trotzdem erreiche ich Berlin früher als geplant, denn ich sitze ja im früheren Zug. Ruhig gearbeitet habe ich auf der Fahrt etwa vier Stunden lang statt acht, denn auch in Deutschland fiel wiederholt der Strom aus. Wie sagte schon der olle Brecht: Erstens kommt es anders, zweitens ...

Oder, um's mit den Worten des Bahnschaffners zu sagen: Wie wisch juh a plässent dschörnie!

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Foto: Noch im Pariser Bahnhof und schon im Berliner Büro,
denkste! En Internetmedienthema auf dem Titelblatt — bei
meiner Presseschau, gestern las ich drei Zeitungen, hab ich
damit angefangen.

1 Kommentar:

Jule hat gesagt…

Autsch, das klingt nach Stress! Hoffe, Du bist dennoch gut vorangekommen. Wann ist's denn fertig fürs Korrekturlesen? Frag nur mal so ...
Grüßle,
Jule