Dienstag, 11. Mai 2010

Sitzen oder stehen, das ist die Frage

Als Dolmetscherin fallen mir Unterschiede zwischen beiden Ländern natürlich als allererste auf. Dieser Tage arbeite ich mit Journalistikstudenten aus Bordeaux. Journalisten wissen auch mehr als Normalmenschen. Ein schöner Anlass also, gemeinsam hinter verschlossene Türen zu blicken und wichtige Geheimnisse zu lüften.

Das Ausland grinst über deutsche Schilder und Zettel, die wahre Kerle auf dem Pott zum Sitzenmachen nötigen - und ich mit. Warum solche Zettel, ist doch selbstverständlich, dass 'mann' sich setzt, der Frauen wegen?!

Neulich haben wir mal wieder männlichen Arbeitsbesuch. De Paris. Das Filmprojekt, an dem wir gemeinsam arbeiten, hat wenig Geld, also bringen wir ihn bei uns unter. Am Morgen gehe ich sehr früh ins Bad mit integriertem Klo - hier stinkt's. Feinstofflich in der Luft verwirbelte Tröpfchen, beim Auftreffen des Strahls auf den Beckenrand augenblicklich atomisiert, bilden ein Aroma wie das, was sonst in Pariser Bistrots aus dem Herrenklo rüberweht! Puh! Gleich neben dem Klo steht die Badewanne. Ich protestiere innerlich, greife nach Putzhandschuhen und Eimer und verrichte mein Werk. Später spreche ich diskret unseren Gast an - und ernte einen Blick, als wollte ich ihn kastrieren. Bon, wenn ich darauf bestünde, er könne es ja mal versuchen ... Ich bestehe darauf.

Am nächsten Morgen. Ein Sonnenstrahl bricht sich im Badezimmer seine Bahn und strahlt den leichten Morgennebel an, der über Wanne und Klo liegt. Morgennebel? Ich schnuppere vorsichtig, greife rasch zum Desinfektionsspray und neble dagegen an, hänge noch während der Flucht die Plastikhandschuhe über den Wischeimer und deponiere meine Installation vor der Tür zum Gästezimmer. Dann verkneife ich mir einen natürlichen Drang und lege mich nochmal hin. Als ich den Frühstückstisch abräume und die Küchenarbeitsfläche abwische, sagt mir unser Gast für den Fall, dass ich ihn suchen würde, dass er wisse, wo sich mein Putzeimer aufhalte, er hätte sich nämlich heute früh sein Schienbein daran gestoßen. Wie? Glaubt er, dass unser Eimer Beine hat? Ich versuche vorsichtig, das Thema zu vertiefen. Darauf fragt unser Gast, wieso wir denn unser Bad täglich putzten, ich hätte das doch erst gestern gemacht.

Dann nimmt der Tag seinen Lauf, und alle haben Außentermine. Fast alle. Ich protestiere innerlich und greife nach den Putzhandschuhen ...

Einen Tag später wache ich sehr früh auf. Es ist noch dunkel. Ich schreibe einen Zettel für die Wand hinter dem Klo, und zur Verstärkung meiner Zeichnung stelle ich das Reinigungsmittel auf den Klodeckel. Die Putzmittelflasche, ein Materie gewordenes Ausrufungszeichen. Stunden später treffen wir uns alle in der Küche. Zwischendurch wurde das Bad benutzt. Ich fand es makellos vor. Am Frühstückstisch strahlt unser Gast. Ja, er hätte es jetzt kapiert. Er wisse jetzt, warum in Deutschland die meisten Kerle solche Softies seien, Frauenversteher vor dem Herrn, freundlich, aber irgendwie ... unmännlich. Hygiene hin oder her, ich sei mir hoffentlich bewusst, welches Opfer ich ihm da abverlangte! Und mit dem größten Bedauern fügte er hinzu, dass er, wenn ich mal nach Paris käme, leider keine Rücksicht würde nehmen können.

Das Klo von Monsieur beschreib ich jetzt nicht, non, non, non !

Caroline Elias

Ein Kerl. Sitzend pinkeln. Was denn sonst noch? Keine Zeit. Unpraktisch. Ich setze mich gar nicht gern auf fremde Toiletten, das ist nicht hygienisch. Und ich bin kein Mädchen. Und überhaupt, verdammt nochmal: das habe ich zum letzten Mal als ganz kleiner Junge gemacht ... Was macht das schon, ich kann zielen, oder etwa nicht?

Eines Tages passiert es dann. Das Handy klingelt. Ein Kerl macht die Tür auf, die du vergessen hast abzuschließen. Du hattest es zu eilig oder warst zu betrunken, um das auch noch zu bewerkstelligen. Vor deinen Augen die Sintflut: Klobrille, Boden, Mauer, Hose, alles wird nass. Beim Aufwischen mit Klopapier sagst du dir still und leise, dass du total bekloppt bist. Und am Ende denkst du, dass es vielleicht doch nicht so doof ist, sich hinzusetzen. Und du schwörst, es beim nächsten Mal in Erwägung zu ziehen. Ganz sicher. Vielleicht. Eines Tages. Wer weiß das schon. Naja, ist doch irgendwie eine komische Idee. Keine Zeit. Unpraktisch.

Olivier Laffargue
(lien pour la version française)
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Photo: Anaïs Crouzet

3 Kommentare:

Marcus hat gesagt…

Sitz- und Stehpinkeln, Straßen- oder Hausschuhe in der Wohnung ... was gibt es noch für grundlegende Differenzen des deutsch-französischen Paares?

Hi Caro, Du hattest aus diesem Bereich doch mal so eine tolle Glosse über das französische Stopfbett, die in irgendeiner Zeitung erschienen ist - kannst Du die hier nicht noch einmal bringen?

Schönen Fußball- und Kindersommer wünscht
Marcus

caro_berlin hat gesagt…

OK, Marcus meint, ich solle den Link hier für alle veröffentlichen, voilà !

Wie man sich bettet ...

Anonym hat gesagt…

Männer mit Niveau sitzen auf dem Klo