Sonntag, 30. Mai 2010

Preisbeispiel(e)

Sagen Sie doch mal eine Zahl, Frau Elias!"
Okay, dann sag' ich jetzt mal "eine Zahl". Bei einer wird es nicht bleiben, unsere Preisgestaltung ist komplex. Also bitte weiterlesen.

Je nach Art und Umfang des Projekts kostet ein Dol­met­scher­arbeitstag zwischen 750 und 1200 Euro vor Steuern. Die Höhe des Preises hängt davon ab, ob es im Netzwerk einen auf das jeweilige Fachgebiet spezialisierten Dolmetscher gibt oder nicht, außerdem von der Dauer der Arbeit und ob Urheberrechte übertragen werden oder nicht (Mediendolmetschen). Außerdem be­rück­sichtige ich, wie gut das gesamte Projekt, in dessen Rahmen ich tätig werde, finanziert ist. Kurz: Das Hochglanzillustrierten-Interview mit Catherine Deneuve "finanziert" den Einsatz für einen Nachwuchs­filme­macher "quer". Diese Tagessätze überraschen wirklich nur jene, die nicht bedenken, dass Dolmetschen eine äußerst anstrengende Tätigkeit ist, die nicht nur gut vorbereitet sein will, sondern auch Ruhetage nötig macht. Im Ergebnis bezahlen Sie uns nur für die Tage, die wir tatsächlich auch "hörbar" sind. Bitte bedenken Sie, dass unser Beruf so fordernd ist, dass wir beim Konferenzdol­metschen oder in anderen Situationen, wo schnell viel gesagt wird, zu zweit arbeiten und uns alle 20-30 Minuten abwechseln.

Halbe Tage bieten sehr viele Kollegen gar nicht erst an, denn fast jeder Einsatz hängt mit intensiver Vorbereitung zusammen. Ich sehen das anders — solange Ihr Thema unseren Arbeitsschwerpunkten entspricht. Als Fachdolmetscherin für Me­dien mit weiteren Schwerpunkten in den Bereichen Politik und Wirtschaft, Ge­schich­te und Kultur (Architektur, Kunst, Literatur, Mode) sowie Gesellschaft, So­ziales und Bildung habe ich möglicherweise exakt Ihr Thema bereits bearbeitet ... dann gebe ich diesen "Einarbeitungsvorteil" gerne an Sie weiter, das heißt, Sie bezahlen nur den tatsächlichen Vorbereitungsaufwand, was sich in geringeren Tagessätzen niederschlägt.

Rechne ich die Zeiten hinzu, die für die Erfüllung meiner Aufträge notwendig sind, denn ich muss ja auch die Verwaltungsarbeit als Selbständige selbst leisten, kom­me ich wie für (geisteswissenschaftliche) Akademiker üblich auf einen durch­schnitt­lichen Stundenumsatz von 85 Euro.

Für manche Privatleute, kleine NGOs, Filmhochschulfestivals und sonstige an­spruchs­vol­le, aber mittellose Projekte arbeite ich regelmäßig auch ehrenamtlich.

Bitte erzählen Sie uns mehr von Ihrem Projekt, damit wir einen Kostenvoranschlag "auf Maß schneidern" können. Das geschieht selbstverständlich kostenlos.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Mediendolmetscher und Filmübersetzer

Nach dem Festival ist vor dem Festival! In unserer Übersetzerwerkstatt sind Kapazitäten frei für Ihr Drehbuch oder Dokumentarfilmprojekt! Wir übersetzen mit Liebe und Hingabe, denn wir sind ein Team erfahrener Übersetzer/innen und Autoren/innen, die Kino lieben. Viele von uns arbeiten regelmäßig auch an anderer Stelle im Filmbereich.

Erstkunden gewähren wir gerne einen Rabatt von 5 %.

Auch für Dolmetscheinsätze am Set, im Produktionsbüro oder auf Festivals können Sie uns ab sofort wieder buchen.

Außerdem bieten wir journalistische Recherchen in Fremdsprachen an. Gerade arbeiten wir zum Beispiel für den Kulturkanal Arte. In einem anderen Fall schreiben wir ein Filmprojekt für einen deutschen öffentlich-rechtlichen Hauptsender um. Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass bei allen Einsätzen unsere Diskretion und Loyalität stets den Kreativen gilt. Ähnlich wie Ärzte und Anwälte sind auch wir zum Schweigen verpflichtet - eine Art "Äskulapeid" der Sprachdienstleister verpflichtet uns dazu.

Und hier gleich noch ein essential unserer Arbeit: Das Vier-Augen-Prinzip. Schreiben ist ein einsamer Akt, Übersetzen auch. Um bestmögliche Qualität liefern zu können, arbeiten immer zwei Kollegen/Kolleginnen an einem Projekt: ein(e) federführende(r) Übersetzer(in) sowie ein zweiter Mensch fürs Korrektorat.

Auch, wenn das oft aufwendig ist, mich persönlich erfüllt diese Arbeit mit großer Zufriedenheit. Mein know how wächst täglich durch die Arbeit als im medienbezogenen Sprachberuf. So kam es, dass ich auch als Autorin von Lektoraten angefragt wurde, Zusammenfassungen und Einschätzungen für Filmfördereinrichtungen und Produktionsfirmen. Last but not least entwickeln wir eigene Stoffe. In einem Fall bin ich selbst die federführende Autorin und darf daher andeuten, worum es hier geht: um ein altes Gemälde, wiedergefundene Spuren im geteilten Berlin und Lausbubenstreiche.


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© Caroline Elias

Sonntag, 23. Mai 2010

Globalisierung

Einblick in den Büroalltag. Immer wieder mal erreichen uns Anfragen von Menschen, die offenbar davon ausgehen, dass wir in Indien beheimatet sind - Stichwort: niedrige Lebenshaltungskosten - ... dafür aber deutsche Wertarbeit anbieten.

Hier ein Beispiel.
Hello,

We have small 3000 words French to German translation.I saw in your profile that you do that kind of translation.I need the file to be ready for tommorow morning 0900 Pacific time.If you are available plase contact me asap.Our rate is setteled with this client and it is 0.04 EUR per word.

Best,

Ken
Meine Antwort, die von Kollegen inspiriert ist, normalerweise klicke ich das gleich weg:
Hello,

I refer to your request (3000 words, 0,04 €, 20 hours deadline).

• In our business, it is NOT up to CLIENT to propose the fee. This belongs to the translator.
• This fee is just ridiculous …

So, Do NOT CONTACT ME ANY MORE. Your „offer“ is just a scandal.
Manchmal tut es doch gut, die Klappe aufzureißen, auch, wenn's "nur" schriftlich ist.

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Foto: Dass von solchen Hungerlöhnen niemand
leben kann, vermag sogar ein Kind auszurechnen.

Samstag, 22. Mai 2010

Besenkammern und andere zweifelhafte Orte

Einmal besucht mich ein Freund bei der Arbeit. Wir haben gerade Mittagspause und essen zusammen eine Kleinigkeit im Hotel, in dem die Konferenz stattfindet. Wie schön, in der Pause ganz gründlich an etwas anderes zu denken als an das Thema, um das es geht, und da dieser Freund seinen kleinen Sohn im Kindergar­tenalter mitgebracht hat und der kleine Gangster bestgelaunt ist, wird es ein lustiges, erholsames Mittagessen.

Nach dem Essen krabbeln uns drei die Beine, wir flanieren durch die Lobby, in der dicke Teppiche die Schritte dämpfen, laufen im Slalom an wie zufällig in den Weg gestellten Bodenvasen vorbei, bewundern die ausgestellten Malereien und An­ti­qui­täten. Der kleine Mensch, der uns begleitet, benimmt sich prima, wobei an der Reaktion der Anwesenden eindeutig abgelesen werden kann, dass hier nur selten Kinder zu Gast sind.

Dann geht's zurück in den "Ballroom", in dem die Veranstaltung stattfindet. Die Konferenz hat noch nicht wieder angefangen, hier und da sitzen schon einige Teilnehmer in den Stuhlreihen und blättern ihre Unterlagen durch, andere stehen in kleinen Grüppchen beisammen. Ein Kind in dieser Umgebung erregt Aufmerk­samkeit. Gespräche werden leiser, Dutzende Augenpaare folgen uns. Wer weiß, vielleicht denkt der eine oder die andere ans eigene Mini, das gerade in Kin­der­garten oder Schule weilt.

Und um mich langsam wieder aufs Dolmetschen einzustellen und um meinen Freund wenigstens ein bisschen an meinem Arbeitsalltag teilhaben zu lassen, zeige ich jetzt den beiden die Kabine, zumindest von außen. Der Große schaut sich durchs Fenster alles an und befragt mich dazu, der Kleine findet den ge­mus­terten Teppichboden offenbar spannender, weil dessen Muster als Pfad fürs Hüpf­käst­chenspiel taugt. Die Gespräche der Konferenzteilnehmer haben ihre normale Lautstärke wieder erreicht, als ich meine Gäste verabschiede. Dann gehe ich in Richtung der Dolmetscherkabine, öffne die Tür und will sie gerade betreten, als das Kind so lautstark fragt, so, dass alle aufhorchen: "Duhu, Papa, was macht die da? ... Warum geht Caroline in den Kleiderschrank?"

Bei der Tonprobe
Tja, und in dieses Mini von Möbel setzen wir uns auch noch freiwillig hinein, das laut ISO-Norm in seiner transportablen Variante (außen!) 1,68 m x 1,68 m messen und 2,15 m hoch sein soll. Auf so wenig Fläche arbeiten wir zu zweit — oft fühlt es sich eng an, meistens merken wir davon nicht viel, denn die Arbeit bindet die Aufmerksamkeit. Als anstrengend empfinde ich bei meiner Reise durch die Kabinen Deutschlands und Frankreichs vor allem schlechte Lüftungen und mangelnde Beinfreiheit.
Denn die Schwester des Kleider­schranks ist die Besenkammer: Die fest in­stal­lierten Kabinen sind manchmal auch nicht besser.

Im Berliner Kongresszentrum und noch an einer anderen Stelle in Berlin (mir will jetzt partout nicht einfallen, wo!), sitzen wir eingeklemmt zwischen Trägern, auf denen die Tischplatte mit den Dolmetschpulten aufliegen —  und mancherorts ist der Raum unter dem Tisch schon an einer Stelle zuende, wo noch viel Bein übrig ist. Das erinnert mich immer an meine Studentenzeiten, wo Langbeine wie ich schräg sitzen mussten! In der alten Uni hat mich das nicht überrascht, die engen Sitzreihen in Ampithéâtre Richelieu der Sorbonne stammen aus dem 19. Jahr­hun­dert. Aber bei fest eingebauten Ka­bi­nen in Neubauten? Solang's wen­igs­tens uneingeschränkte Sicht auf die Ver­an­staltung gibt — denn auch das ist nicht selbstverständlich.

Schlimmer als mangelnder Platz ist knappe Luft. Eigentlich sollte in jeder Dolmet­scherkabine still und leise die liebe Technik für Frischluft sorgen, aber manchmal gibt's statt einer kleinen Belüftung sowas wie 'nen alten Fön, der in leisester Dröhnung schon so laut ist, dass es einfach nervt. Und wenn ich beim Film­dol­met­schen allein im "Kleiderschrank" sitze und der Schalter innen angebracht ist —das ist bei einigen Modellen der Fall, für die nur selten ein Techniker (durch­gehend) vorhanden ist — liegt die Versuchung zum Selbsttest nahe: Was ist wichtiger, Ruhe oder Sauerstoff?

Kleiderschrank und Besenkammer halt.


P.S.: Wenn ich wieder im Büro bin, werde ich mal suchen und noch Infos nach­liefern. Einer der Berufsverbände (BDÜ? aiic?) hat nämlich Regeln und Empfeh­lungen für Dolmetschkabinen erarbeitet, da stehen die Mindestgrößen drin, die für unsere mobilen Arbeitsplätze gelten. Ich hoffe, mein Artikel hat Sie nicht enttäuscht, denn das Wort "Besenkammer" löst in Deutschland ja oft andere Assoziationen aus.
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Foto: Die Autorin dieser Zeilen beim Techniktest
(mit offener Kabinentür). Mehr Innensicht hier.
Merci à Jean-Luc Clairambault pour la photo de cabine !

C'est alimentaire, mon cher Watson!

An der Côte d'Azur ist alles teuer und edel - das Gläschen frischgepressten Orangensafts gibt's für 18 Euro und drei Vorspeisemöhren, zu Knabberstänglein geschnitzt, mit fünf Oliven, sieben halben Cherrytomaten und etwas fines herbes garniert, schlagen mit 32 Euro zu Buche. Das ist keine haute cuisine, das ist faute cuisine (la faute - der Fehler, und übrigens ein grammatisch schön falscher Kalauer)!

Nun also wieder deftige deutsche Kost beim Pfingsturlaub. Und was entdeckt meine Begleitung da? Ich hätte es glatt übersehen: Fehler auch hier. Meine ferienbedingte Blindheit ist übrigens rasch erklärt, wie soll sich ein Sprachenmensch, der auf die Übertragung von Idiome und das Jagen von Fehlern geprägt ist, denn sonst erholen?

Schöne Pfingsstage wünsch' ich!

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Foto: C.E.
"Herr Ober, einmal das Kassler bitte, aber mit braver Creme!"

Typisch Berlin?

Vor zwei Wochen kam ich mit Journalistikstudenten aus Bordeaux zusammen, die in Berlin für Kulturreportagen recherchierten. Ihre sehr sehenswerten Ergebnisse stehen in Bild, Ton und Wort auf dieser französischen Webseite zum Abruf bereit (leider nur in französischer Sprache): BerlinKulturLab.

Natürlich gebe ich in solchen Momenten nicht nur Wissen weiter, sondern frage auch gegen. Am meisten überrascht habe sie, so erklärten etliche, dass in Berlin so viele Leute mit einer Bierflasche in der Hand auf der Straße rumliefen. Die vielen verschleierten Frauen, meinten drei andere. Nein, dass es hier noch echte Punks gebe, war für eine weitere Untergruppe wichtig.

Dass es gelingen würde, all' das auf nur ein Foto zu bannen, war nicht vorstellbar. Also hier ein typisches Berlin-Foto - zumindest aus studentischer französischer Sicht. Im Hintergrund die Moschee an der Wiener Straße, heute, am Tag ihrer Eröffnung. Danke, J., fürs Foto!

Donnerstag, 20. Mai 2010

Täglich neue Worte, Witz, Weltliteratur und Wetter (oder so)

Nulla dies sine linea - kein Tag, ohne eine Zeile geschrieben zu haben. Dazu die tägliche Ration Lyrik und Vokabeln - an Schreibtischtagen halte ich es so, "meine" englischen und französischen Dienste sind übrigens kostenlos. Heute kam über Lyrikmail ein köstlicher Morgenstern auf den Rechner geflattert, der mir fast ein wenig französisch vorkommt in seiner Logik. Es geht um den Zwölf-Elf. Dazu ist es gut zu wissen, dass Christian Morgenstern den Zwölf-Elf, über den er wiederholt schrieb, so erklärt: er ist "ein sogenannter Schwarzelf oder -elb" - ein Fall fürs Märchenbuch. Heute wird das Fabelwesen mathematisch.
Das Problem

Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
und sprach: "Ich heiße unbequem.
Als hieß ich etwa Drei-Vier
statt Sieben - Gott verzeih mir!"

Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt sich
von jenem Tag an Dreiundzwanzig.
Hiermit lässt sich prima jenen erklären, die Sinn für Humor haben, wie in Frankreich Zahlen wie 92 gesagt werden: quatre-vingt-douze, vier-zwanzig-zwölf.

Und weil es in Frankreich keinen Morgenstern gibt, fehlt für den linksrheinischen Mathezahlenwurm leider die Übersetzung, also müssen Franzosen und Französischlernende tagtäglich weiterrechnen.

Noch'n Tipp für den Alltag, wo ich hier schon mal beim Besserwissern bin: Jeden Tag mindestens eine Stunde lesen! Der stammt nicht von mir, sondern von Sir Simon Rattle, dermaleinst nach der ultimativen Lebensweisheit befragt. Ich kann das nur unterstreichen. Was lesen? Gutes, das Spaß macht, nur für sich, ohne zwingenden Zusammenhang mit Arbeit oder Schule oder Studium, einfach so, der Freude wegen. - Und eine Stunde an der frischen Luft aufhalten, erklingt da ein anderer wie ein spätes Echo in mir. - Würd' ich gerne, schaff's nicht immer, wie ich zugeben muss, was auch an Wetter und Stress liegt, vor allem aber an der eigenen Bequemlichkeit.

Cannes ganz schön kitschig sein

Au revoir!

Donnerstag, 13. Mai 2010

Cannes 2010: Glamour in ausgewaschenen Farben

13.-21.05. in/à Cannes || Berliner Büro besetzt / Présence berlinoise assurée

Alle Jahre wieder trifft sich die Meute in Südfrankreich, nur dieses Jahr - wie der frühere Cahiers du Cinéma-Redakteur Emmanuel Burdeau treffend formuliert - ist Cannes à la fois glamour et délavée, frei übersetzt: Glamour in ausgewaschenen Farben. Die Krise zeitigt auch hier ihre Spuren.

Daher berechne ich bei ad hoc-Dolmetscheinsätzen auf dem Festival je nach Projektumfang und -status 60-120 Euro die Stunde, wobei die Zeit für An- und Abfahrt (vor Ort) zur Hälfte hinzugerechnet wird. Im Fall einer Koproduzentensuche kann ich als Teil eines größeren Auftragsvolumens (Übersetzungen) auch günstige Tagespauschalen anbieten.

Beim Dolmetschen von Interviews für die Medien gelten die üblichen Sätze.

Bitte per SMS kontaktieren (Kino!)

D'avance merci !
Caro

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Frühere Berichte über meine Cannes-Einsätze hier.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Filmemacherinnen fehlen

You Cannes Not Be Serious - Online-Petition gegen ein Festival ohne Regisseurinnen

Das Projekt 'kinovi[sie]on des Innsbrucker Otto Preminger-Instituts weist darauf hin, dass im Wettbewerb des Internationalen Filmfestivals von Cannes keine einzige Regisseurin vertreten ist.

Auch im restlichen Programm des weltberühmten Filmfestivals sieht es nur auf den ersten Blick besser aus:

→ Unter den Sondervorführungen ("Special Screenings") sind vier von zehn Filmen in der Regie von Frauen enstanden.
→ In der Sektion "Un certain regard": 19 Filme im Programm, einer davon von einer Frau.
→ In der Sektion "Semaine de la critique" (Spielfilm): Ein Film von einer Regisseurin, ebenfalls von einem 19 Filme umfassenden Programm.
→ "Out of Competition" laufen neun Filme, einer stammt von einer Regisseurin ...

Seit Jahren beobachten die Fachleute in den Film- und Medienhochschulen, dass die Zahl des weiblichen Nachwuchses kontinuierlich zunimmt, in manchen Filmklassen überwiegt die Anzahl der Teilnehmerinnen die der männlichen Teilnehmer.

Statistisch ist es undenkbar, dass die vielen von Frauen eingereichten Filmen schlecht sein sollen.

Gegen die Unterrepräsentanz kann protestiert werden unter "You Cannes Not Be Serious".
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Das Cannes ich manchmal nicht glauben - Frauen vor der Kamera: gern, dahinter: offenbar nicht so erwünscht.

Dienstag, 11. Mai 2010

Sitzen oder stehen, das ist die Frage

Als Dolmetscherin fallen mir Unterschiede zwischen beiden Ländern natürlich als allererste auf. Dieser Tage arbeite ich mit Journalistikstudenten aus Bordeaux. Journalisten wissen auch mehr als Normalmenschen. Ein schöner Anlass also, gemeinsam hinter verschlossene Türen zu blicken und wichtige Geheimnisse zu lüften.

Das Ausland grinst über deutsche Schilder und Zettel, die wahre Kerle auf dem Pott zum Sitzenmachen nötigen - und ich mit. Warum solche Zettel, ist doch selbstverständlich, dass 'mann' sich setzt, der Frauen wegen?!

Neulich haben wir mal wieder männlichen Arbeitsbesuch. De Paris. Das Filmprojekt, an dem wir gemeinsam arbeiten, hat wenig Geld, also bringen wir ihn bei uns unter. Am Morgen gehe ich sehr früh ins Bad mit integriertem Klo - hier stinkt's. Feinstofflich in der Luft verwirbelte Tröpfchen, beim Auftreffen des Strahls auf den Beckenrand augenblicklich atomisiert, bilden ein Aroma wie das, was sonst in Pariser Bistrots aus dem Herrenklo rüberweht! Puh! Gleich neben dem Klo steht die Badewanne. Ich protestiere innerlich, greife nach Putzhandschuhen und Eimer und verrichte mein Werk. Später spreche ich diskret unseren Gast an - und ernte einen Blick, als wollte ich ihn kastrieren. Bon, wenn ich darauf bestünde, er könne es ja mal versuchen ... Ich bestehe darauf.

Am nächsten Morgen. Ein Sonnenstrahl bricht sich im Badezimmer seine Bahn und strahlt den leichten Morgennebel an, der über Wanne und Klo liegt. Morgennebel? Ich schnuppere vorsichtig, greife rasch zum Desinfektionsspray und neble dagegen an, hänge noch während der Flucht die Plastikhandschuhe über den Wischeimer und deponiere meine Installation vor der Tür zum Gästezimmer. Dann verkneife ich mir einen natürlichen Drang und lege mich nochmal hin. Als ich den Frühstückstisch abräume und die Küchenarbeitsfläche abwische, sagt mir unser Gast für den Fall, dass ich ihn suchen würde, dass er wisse, wo sich mein Putzeimer aufhalte, er hätte sich nämlich heute früh sein Schienbein daran gestoßen. Wie? Glaubt er, dass unser Eimer Beine hat? Ich versuche vorsichtig, das Thema zu vertiefen. Darauf fragt unser Gast, wieso wir denn unser Bad täglich putzten, ich hätte das doch erst gestern gemacht.

Dann nimmt der Tag seinen Lauf, und alle haben Außentermine. Fast alle. Ich protestiere innerlich und greife nach den Putzhandschuhen ...

Einen Tag später wache ich sehr früh auf. Es ist noch dunkel. Ich schreibe einen Zettel für die Wand hinter dem Klo, und zur Verstärkung meiner Zeichnung stelle ich das Reinigungsmittel auf den Klodeckel. Die Putzmittelflasche, ein Materie gewordenes Ausrufungszeichen. Stunden später treffen wir uns alle in der Küche. Zwischendurch wurde das Bad benutzt. Ich fand es makellos vor. Am Frühstückstisch strahlt unser Gast. Ja, er hätte es jetzt kapiert. Er wisse jetzt, warum in Deutschland die meisten Kerle solche Softies seien, Frauenversteher vor dem Herrn, freundlich, aber irgendwie ... unmännlich. Hygiene hin oder her, ich sei mir hoffentlich bewusst, welches Opfer ich ihm da abverlangte! Und mit dem größten Bedauern fügte er hinzu, dass er, wenn ich mal nach Paris käme, leider keine Rücksicht würde nehmen können.

Das Klo von Monsieur beschreib ich jetzt nicht, non, non, non !

Caroline Elias

Ein Kerl. Sitzend pinkeln. Was denn sonst noch? Keine Zeit. Unpraktisch. Ich setze mich gar nicht gern auf fremde Toiletten, das ist nicht hygienisch. Und ich bin kein Mädchen. Und überhaupt, verdammt nochmal: das habe ich zum letzten Mal als ganz kleiner Junge gemacht ... Was macht das schon, ich kann zielen, oder etwa nicht?

Eines Tages passiert es dann. Das Handy klingelt. Ein Kerl macht die Tür auf, die du vergessen hast abzuschließen. Du hattest es zu eilig oder warst zu betrunken, um das auch noch zu bewerkstelligen. Vor deinen Augen die Sintflut: Klobrille, Boden, Mauer, Hose, alles wird nass. Beim Aufwischen mit Klopapier sagst du dir still und leise, dass du total bekloppt bist. Und am Ende denkst du, dass es vielleicht doch nicht so doof ist, sich hinzusetzen. Und du schwörst, es beim nächsten Mal in Erwägung zu ziehen. Ganz sicher. Vielleicht. Eines Tages. Wer weiß das schon. Naja, ist doch irgendwie eine komische Idee. Keine Zeit. Unpraktisch.

Olivier Laffargue
(lien pour la version française)
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Photo: Anaïs Crouzet