Montag, 28. April 2008

Übersetzungssoftware: mangelhaft

Kurze Unterbrechung des Urlaubs - die aktuelle "Computerbild" (Heft 10/2008) hat fünf digitale Übersetzungsprogramme (die jeweils zwischen 50 und 100 Euro kosten) getestet und für schlecht befunden: es setzte fünf Mal die Note 5 (mangelhaft). Bei den verwendeten aktuellen Liedern, Bedienungsanleitungen und Pressetexten war oft der Sinn des Zieltextes nicht einmal ahnungshalber zu erfassen.

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Mehr in der ddp-Meldung bei "Linie Eins."

Freitag, 25. April 2008

Stress und Entspannung

H­allo! Hier bloggt eine Sprach­arbei­ter­in. Was Fran­zö­sisch­dol­met­scher und -über­setzer umtreibt, wenn ihre Ar­beits­schwer­­punk­­te Wirt­schaft, Politik, Soziales und Kultur sind, lesen sie hier. Da­ne­ben arbeite ich auch mit der eng­li­schen Spra­che.

Es ist, als hätte ich jeden Tag eine neue Prüfung zu absolvieren", sagte einmal eine erfahrene Dolmetscherin über unsere Arbeit, und sie hat Recht. Viele Kol­le­gin­nen und Kollegen sind von Natur aus neugierig, lernen und sprechen gern, aber wenn das der Hauptgestus im Broterwerb wird, beobachten nicht wenige Ver­än­de­run­gen an sich selbst.

"Ich kann viel besser als früher die Beine hochlegen und nichts tun", sagt die eine Kabinenkollegin, die nicht namentlich genannt werden will. "Es hat Jahre ge­braucht, mir innere Ohrenklappen anzuschaffen", die andere Ko-Kabine, "vor allem dann, wenn sich die Kinder streiten."

Ohrensausen und innerer Leere begegne ich mit bewussten Pausen. Ich weiß, dass ich Entspannung brauche, schlafe ausreichend bis viel, "schalte" im Vorfeld von gro­ßen Dolmetschereinsätzen ebenso wie danach einen Gang "runter". Denn meine Konzentrations- und Stressfähigkeit sind mein Kapital.

Das darf ich auch, weil ich an anderen Tagen "mehrfach" arbeite. Ich bin Mul­ti­tas­ke­rin, wenn ich Worte in einer andren Sprache höre, verstehe, gleichzeitig über­­tra­­ge und sie auch noch ausspreche. Dabei ist die wörtliche Bedeutung immer nur eine Variante. Je nach kulturellem Kontext verändert sich der direkte Aus­druck, und auch die Mentalitäten verändern, was und wie es gesagt wird. Ich habe nie auf einem Surfbrett gestanden, aber irgendwie stelle ich mir das oft so vor. Oder eben jeden Tag eine neue Prüfung ...

Aber heute steht erstmal das Wochenende ins Haus und eine Woche Urlaub, die ich mit dem Restaurieren von Möbeln und Renovieren verbringen werde. Und draußen im Licht. (Naja, ein klitzekleines Interview dazwischen dolmetsch' ich noch, aber nicht viel mehr, wo­zu habe ich meine Kol­legen.)
A bientôt, Caroline

Zeichen zählen

Wir berechnen die Kosten für Übersetzungen, indem wir die Textlänge ermitteln. Dazu zählen wir die Anschläge, wobei die Leerzeichen mitzählen.

Dazu verwenden wir die Zählfunktion Word-Dokument ist unter "Extras" die Funktion "Wörter zählen". Hier bitte auf die Zeile "Zeichen (mit Leerzeichen) schauen.

Donnerstag, 24. April 2008

Zeichen zählen

Ja, eigentlich ist es nur Luft. Aber nicht irgendwelche, sondern ein kleines bisschen Luft. Ein Lüftchen gewissermaßen. Luft, die keinesfalls den letzten Buchstaben vom Satzzeichen trennen darf, wenn das Zeilenende erreicht ist. Also ein schmales, untrennbares Leerzeichen, das so 'gebaut' wird:
Mac: Alt + Leertaste PC: CNTRL + Großbuchstabe + Leertaste
Wissen Sie, worum es mir gerade geht? Um französische Zeichensetzung.

Es ist nicht mal ein ganzes Zeichen, dieses untrennbare, sogenannte "espace fine insécable" (oder "die 'espace' ", der Raum ist weiblich im Französisch der Typografie, sonst männlich), und doch zählt es mit, wenn es vorschriftsmäßig vor einem !, einem : oder einem ? oder auch vor und nach « » steht. Derlei schreibt die französische Interpunktion vor. Es scheint, als könnten Franzosen diese Satzzeichen nur dann mühelos erkennen, wenn sie freigestellt sind, wenigstens ein klein wenig. Kommata und Punkte sind vom Luftbedarf übrigens nicht betroffen.

Vor einigen Jahren hatten wir mal einen Kunden, der seine Praktikantin dransetzte, in einem von uns übersetzten französischen Text diese Zeichen, die in der Typo ein "geschützter Leerschritt" genannt werden, zu löschen. Seine Begründung: "Wenn nach Anschlägen abgerechnet wird, zahle ich doch nicht für Zeichen mit, die unnötig sind!" Außerdem hätte er so etwas in der Zeitung nie gesehen. Stimmt, wenn er ausschließlich Libération durchblättert.

In den anderen Zeitungen, in französischen Briefen, im Buchdruck und oft sogar in Untertiteln findet sich diese "Luft" sonst überall. Wir haben dem Kunden vorgerechnet, dass die Franzosen normalerweise pro Wort abrechnen und ein paar Pariser Hausnummern in Sachen Preise genannt. Weil ja jedes "à" und "et" plötzlich ein ganzes Wort ist, konnten wir unseren Kunden rasch überzeugen, dann doch die französische Typo (mit den Berliner Preisen) anzuwenden. Selbst für französische Texte, die für Stuttgart oder Tübingen bestimmt sind ...

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Wie zählt man Anschläge incl. Leerzeichen?
Im Word-Dokument ist unter "Extras" die Funktion "Wörter zählen".

Mittwoch, 23. April 2008

Wortspiele

Vorgestern im Berliner Cinéma Paris, der Film "Der Fliegende Händler" von Eric Guirado hat Premiere.

Im Film geht es um den Sohn eines Lebensmittelladenbesitzers (so heißt der Streifen auch auf Französisch "l
e fils de l'épicier"), der nach Jahren des Alleinlebens in der Großstadt in sein Elternhaus zurückkehrt. Der Vater ist lebensbedrohlich erkrankt, und der Sohn fährt nun an seiner statt in Südfrankreich mit dem zum Geschäft ausgebauten Kleinlaster über Land. Magasin ambulant nennen derlei die Franzosen, ein Vor-Ort-Handel, der nur auf Deutsch ein wenig nach dem Krankenhaus riecht (stationär oder ambulant?), in dem des Protagonisten Vater liegt.

"Der fliegende Händler" ist der deutsche Filmtitel - und der Leiter der Kulturabteillung der französischen Botschaft erzählt bei seiner Eröffnungsrede davon, dass er die Übersetzung seiner Rede eben erst im Taxi gelesen hätte und lachen musste: "Meine Übersetzerin hat "Der fliegende Holländer" daraus gemacht. Da erst habe ich gemerkt, dass es da ein Spielwort gibt!"

Spielwort? Das Französische geht "andersrum" als das Deutsche, das "jeu de mots" ist zunächst ein Spiel, dann kommt das erklärende "Wort" - also ein Wortspiel. Schön.


Ab dem 24. April im deutschen Kino. Plakate: Arsenal Film / Les films du Losange

Dienstag, 22. April 2008

Interview dolmetschen

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Hier schreibe ich über meinen Berufsalltag. Ich arbeite mit Sprachen.

Beim Dolmetschen von Interviews gibt es so viele "Versuchsanordnungen", dass kaum ein Einsatz dem anderen gleicht.

Ist ein richtiges Gespräch zwischen Interviewtem und Fragendem gewünscht, dol­met­sche ich simultan. Dazu sitze ich im Nebenraum und habe das Kamerabild auf dem Monitor. Wenn nichts danebengeht wie einst beim Interview mit Uli Wickert, das ein Team aus Frankreich drehte: Das Design-Hotel am Berliner Gen­dar­men­markt, das die Produktions­fir­ma ausgesucht hatte, war akustisch eine Katastrophe, also fand ich mich auf dem Hotelflur wieder und sah nur die Hotelgäste und die Putzfrauen, die an mir vorbeiliefen.

Bei den Kollegen aus Kanada saßen wir hintereinander wie im Bus — und ich über­trug alles konsekutiv, also in die Sprechpausen hinein, unterstützt von No­ti­zen. Hier hatten wir großes Glück, denn trotz Berlinmarathon und langem Zögern der Gesprächspartner war es möglich, eine verbindliche At­mos­phä­re auf­zu­bau­en, die dann neue Erkenntnisse und Einblicke brachte. Im Vorfeld hatte ich zusammen mit einer Kollegin viel recherchiert.

Auf eine Dachpfanne gemalter Kutter
An der Wanderdüne
Für den Berliner Kollegen Achim Tschirner habe ich schon auf einem Kutter Int­er­views geführt und gedolmetscht. Wir wa­ren für Arte mit Austernfischern in der Bucht von Ar­ca­chon unterwegs, ich hatte auch mit recherchiert und konnte mich dank der Ar­beit auf dem schlingernden Gefährt in der Mini-Führerkabine gut ablenken. Besser so als anders, mir wird nämlich auf See sonst übel. Den Besuch der Austernbänke empfand ich indes wie einen Spa­zier­gang. Die Dreharbeiten waren für den Film "Giftige Schiffe", ein Umwelt­thema über Anstrichfarben von Schimpfsrümpfen, die wie Hormone gewirkt haben und einige Jahre lang die Austern verdorben haben.

Anspruchsvoll ging es auch beim Interview im Bordell und im Folterkeller zu, wir haben fürs kanadische Fernsehen über das Prostitutionsgesetz gearbeitet. Of­fen­ge­stan­den waren mir auf dieser Drehreise am Ende die WM-Fußballfans doch lie­ber.

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Foto: C.E.

Montag, 21. April 2008

Dolmetscher in den Medien

Heute steht ein Beitrag über den Dolmetscherberuf in der Süddeutschen Zeitung.

Unter der Überschrift "Wie werde ich...? | Dolmetscher" werden kurz die Ausbildungswege und die Arbeitssituation geschildert. Interessant, was eine Kollegin berichtete, die fürs europäische Parlament arbeitet:

«In Brüssel erfahren wir oft erst am Tag vorher, bei welcher Sitzung wir dolmetschen müssen.»
Für die Einarbeitung in neue Themenfelder bleibt dann nicht viel Zeit, weshalb wir Dolmetscher in unseren Fachgebieten auch ohne Aufträge regelmäßig lesen und an Terminologielisten arbeiten müssen.

Dolmetschen beim Festival - schwierige Klienten

Noch eine Nachlese ...

Berlinale, vor einigen Jahren. Die Pressekonferenz mit Claude Chabrol im Grand Hyatt geht gerade zuende. Ich bin für die press junkets mit Chabrol gebucht, fange erst später an, der Besuch der Pressekonferenz ist Teil meiner Vorbereitung. So stehe ich, als sich die Veranstaltung auflöst, im Gang, der hinter den Dolmetscherkabinen entlangführt und der uns erlaubt, an der Menge vorbei einen Schleichweg durch die Nebentür zu nehmen. Hier warte ich auf meine Kollegin Helen, die gerade ins Englische gearbeitet hat und ihre Sachen zusammenpackt. Wir wollen Essen gehen.

Da springt die eine der anderen Sprachen-Kolleginnen japsend aus der Kabine und ruft: "Mann, ist der schwer zu übersetzen, der ist ja so filmtechnisch, und dann ist er auch noch intelligent und hat Humor - das sind wirklich die Schlimmsten!" (Helen und ich freuen uns noch beim Essen darüber, wir mögen halt die Anspruchsvollen, Intelligenten, Humorvollen ....)

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Bild: Berlinale

Samstag, 19. April 2008

Dolmetscher beim Film

Bonjour! Sie lesen hier Artikel eines digitalen Bordbuchs. Die Texte entstehen in Dolmetscherkabinen und am Übersetzerschreibtisch. Meine Arbeitssprachen sind Französisch und Deutsch, daneben übersetze und dolmetsche ich mit Englisch als Ausgangssprache.

Die größte Empfehlung lese ich aus den Zeilen einer Regisseurin, die sich für meine Arbeit als Rechercheurin und vor allem als Set-Dolmetscherin bedankt. Ihr Dankesbrief fällt mir eben beim Aufräumen wieder in die Hand:
"Vorher konnte ich mir kaum vorstellen, wie ich mit Schauspielern arbeiten soll, die ich nicht verstehe. Aber schon bei den Proben war das vergessen. (...) Durch Deine wache Präsenz, Dein schnelles Reagieren und Dein Mitdenken — oft sogar "Vorausdenken" — hatte ich oft den Eindruck, als würden die Schauspieler und ich dieselbe Sprache sprechen. Vieles wurde leichter und genauer durch die Notwendigkeit, knapp und klar argumentieren zu müssen. (...) Wie Du blitzschnell selbst Blöde­leien und Witze übersetzt, ist für mich heute noch ein Rätsel. Vielen, vielen Dank."
Meine Erinnerung an den Dreh ist die: Wir liegen im Spätsommer auf dem Boden in einem Villengarten. Laut Drehbuch sind wir eine zur Geisel genommene Geburts­tagsgesellschaft, und die Set-Dolmetscherin wurde auch in festliche Garderobe gesteckt und durfte mitspielen. Jetzt dreht angeblich der Polizei-Heli über uns seine Kreise. Den Nachmittag werde ich in der Hotelsauna verbringen ...

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Illustration: privat

Freitag, 18. April 2008

Drehbuchübersetzung: Preis pro Seite

Hallo beim ersten deut­schen Web­log aus dem In­ne­ren der Dol­met­sche­r­ka­bin­e. Ich bin in Ber­­lin, Mün­chen, Pa­ris und dort tätig, wo ich ge­braucht werde. Im Blog denke ich fast täglich über meinen Alltag nach und über die Grundlagen dieser Spracharbeit.

Derzeit erhalte ich oft Anfragen, wie viel denn die Übersetzung einer durch­schnitt­­li­chen Drehbuchseite kosten würde.

Glasschreibtisch mit Sonne darauf. Laptop, Kalender, Teekanne, Stifte, Notizzettel, angeschnitten Wörterbücher, NotizbuchDurchschnitte sind ja schon mal so eine Sache. Jedes Drehbuch hat natürlich eine eigene Spra­che, ist anders schwierig oder leicht, macht Recherchen nötig, die auf­wändig sind — mal weniger, mal mehr. Ich habe kurz die letzten drei Dreh­bücher geprüft und versucht, die durchschnittliche Anschlags- bzw. Wortzahl zu ermitteln, denn daraus errechnet sich der Preis. Und ich kam bei einem durchschnittlich schwer zu übersetzenden Buch auf einen Seiten­preis von 25-30 Euro pro Seite für die Erst­übersetzung.

Ist das jetzt viel oder wenig? Ich finde, es ist dem Aufwand angemessen.

Meine Übersetzungen entstehen langsam: Erstfassung, Schleifen, Lektorat, Ein­arbeiten der meisten Än­derungs­vor­schläge (die Korrektorin liegt sehr oft richtig) ... und dann nochmal Schleifen, wobei ich am Ende das Buch wiederholt laut lese. Dem Text soll am Ende nicht anzumerken sein, dass er übersetzt worden ist.

Und das gelingt mir auch. Regelmäßig erhalte ich gutes feed back in diese Rich­tung. Mehr noch, eventuelle noch sichtbare "Nähte" von den Über­ar­beitungs­phasen in der Originalverstion muss ich ja in der Übersetzung nicht kenntlich machen. Und da ich selbst schreibe, der Blog ist nur eine Fingerübung, fällt es mir leicht, den "Sound" des/der fran­zö­sis­chen Erstautoren zu imitieren.

Noch ein Tipp für alle, die Filmfinanzierungen planen: Ins Budget sollten sinn­vol­lerweise die Kosten für mehrere Fassungen eingestellt werden sowie für 'letters of intent' bzw. ausführliche Beschreibungen der Figuren.

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Mehr zum Thema Drehbuchübersetzung hier.

Falsche Sprache

Gestern, auf dem 24. Mediengipfel der Region im Kino International: ein junger Filmemacher fragt mich, wie denn das ginge, Simultandolmetschen. Und weil ich nicht lange nach Worten suchen mag, zumindest nicht nach meinen, suche ich kurz nach dem "Schalter", lege ihn um und wiederhole nun alles, was er sagt, auf Französisch. Das Gelächter ist groß. Ob ich denn auch auf Französisch träumen würde, will er wenig später wissen - dis, est-ce que tu fais tes rêves en français ou en allemand ?

Als ich Kind war, es wird kurz vor der Einschulung gewesen sein, da fragte mich mein Vater eines Abends beim Gutenachtkuss, ob ich denn in Farbe oder in Schwarz-weiß träumen würde. Wir hatten gerade unseren ersten Fernseher bekommen - ein Schwarz-weiß-Gerät. Vor lauter "Hinsehen" bekam ich prompt Mühe mit dem Einschlafen ...

Heute Morgen wache ich auf, weil meine Freundin Sandra mich im Traum gebeten hat, ihr den Strampler für ihre kleine Tochter rüberzureichen. Solche Träume sind nichts Besonderes, nur eins war anders, und davon bin ich dann aufgewacht: Sandra fragte mich nicht auf Deutsch, was unsere gemeinsame Sprache ist, nicht auf Englisch, was sie mit ihrem Freund spricht, sondern auf Französisch. Das sprechen wir doch nie miteinander!
 


Kurz: Normalität ist immer eine Frage des Standpunkts.

Donnerstag, 17. April 2008

Sprache abhören

Was hat der Donaudampschifffahrskapitänshosenknopf mit einem verlorenen (oder nur vergessenen?) Schlüssel zu tun?

Heute Mittag hocken plötzlich zwei Mädchen in der Eingangshalle. Draußen mochten sie wohl nicht sein, denn das nette Frühjahrswetter heißt heuer: Dauerregen. Mich fröstelt, als ich die beiden in der Halle sehe. Die ist zwar schön, weil recht original jugendstilig, aber derlei wird die Pre-Teens nicht begeistern. Schule fiel aus, weil in Berlin noch immer Lehrer fehlen (bzw. nicht eingestellt werden) und nun sitzen die kleinen Damen schlüssellos auf dem nackten Fliesenboden.

Ich lade die Nachbarstöchter, die ich seit Jahren kenne, mal wieder auf einen heißen Menthe-réglisse-Tee in meine kleine, gut geheizte Küche ein (wir hatten das schon mal). Weil ich mit Sprache arbeite, kommen wir darauf, dass man auch mit Sprache spielen kann.

Also bauen wir Wortungetüme: Hofpausenbutterbrotwegschemeißer oder Matheklassenarbeitenabguckverhinderer oder Autobahnrasttättenklopapiermangel. Mir fällt dann der Postwertzeichenpreistabellenaushang und die Vorratsdatenspeicherung ein, aber der Nachwuchs versteht nur Bahnhof.

Wir variieren: Jetzt geht es im Spiel darum, Worte zu finden, zu denen es nicht eine einzige Nennung bei Google gibt, also Worte, die die bekannteste Suchmaschine ganz und gar nicht kennt, wie einst mein Sprachgestöber oder halskratzbürstig. Die Mädchen kommen auf: Spielwarze, Kinderweißwein, Wohnmusik und Weghaufen.

Entgegen unserer Vermutungen finden wir aber im Netz den Astlöffel (passend zur Astgabel), den Spinnenarzt (Schwester, das Stethoskop, bitte!), die Sandbrücke (auf oder aus Sand gebaut?) - und selbst den Fingerschuh gibt's als Eintrag.

Wir fanden nicht (meine Vorschläge): Sektreden, Frühstücksdonner, Vergessensseminar, schulverloren.

Die Mädchen machten viel mehr Vorschläge als ich. Schön, zusammen mit ihnen das Ohr an die Brust der Sprache zu legen und genau hinzuhören. Analog zum Warmduscher fiel mir am Ende nur noch das Wortungetüm Ganzjahreswärmflaschenbenutzerin ein. Die ist aber wieder eine Art "Donaudampfschifffahrts...."

Uns Erwachsenen mangelt es eben doch mitunter an Phantasie.

Mittwoch, 16. April 2008

Weblog-Aufgabe

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes Blogs. Ich ar­bei­te mit Spra­che und be­rich­te hier über den Alltag aus uns Dol­met­scher- und Über­setzersicht.

Was ein echter Weblog ist, der hat auch mal charmant-nebensächliches Parlando zu bieten wie die Aufgabe, die meine Textkollegin Jule von ihrer Schwester Antje und die wiederum von Britta zugeschickt bekam. Liebe Jule, Kettenbriefe mag ich auch nicht, aber so schön zeitversetzt und ohne direkte Aufforderung lasse ich mir das Spiel gefallen. Ich schlage also auch ein in meiner Nähe liegendes Buch mit mindestens 123 Seiten auf Seite 123 auf, schreibe die Sätze 5-7 dieser Seite ab und fordere ebensowenig wie Du keine fünf nichtsahnenden Seelen auf, es mir nach­zu­tun.
Je t'avais dit de ne pas l'acheter, cent francs pour un cheval à moitié mort, vous n'en ferez jamais d'autre, feignant, t'es qu'un feignant.
- Merde, dit le garçon, merde et merde, il y a encore la carriole, je m'en fous, je laisse tout tomber, pour ce que ça rapporte. D'abord je fous le camp, tu feras ce que tu voudras.
Aus dem "cahier rose marbré" (dem rosa marmorierten Heft) der Kriegstagebücher von Marguerite Duras, Ausgabe 2006 bei Folio.

Der Vorteil dieser Aufgabenerfüllung ist, dass dieser Weblog nunmehr ein echtes "gros mot" (der klassische Begriff dafür lautet wohl 'Kraftausdruck') aufweist, ohne, dass ich mir damit die Finger schmutzig gemacht hätte.

Und weil alles mit allem zusammenhängt, siehe gestern, hier auch gleich noch die Dolmetscheranekdote zum Stichwort.

Es war einmal eine Studierendengruppe, wie das auf Neudeutsch heißt, die be­geister­te sich für Marguerite Duras. Veranstaltete nach einem langen Uniseminar eine Filmreihe mit Diskussionrunden und Gästen dazu. Und ihre Filmdozentin, im Zweiberuf Dolmetscherin, fand sich gaaanz vorne am Pult wieder, moderierte und dolmetschte die Eröffnung. Die Festrede hielt ein bekannter Festivalmacher, der einstmals über die Grande Dame zwischen Literatur und Film promoviert hatte. Erklärte, warum er dadurch zu ihr auf Distanz gegangen war. Er sprach hart in der Sache, gut im Stil, klar und nachvollziehbar, kurz: er vertrat eine starke Position.

Mit im Raum saß der letzte Lebensgefährte der Dame. Der dann in der Erwiderung den Redner direkt ansprach. Und der am Ende seiner Ausführungen das 'gros mot' sagte:
... vous n'avez rien compris, Monsieur, vous êtes un con !
Cieslak/Beigel [Hrsg], Marguerite Duras : l'existence passionnée, Philosophische Fakultät Potsdam, 2005Die Dolmetscherin, die daneben stand, blickte in entsetzte Gesichter. Die Leiterin der deutsch-französischen Universität war ebenso mit von der Partie wie der Leiter des medienwissenschaftlichen Instituts der Hochschule und andere Persönlichkeiten. "Was nun?", schoss es ihr durch den Kopf, "in dieser Härte übersetzt könnte die ganze Veranstaltung gleich bei ihrer Eröffnung gesprengt werden!" Denn es sollten noch drei Tage Colloquium mit den Studentinnen und Studenten folgen. Auf der anderen Seite waren lauter Menschen im Raum, die aus Gründen der Genauigkeit Fußnoten verfassen oder erläuternde Anstreichungen in Haus­ar­bei­ten.

Was ihr sonst noch durch den Kopf ging, weiß die Dolmetscherin heute nicht mehr. Sie machte schlicht ein: "Mir scheint, Sie haben nichts verstanden — und mit Ver­laub, Sie sind ein Arschloch!" draus, letzteres eher apostrophiert und leise ge­spro­chen, was dem Kraftausdruck außerdem noch von seiner Wucht nahm. Diese dop­pel­te Distanznahme und die dritte, weil die Worte ja aus dem Mund der Dol­met­scher­in kamen, der Angriff also indirekt gespielt wurde, hatten genau das Be­ab­sich­tig­te zur Folge: Es war alles gesagt und die Veranstaltung hat es nicht ge­sprengt.

Ich bin noch heute so erschrocken, dass ich hier von mir nur in der dritten Person Singular berichten kann. Und froh, dass ich mit dieser kleinen Weblog-Aufgabe auch noch ein zweites Schimpfwort in das virtuelle Arbeitstagebuch ge­schmug­gelt habe.


Danke, Jule, Antje und Britta :-)
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Bild: Tagungsband, in dem das Zitat
entschärft wurde.

Dienstag, 15. April 2008

Beglückende Leere im Kopf

Nach dem Dolmetscheinsatz bin ich oft ein einem flow (Tätigkeitsrausch oder Funktionslust auf Deutsch). Der geht meist schon während der Arbeit los - die Worte fließen fast von allein, die Barrieren zwischen meinen beiden Hauptsprachen sind herabgesetzt, ich sehe Verbindungen zwischen ihnen und habe Erkenntnisse über Worte, die mir neu sind. Zum Beispiel "Kulissentisch" - das kommt von table coulissante, das wiederum von couler - fließen, rollen, versinken. Die gläsernen Auszugsplatten (les rallonges) gleiten nach außen, oder aber sie werden unter die Hauptplatte versenkt. Ich spüre geradezu physisch die Bewegungen im Raum, auch die der Kulisse auf dem Theater.

Französisch, Deutsch, die Sprache der Dinge, zum Teil auch Englisch, alles das fühlt sich im flow an wie die Dialekte ein- und desselben großen Sprachgebildes.

Alles hängt mit allem zusammen, ist benennbar, diese Benennbarkeit gibt Sicherheit. Aber ich muss es auch nicht benennen, es reicht mir, dass ich weiß, ich könnte den Forsythien-Strauch in drei Sprachen ansprechen (selbst, wenn es genanntem Zierstrauch sicher piepschnurz ist, in welcher Sprache ich ihn und sein strahlendes Gelb begrüßen würde).

Und nach der Arbeit beglückende Leere im Kopf.

Montag, 14. April 2008

Einsilbig: Die Not der Dolmetscher

Journalisten und Moderatoren lernen in der Ausbildung, dass eine Frage nie länger als 30 Sekunden dauern soll. In ihr soll Respekt für das Gegenüber zum Ausdruck kommen, echtes Interesse, außerdem ein Stil des Fragenden, der Sorgfalt in der Arbeit und Freundlichkeit ausstrahlt, kurz: alles, was ein Gegenüber darauf schließen lässt, es mit einer kultivierten Persönlichkeit zu tun zu haben, die auch dann die Privatsphäre respektiert, sollte im Eifer des Gefechts ein Satz zu viel fallen.

Interviewte haben sich innerlich auf das Gespräch vorbereitet, ihnen sind vielleicht schon Fragen und Gedanken im Kopf rumgesprungen, sie sind um ihr Bild besorgt, das sie hinterlassen werden, und dennoch, sie sagen ja zum Interview und möchten Auskunft erteilen.

Bis hierhin nur Binsen. Und doch kam es zu folgenden Ereignissen:

Eine europäische Hauptstadt, wir befinden uns im Kino einer Kinemathek. Der Moderator begrüßt Gast und Publikum, äußert Freude über den Filmemacher an seiner Seite, erläutert die Einladung, bahnt eine Frage an, stellt sie.

Der Gast schweigt. Sagt nach einer Pause: Ja./Nein./Vielleicht. (Genau erinnere ich mich nicht mehr, aber es war nur ein Wort.)

Der Moderator fragt noch einmal. Antwort: Kann sein.

Die Dolmetscherin (ich) hat das Gefühl, als einzige nervös zu werden, als das Spiel wieder losgeht: Frage, darauf eine Silbe Antwort oder zwei.

Das Gespräch wurde zur Beruhigung aller abgebrochen, es war zu quälend, der vorausgegangene Film ließ dennoch viele Fragen offen.

Ortswechsel, wieder eine Hauptstadt: Wir interviewen eine Grande Dame des Fotojournalismus. Das Interview ist für Arte, der Interviewer ein aufstrebender Universtitätsangehöriger. Er hat Karteikarten vorbereitet, die er nun abliest, ohne sein Gegenüber zwischendurch anzusehen: "Sie waren dann und dann dort und dort und sahen/sprachen/erlebten ... Woran erinnern Sie sich noch?" (Ich fühl' mich wie im falschen TV-Programm und muss an "This is your life" denken.)

"A pas grand chose !" lautet die Antwort, an nicht viel. Die Fragen hatten ja alles schon gesagt, die akademische Faktenreihung war so voller Distanz und übervoll an Stichworten, dafür zu leer an erkennbarem menschlichem Interesse, so dass auch hier das große Schweigen einsetzte.

Auch hier war meine Not als Dolmetscherin und Regieassistentin mindestens ebenso groß wie die des Fragenden und des Befragten. Derlei kann dem passieren, der es zu gut meint und mangelnde Berufserfahrung durch Fleiß kompensiert.

Beim Fernsehinterview konnte meine Vorbildung die Situation ein wenig retten. Als Journalistin (in einem früheren Arbeitsleben) hatte ich schon einmal diese Berühmtheit portraitiert, und was vor dem Mittagessen nicht in den Kasten kam, wurde eben nach dem Mittagessen aufgezeichnet.

Freitag, 11. April 2008

Freie Sicht

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin: Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Die Einsätze sind nur die jeweilige Spitze des Wis­sens­eis­bergs. Die Haupt­arbeit ge­schieht in Vor- und Nach­be­rei­tung. Und die technischen Gegebenheiten müssen wir auch im Auge behalten.

B
erlin, in einem historischen Gebäude, das zum Luxus­hotel um­ge­baut wurde: Nach der Pause soll der zweite Teil eines Kon­gres­ses be­gin­nen. Wir kehren gleich zurück in den schönen Saal, in dessen Mit­t­e an der Sei­te die Dol­metscher­ka­bine aufgebaut wurde. Sie ragt leicht schräg in den Raum, wir sehen das Podium, viel vom Pub­li­kum — und das zweite Saal­mi­krophon für Fragen und Bei­trä­ge aus dem Saal steht seit­lich neben un­se­rer Box. So macht es nichts, dass wir die letzten Stuhl­reihen für die Zu­schau­er nicht sehen können.

Zum Nachmittag ist eine zweite Fremd­sprache bestellt, zwei wei­te­­re Kollegen werden in an einen Tisch im Neben­raum gesetzt und sollen das Bild per Monitor erhalten. Die Veran­staltung ändert sich auch for­mal: waren es am Mor­gen vor allem Vorträge, kommt jetzt gefilm­tes Material hinzu (das zweite Team hat vorab die Filme sich­ten können).

Die Kongress tagte wie gesagt einen Vor­mit­tag lang, dann bekommt er Hunger. Und während des Essens be­ginnt das Unge­mach: Auf dass das Film­ma­terial besser zur Gel­tung komme, entscheidet der Veran­stalter in der Mittags­pause ad hoc, die Sitz­ord­nung um 45 Grad drehen zu lassen, um die Wand der Längsseite mit Bewegt­bild bespielen zu können. Nach dem Mit­tag­essen findet also das Pub­li­kum die mit flin­ker Hand vom Hotel­personal umgestell­ten Stühle wieder vor und ist gar nicht amü­siert, denn hier "wan­der­ten" die ei­ge­nen Unterlagen, dort Notizen oder sogar der Schal gegen den Wind der Klima­anlage "eine Sitz­reihe weiter".

Wir sind auch nicht amused, zum Glück sind wir mit viel Zeitvorlauf aus der Pause zurückgekehrt, um uns ein­zu­lesen. Aber dazu kommen wir leider nicht. Denn, Überraschung!, dort­hin, wo jetzt das Red­nerpult hin umge­zogen wurde (und für die Kon­fe­renz­tech­nik fest mit den Lei­tun­gen im Boden ver­bunden, die Hotels haben meist mehrere, ins Parkett integrierte Optionen), dürfte es für uns nicht stehen: Genau in der Sicht­achse zwischen Pult und uns befindet sich eine Säule. Dafür sehen wir jetzt das ganze Pub­likum, aus­nahms­los, von hinten.

Der Raum ist ein klarer Fall und Beweis dafür, dass Prio­ri­täten bewusst bedacht werden sollten: In diesem Raum müssen bei der Planung von Ver­an­stal­tungen erst Sitzordnung und der Stand­ort des Rednerpults festgelegt werden und dann erst wird die Dol­met­scher­ka­bine auf­ge­stellt. Das war genauso geschehen — und bei der Änderung vergessen worden.

Als wir bei der Tagungsleitung ankom­men, um die Säule vorm Kopf zu melden, ist schon ein an­derer vor Ort: Der Ton­tech­niker. Er braucht Zeit, um die Saalmikros wieder einzurichten, denn ein Kabel­scha­den ist zu vermelden, da wird wohl je­mand ge­stol­pert sein. Auch er war nicht vorher in­for­miert worden. Dann kommen die Kol­le­gen aus der "Kabine", die in einem Ne­ben­raum untergebracht sind, und bekla­gen, dass sie zwar einen Mo­ni­tor hätten, das Redner­pult aber völlig im Dun­keln läge und somit der Teil der Informationen, die vom Mund abgelesen wird, so nicht bei ihnen an­kom­men werden wird.

Der Kongress tagt jetzt nicht mehr, er geht auf kleine "große Fahrt". Denn zum Glück ist der Bus­fah­rer er­reich­bar, die Stadtbesichtigung per Reisebus wird vor­ge­zogen, und Techniker und Stühler­ücker dürfen währenddessen noch einmal Hand anlegen.
 

Donnerstag, 10. April 2008

Filmdialoge

Übers Filmübersetzen, zehnter Teil (oder ist es nur der gefühlte 10. Teil?)
Ich hab nicht mitgezählt.

Akkurat arbeiten müssen wir Dolmetscher und Übersetzer immer. Beim Film ist es besonders wichtig, denn jeder auch noch so kleine Fehler ist noch Jahre und Jahrzehnte später hör- oder sichtbar (wenn das Ergebnis Untertitel sind). Eine weitere Übersetzart ist die des Abhörens von Filmen mit anschließender Übertragung. Der DVD-Markt boomt, es gibt neue Filme, aber auch mancher Bestand aus dem Katalog wird neu untertitelt oder neu synchronisiert, zum Beispiel Filmklassiker, die nach Sprache und Studioton vergangener Jahrzehnte klingen. Mitunter hängt es auch an einem Lizenzproblem: da ist ein Film verfügbar, nur die Rechte an der Sprachenfassung sind nicht klärbar. Oder aber es kehrt ein Team mit gedrehtem Material zurück, rushes auf Englisch, die Franzosen verwenden den Begriff auch, und vor dem Schnitt wird erst einmal genau überprüft, was vorhanden ist.

Und wieder ist das Gehör die halbe Miete. Für zehn Minuten Film abhören und schreiben rechnen wir durchschnittlich eine Stunde, wenn es sich zum Beispiel um Interviewmaterial handelt. Spielfilme sind immer anders, sie können mal wortkarg, mal verplaudert sein. Zwischen den bereits früher zitierten Filmbeispielen "In den Tag hinein" von Maria Späth und "L'anglaise et le duc" (Die Lady und der Herzog) von Eric Rohmer liegen Welten. Etwa 180 Untertitelder hat eine, mehr als 1200 wären es für den anderen geworden (weshalb ich den Film nur eingesprochen oder synchronisiert kenne).

Erst im zweiten Schritt kommt die eigentliche Übersetzerarbeit ...

Letztens bekam ich einen Film auf den Tisch, wo die Dialoge der Hauptrollen alle im mitgelieferten Script standen, aber Hintergrunddialoge und Massenszenen waren zu bearbeiten. In die DVD war ein timecode eingeblendet (abgekürzt TC, früher hörte man auch den Begriff Zeitstempel), durch den jedes Einzelbild seine eigene fortlaufende Nummer erhält. Das Drehbuchtranskript wies sie auch auf, so dass hier 'nur' eine Art Lückentext auszufüllen war.

Da derlei Arbeiten (im eigenen wissenschaftlichen Auftrag) jetzt öfter kommen werden, kaufe ich gerade Technik, die aus der sozialwissenschaftlichen Forschung stammt. Da spiele ich das Ton-/Bilddokument in ein Programm ein, verbandele ein Fußpedal mit dem Rechner und kann dann mit dem Fuß vor- und zurückspulen. Das sieht dann ungefähr so aus:

 .oder so:

Das ist wieder mal ein nettes Beispiel für geschlechtsspezifisches Zielgruppenmarketing, oder?

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Pedale von www.pedalpeddler.com

Mittwoch, 9. April 2008

Übersetzernormzeile

Hier be­grüßt Sie ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin, auf de­ren Sei­te Sie ge­­plant oder zu­­fäl­­lig ge­lan­det sind. Ob in Berlin, Paris, Schwerin oder Lille, ich mache überall das Glei­che: Ich dolmetsche und übersetze. Dabei sind Französisch oder Englisch die Aus­gangs­spra­chen, Deutsch oder Französisch die Zielsprachen.  

Filmtexte übersetzen — das können auch Kommentartexte und Interviews sein, die in Reportagen und Dokumentarfilmen vorkommen. Auch hier gilt es, mit dem Ohr zu übersetzen, also sprechend. Und für zeitlich begrenzte Filmzeit, daher ist oft ein weiterer Übersetzervorgang nötig zur Kondensierung des Texts bzw. Kürzen für die Zeit, die zum Sprechen überhaupt vorhanden ist, und das bei möglichst gleich­blei­ben­der Inhaltsfülle. Das macht mehr Arbeit, selbst, wenn am Ende das Ergebnis 'schlanker' ist. Um die Arbeit gerecht abzurechnen, gibt es den Zeilenpreis und die Normzeile.

Tastatur und HandIn allen Kostenvoranschlägen und Rechnungen kommt das Wort "Übersetzernormzeile" vor. Sie errechnet sich aus­ge­hend von der Gesamtheit der Anschläge (in­klu­si­ve Leer­zei­chen) des Textes geteilt durch 55 Anschläge inklusive Leer­zeich­en (sonst in Manuskripten üblich: 60 Anschläge). Die­se Zahl kommt daher, dass man einstmals, vor der au­to­ma­ti­schen Wortzählfunktion, jede an­ge­fan­ge­ne Zei­le neu be­rech­net hat, was sich je nach Textform mal zu­un­guns­ten des Auftraggebers, mal zuungusten des Über­set­zers aus­ge­wirkt hat. Daher wird jetzt die verkürzte "Normzeile" be­re­chnet.

Sich wiederholende Namen und Ortsangaben zählen mit, da die Textvolage als Lay­out­sche­ma zu berücksichtigen ist, was Mehraufwand schafft, weil wir in der Regel nicht ohne Umformatierungen mit einer unterstützenden Übersetzersoftware ar­bei­ten kön­nen (die ist u.a. fürs Schleifen = Lektorat wichtig).

Daraus ergibt sich:

X Anschläge dividiert durch 55 Anschläge x XYZ Euro = Zwischensumme in Euro vor Steuern.

Natürlich brauchen wir bei Übersetzungen fertiger Filme zum Text auch noch das bewegte Bild, gern auch in einem nicht so hochauflösenden Stream, um etwaige Doppeldeutigkeiten zu vermeiden.

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Foto: C.E.

Sonntag, 6. April 2008

Drehbuch übersetzen

Letzten Freitagabend, kleine Teambesprechung am Telefon. In den letzten Wochen haben wir ein Drehbuch übersetzt. Alexandra und ich waren im Team beschäftigt. Jede hat ihre Stärken. Alexandra kommt mehr aus der Literatur, ich aus dem Hörfunk. "Mit den Ohren schreiben" hatte man mir in meiner Ausbildung gepredigt, den Ausdruck wiederhole ich heute gern. Denn der Zuhörer oder -seher kann ja nicht zurückblättern, es muss sitzen und passen, ohne angestrengt zu wirken. So ist mein Schwerpunkt die gesprochene Sprache sowie alles Filmtechnische. Wir arbeiten jede für sich, schicken dann Fassungen hin und her, am Ende lektoriert Céline.

Wir sind seit etwa der vierten Fassung an der Übertragung beschäftigt, jetzt müsste es die siebente sein. Die Arbeit geht seit letztem Sommer, dann kamen die ersten Änderungen im Herbst, der Winter war durch die Fortentwicklung der Protagonistin gekennzeichnet.

Jetzt im Frühjahr, wenige Wochen vor Drehbeginn, waren die zweite Hauptfigur sowie die Nebenrollen "dran". Unter dem Strich wurde so viel geändert, dass es mengenmäßig fast zwei Übersetzungen waren (was sich natürlich im Preis niederschlug. Zur Info: Je nach Schwierigkeitsgrad und Länge kostet eine Drehbuchübersetzung ca. zwischen 3 und 5 Tausend Euro).

Alexandra reflektiert das knappe mit dem Buch verbrachte Jahr (natürlich haben wir zwischendurch viele andere Aufgaben erledigt). Alexandra: "Wir haben gesehen, wie sich das Drehbuch entwickelt hat, es wurde spannender, die Figuren und der Konflikt sind jetzt klarer herausgearbeitet. Und beim Dialoge lesen und übersetzen habe ich nach einiger Zeit gemerkt, dass ich laut lesen und mir zuhören muss um festzustellen, ob es stimmig klingt."

Ja, das war damals gemeint mit dem Satz: "Mit den Ohren schreiben ..."

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Etwas über Preise lesen Sie hier.

Donnerstag, 3. April 2008

Franzosenarm

Die Vokabel "Wortschatz" heißt so, weil Worte einen Schatz darstellen. Jedes einzelne ist wertvoll, und in ihrer Gesamtheit sind sie es noch viel mehr.

Mein Dolmetscher-Wortschatz ist Teil der Grundlage unseres wirtschaftlichen Handelns. Ich sammle Vokabeln wie andere Leute Briefmarken, historische Schokoladenpapiere oder Stilmöbel - und ich habe viel Spaß daran zu sehen, wie die Vokabeln immer auch kleine Geschichten erzählen.

Nehmen wir die Fahne. Das, was in der Buchproduktion der Probedruck vor dem "Umbruch" ist, der dann in Korrektur geht, ist "bei Films" ein Gerät zur Veränderung und Abschirmung des Lichts.

Es handelt sich um ein mal größeres, mal kleines Ding aus Metall oder aber um einen Rahmen, der mit Molton (schwarzem filzartigem Baumwollstoff) oder einem das Licht filternden Gewebe bespannt wird und neben der Kamera bzw. unter Berücksichtung der Lichteffekte in Stellung gebracht wird. So wie rechts abgebildet sieht es ungefähr aus:

International heißt das Gerät "french flag", französische Flagge also. Das Adjektiv mag die Herkunft bezeichnen oder die vermeintliche Urheberschaft. In Spanien und auf Kuba sehen die Filmemacher das ganz anders: der Begriff "bandera italiana" spricht seine eigene Sprache.

Auf Deutsch ist der Fachterminus in seiner voller Länge eindeutig von Pragmatik geprägt: Die "Abdeckfahne". Nur die Bayern nennen das Gerät nach dem Ort, wo es (auch) sein kann, nämlich oben, ein "Dacherl", was bei internationalen Produktionen Schwierigkeiten geben kann. Could you please give me the dacherl ?!

In Ostdeutschland, in Sonderheit in den Babelsberger Filmstudios, gab es nach der Wende auch einen Regionalismus. Hier hatten die Knickarme dieser Teile, die mit Gelenkschrauben fixiert werden, einen eigenen Namen. Hintergrund: Es waren französische Teams, die in den 50er Jahren bei Koproduktionen mit der DEFA diese Hilfsmittel bekannt machten.

Das Wort, das in keinem Wörterbuch steht, und das, über Google gesucht, niemand zu kennen scheint, lautet: "Franzosenarm".
Ein Wortschätzchen also ...

Mittwoch, 2. April 2008

Dolmetscher und Weiterbildung im Alltag

Im Herbst darf ich wieder eine Fortbildung veranstalten. Ich freue mich darauf. Dabei kann ich über mein Arbeitsfeld referieren und praktische Übungen anbieten.

Aber ich muss vor überhöhten Hoffnungen warnen. Mancher Dolmetscher und Übersetzer könnte erwarten, nach einer eintägigen Fortbildung fit zu sein für den Arbeitsbereich "Film und Medien". Was ich mir in jahrelanger Arbeit bei Recherchen, Dreharbeiten und im Schnitt aneignete, kann ich natürlich nicht an einem Samstag vermitteln.

Aber ich kann Bewusstsein schärfen für ein spannendes Arbeitsfeld und für "Nebenbeilernen" - und wie man sich diese Vorgänge zunutze macht. Das meiste, was der Mensch lernt, nimmt er informell auf, also ungeplant und außerhalb einer als solcher erkennbaren Lernsituation mit Dozent/Lehrer und Schulraum, dennoch gibt es eine Art Bewusstsein über den Lernvorgang. Die Wissenschaft meint, dass der Mensch zu 70 % informell lernt. Daneben gibt es inzidentielles Lernen - hier ist Lernen auch nicht beabsichtigt und geschieht darüberhinaus unbewusst. Auch hierfür lassen sich in der Wissenschaft Zahlen finden - aber vermutlich ist derlei gar nicht pauschalisierbar, denn es geht ja als Kind mit Laufenlernen und Spracherwerb los, und hier schon machen sich individuelle und soziale Unterschiede bemerkbar, wirken Gene, Einfluss der Eltern, Anreize der Umwelt.

Situationen, die nicht als Lernsituationen geplant sind, begleiten uns durch den Alltag. Und den sollten wir zum Lernen nutzen. Mein kleiner Bruder kann alle Hauptstädte sämtlicher Staaten der Erde auswendig - in seiner Studenten-WG hing auf dem Klo eine entsprechende von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgebrachte Weltkarte.

Die Worte eines fremdsprachigen Werbeplakats - Milch, pasteurisiert, trinken, täglich, erhält gesund - konnte ich schon als Kind. Es war etwa von 1900, ein junges Mädchen war darauf abgebildet, das aus einer Schale trank, beobachtet von einer Katze. Das Plakat hing jahrelang in unserer Küche.

Es geht also um Begegnung mit dem Lernstoff im Alltag. Das Bewusstsein dafür vorausgesetzt, kann ich mir etliche Lernsituationen schaffen, in denen sich unbewusstes und bewusstes Lernen mischen, siehe die Weltkarte. Neue Vokabeln zum Beispiel schreibe ich auf Karten und lege sie immer für Tage ins Regal, an dem ich oft vorbeikomme. Dann schaue ich kurz drauf, und noch bevor sich mir der Sinn erschließt, bekommt das Wort einen vertrauten Klang. Der nächste Schritt ist es dann, den Sinn zu lernen und zu verfestigen.

Nächste Woche bin ich wieder in Frankreich, meine Kollegin wird das Büro weiterführen. Ich werde auf der MIP tätig sein, der weltgrößten Messe für audiovisuelle Programme. In Frankreich werde ich mir auch ein neues Plakat kaufen. Es ist nämlich höchste Zeit, dass ich nach Brot- und Käsesorten jetzt auch Fische und Kräuter einwandfrei lerne. Dazu gibt es spezielle Küchenplakate, die dem Prinzip dieser Bildzeile folgen:
Die Auswahl ist groß: Englische Interpunktion, Kräutertees, die 206 Knochen des menschlichen Körpers und was noch dran ist, Spezialitäten der Provence, die Entwicklung des Lebens auf der Erde, Fossilien für Spezialisten, Nudelformen und Salatbestandteile, oft sogar auf Französisch und Englisch, denn die Kundschaft sind meist Touristen. Dass ich inzwischen einige dieser Plakate habe und sie vor allem zum Lernen einsetze (also auch regelmäßig wechsele), war vom Hersteller nicht geplant. Sie sind auch übers Internet bestellbar, z.B. bei Allposters und bei Ebay. Plakate mit Abbildungen und deutscher Benennung fand ich leider nirgends. In Deutschland ist die Bundeszentrale für politische Bildung mit Ihren Plakaten zu Politik, Geografie und Wirtschaft über Schülerkreise hinaus bekannt.

Was ebenso ernst wie diese Lernplakate gemeint ist und genau deshalb schon wieder witzig, sind die didaktischen Plakate aus Indien und Mexiko, die der OK-Versand vertreibt. Früchte, Yoga, Tiere, "good habits" und "bad habits" - manches scheint direkt aus dem Klassenraum des letzten Jahrhunderts zu kommen und bringt mich zum Schmunzeln.

So macht lifelong learning Spaß ...
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Quellen der Abbildungen: OK-Versand, www.allposters.fr

Dienstag, 1. April 2008

Kein Aprilscherz: Datenschutz

Grundsätzliche Informationen zu Datenschutz, Verfahrensverzeichnis etc. können Sie unter "Impr./DSGVO" lesen.

Google bietet Nutzern von "Blogspot.com" an, später "Blogger", auf dem auch dieser Weblog veröffentlicht wird, einen Dienst namens "Analytics" zu verwenden. Hierüber werden Informationen über die Leser bereitgestellt, die diverse Blogs, darunter diesen hier, ansteuern. Wir haben Analytics bis zum 01.09.2008 genutzt und werden es voraussicht­lich ab Sommer 2018 erneut verwenden, um einen un­ge­fäh­ren Eindruck von den Lesern zu erhalten. Hier waren für mich nur In­for­ma­tio­nen über das Herkunfts­land der Surfer, ihre Sprache, technische Ausstattung usw. zu ersehen sowie die Verweil­dauer auf dem Weblog. Im Sommer 2018 werde ich alle Schritte zur Einbindung von Ana­ly­tics umsetzen, damit die wiederauf­zu­neh­mende Nutzung dem europäischen Datenschutzrecht entspricht. Bis dahin bleibt Analytics deaktiviert.

Eine Leserin oder ein Leser hatte uns vor Jahren auf Fragen des Datenschutzes hingewiesen. Nach eingehender Beschäftigung mit der Thematik hatten wir uns 2008, trotz der Zusage von Google, die Identität der IP-Adressen zu schützen, den Service von "Analytics" nicht mehr zu nutzen.

Für die Zeit bis zum 01.09.2008 gilt folgender Text, der von Google selbst stammt:

„Diese Website benutzt Google Analytics, einen Webanalysedienst der Google Inc. („Google“) Google Analytics verwendet sog. „Cookies“, Textdateien, die auf Ihrem Computer gespeichert werden und die eine Analyse der Be­nut­zung der Website durch Sie ermöglicht. Die durch den Cookie erzeugten In­for­ma­tio­nen über Ihre Benutzung diese Website (einschließlich Ihrer IP-Adresse) wird an einen Server von Google in den USA über­tra­gen und dort gespeichert. Google wird diese In­for­ma­tio­nen benutzen, um Ihre Nutzung der Website auszuwerten, um Reports über die Websiteaktivitäten für die Websitebetreiber zusammenzustellen und um weitere mit der Websitenutzung und der Internetnutzung verbundene Dienst­leis­tun­gen zu erbringen. Auch wird Google diese Informationen gegebenenfalls an Dritte übertragen, sofern dies gesetzlich vorgeschrieben oder soweit Dritte diese Daten im Auftrag von Google verarbeiten. Google wird in keinem Fall Ihre IP-Adresse mit anderen Daten der Google in Verbindung bringen. Sie können die In­stal­la­tion der Cookies durch eine entsprechende Einstellung Ihrer Browser Software verhindern; wir weisen Sie jedoch darauf hin, dass Sie in diesem Fall gegebenenfalls nicht sämtliche Funktionen dieser Website voll umfänglich nutzen können. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich mit der Bearbeitung der über Sie er­ho­be­nen Daten durch Google in der zuvor beschriebenen Art und Weise und zu dem zuvor benannten Zweck einverstanden."


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N.B.: Dieser Text stammt ursprünglich vom 01.09.2008 und wurde als verlinkbare Datei unter einem anderen Datum abgespeichert.

Mundart-Theater mit Dolmetschern

Die Fuldaer Zeitung berichtet heute über eine Mundart-Theatergruppe mit eigenen Dolmetschern. Die hessische Laienspielgruppe in Mackenzell bringt Stücke wie „De drai Buideonkel“ auf die Bühne. Das Problem: Die Sprachkenntnisse des Rhöner Platt sind auf dem Rückzug. Das trübt den Kunstgenuss erheblich, Theateraktivist Eugen Roth, im Hauptberuf Apotheker, sagt dazu laut Fuldaer Zeitung: „Immer mehr Gäste sitzen dann enttäuscht im Publikum, verpassen die Pointen und wissen nicht, warum der übrige Saal sich vor Lachen die Bäuche hält“.
So hat ein findiger Hörgeräte-Akustiker das Publikum mit Audio-Guides ausgestattet, über die das Publikum die hochdeutsche Fassung zu hören bekam. Mit diesen Geräten wandern sonst Touristen durch den Ort oder durch Ausstellungen, hier steht der Text von vorneherein fest, das Hörtempo ist unwichtig. Daraus ergibt sich das Problem auf dem Theater: Die Schauspieler spielen mal langsamer, mal schneller - und es gibt Spezialisten, die gern improvisieren.

Nun wurde weiter ausprobiert, man erfand den Dolmetscher neu. So werden ab der nächsten Theatersaison die Sprachunkundigen mit dem Audio-Guide - im Grunde wie Konferenztechnik eine Empfängerbox und Kopfhörer - den Ton von der Hinterbühne übertragen, wo er von dialektkundigen Töchtern der Stadt auf Hochdeutsch eingesprochen wird. Studentin Andrea Roth kommentiert die Zeitnot, in die sie da manchmal gerät: „Jeder Rhöner weiß natürlich, was ein Buideonkel ist und wie er ungefähr aussieht – aber wie genau wäre die treffende Übersetzung ins Hochdeutsche? ,Unverheirateter Verwandter, der auf dem Dachboden haust‘?" Dieser Ausdruck ist viel zu lang, weshalb sie sich für "ewiger Junggesselle" entschied.

Hätten Sie's gewusst?
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Foto: Theater Mackenzell